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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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bedachte bereits die untauglich Gewordenen mit Pensionen. Auf seinen Reisen
im Orient, vielleicht gerade während seines Aufenthalts zu Athen und Alexan¬
dria, den beiden Hauptsitzen der wissenschaftlichen Bildung, reifte in ihm der
Plan, auch zu Rom eine hohe Schule zu gründen, die er Athenäum nannte.
Leider fehlen uns die genaueren Nachrichten über diese erste kaiserliche Uni¬
versität und erst die Gesetze späterer Kaiser und die Zustände der Akademie zu
Konstantinopel erlauben uns. einige Rückschlüsse zu machen. Auch der Ort,
wo die Anstalt stand, ist unsicher; doch scheint der Umstand, daß die hohen
Schulen an einigen anderen Orten und zu Konstantinopel den Namen Capi-
tolium führten, auf den Capitolinischen Berg hinzuweisen. Vielleicht wurde
auch in Rom der Name der Hadriauischen Stiftung, der zuletzt im dritten
Jahrhundert erwähnt wird, durch diesen dem Orte entnommenen verdrängt.
Nur soviel ist außerdem sicher, daß außer dem Unterrichte in den Hörsälen
des Athenäums die seit Anfang der Kaiserzeit gewöhnlichen Vorlesungen von
Gedichten und Uebungsreden in griechischer und lateinischer Sprache gehalten
wurden, welche die Kaiser oft mit ihrer Gegenwart beehrten. Gleichen Eifer
für die Wissenschaften zeigte Antomnus, der Philosoph. Er ordnete und er¬
weiterte die Stiftungen seines Vorgängers und wendete seine Sorgfalt beson¬
ders der athenischen Akademie zu. Für alle Wissenschaften wurden Lehrer mit
festem Gehalt angestellt und insbesondere acht Lehrstühle der Philosophie er¬
richtet, so daß jede der vier Schulen (Akademiker, Peripatetiker, Stoiker, Epi-
kurärer) zwei Vertreter hatte. Die Gehalte der Professoren scheinen zwischen
1500 und 2000 Thalern geschwankt zu haben. Lucian, der Zeitgenosse des An¬
tomnus, hat uns ein Gespräch unter dem Titel "der Eunuch" hinterlassen, das
den lächerlichen Wettstreit zweier Peripatetiker zu Athen um eine Professur mit
10,000 Drachmen (ungefähr 1700 Thlr.) Gehalt schildert. Aus demselben kann
man entnehmen, daß die Concurrenten auf dem Markte vor einer aus den be¬
sten, ältesten und weisesten Männern bestehenden Prüfungscommission um den
Preis rangen, indem sie ihre Fachkenntnisse, wahrscheinlich in einer Disputa¬
tion, an den Tag legten und an ihrem Lebenswandel zu beweisen suchten, daß
sie die Lehren der Weisheit nicht nur als Blendwerk im Munde führten.
Konnten die Richter, wie im erwähnten Falle, sich nicht vereinigen, so wurde
die Entscheidung dem Kaiser anheimgestellt. Zuweilen übertrugen auch die
Kaiser das Examen besonderen Vertrauensmännern, wie Marcus Antomnus dem
Sophisten Herodes Atticus. Hinsichtlich der Lehrer in den anderen Städten,
wo es nach einer Andeutung des jüngeren Plinius bei Besetzung der Stellen
nicht immer redlich und gewissenhaft zuging, traf Antomnus Pius die Anord¬
nung, daß die Zahl der von Steuern und öffentlichen Dienstleistungen freien
Lehrer sich nach der Größe der Ortschaften richten sollte, und zwar bestimmte
er für kleinere Städte drei Sophisten (oder Rhetoren) und ebensoviel Gram-


bedachte bereits die untauglich Gewordenen mit Pensionen. Auf seinen Reisen
im Orient, vielleicht gerade während seines Aufenthalts zu Athen und Alexan¬
dria, den beiden Hauptsitzen der wissenschaftlichen Bildung, reifte in ihm der
Plan, auch zu Rom eine hohe Schule zu gründen, die er Athenäum nannte.
Leider fehlen uns die genaueren Nachrichten über diese erste kaiserliche Uni¬
versität und erst die Gesetze späterer Kaiser und die Zustände der Akademie zu
Konstantinopel erlauben uns. einige Rückschlüsse zu machen. Auch der Ort,
wo die Anstalt stand, ist unsicher; doch scheint der Umstand, daß die hohen
Schulen an einigen anderen Orten und zu Konstantinopel den Namen Capi-
tolium führten, auf den Capitolinischen Berg hinzuweisen. Vielleicht wurde
auch in Rom der Name der Hadriauischen Stiftung, der zuletzt im dritten
Jahrhundert erwähnt wird, durch diesen dem Orte entnommenen verdrängt.
Nur soviel ist außerdem sicher, daß außer dem Unterrichte in den Hörsälen
des Athenäums die seit Anfang der Kaiserzeit gewöhnlichen Vorlesungen von
Gedichten und Uebungsreden in griechischer und lateinischer Sprache gehalten
wurden, welche die Kaiser oft mit ihrer Gegenwart beehrten. Gleichen Eifer
für die Wissenschaften zeigte Antomnus, der Philosoph. Er ordnete und er¬
weiterte die Stiftungen seines Vorgängers und wendete seine Sorgfalt beson¬
ders der athenischen Akademie zu. Für alle Wissenschaften wurden Lehrer mit
festem Gehalt angestellt und insbesondere acht Lehrstühle der Philosophie er¬
richtet, so daß jede der vier Schulen (Akademiker, Peripatetiker, Stoiker, Epi-
kurärer) zwei Vertreter hatte. Die Gehalte der Professoren scheinen zwischen
1500 und 2000 Thalern geschwankt zu haben. Lucian, der Zeitgenosse des An¬
tomnus, hat uns ein Gespräch unter dem Titel „der Eunuch" hinterlassen, das
den lächerlichen Wettstreit zweier Peripatetiker zu Athen um eine Professur mit
10,000 Drachmen (ungefähr 1700 Thlr.) Gehalt schildert. Aus demselben kann
man entnehmen, daß die Concurrenten auf dem Markte vor einer aus den be¬
sten, ältesten und weisesten Männern bestehenden Prüfungscommission um den
Preis rangen, indem sie ihre Fachkenntnisse, wahrscheinlich in einer Disputa¬
tion, an den Tag legten und an ihrem Lebenswandel zu beweisen suchten, daß
sie die Lehren der Weisheit nicht nur als Blendwerk im Munde führten.
Konnten die Richter, wie im erwähnten Falle, sich nicht vereinigen, so wurde
die Entscheidung dem Kaiser anheimgestellt. Zuweilen übertrugen auch die
Kaiser das Examen besonderen Vertrauensmännern, wie Marcus Antomnus dem
Sophisten Herodes Atticus. Hinsichtlich der Lehrer in den anderen Städten,
wo es nach einer Andeutung des jüngeren Plinius bei Besetzung der Stellen
nicht immer redlich und gewissenhaft zuging, traf Antomnus Pius die Anord¬
nung, daß die Zahl der von Steuern und öffentlichen Dienstleistungen freien
Lehrer sich nach der Größe der Ortschaften richten sollte, und zwar bestimmte
er für kleinere Städte drei Sophisten (oder Rhetoren) und ebensoviel Gram-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/182>, abgerufen am 22.07.2024.