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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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des Staates von ihnen ab, zu welcher Ansicht sie durch die Billigung ihres
Verfahrens von Seiten der Regierung ermuntert wurden.

Der ehemalige Bauer Laurids Skau, der bisherige Führer der Minorität,
ist ein Mann von unbestreitbarer natürlicher Begabung. Dies ist aber auch
alles Gute, was man von ihm sagen kann, denn diese Begabung wird weder
dnrch Bildung des Gemüths noch durch sittliches Bewußtsein geadelt. Der
Lebenswandel dieses Menschen ist unter der Linie dessen, was man gewohn¬
lich von der Lebensweise eines Mannes zu verlangen berechtigt ist; seine Er¬
hebung zum decorirten königlichen Beamten hat ihn in einen Hochmuth ver¬
senkt, der ihn auf isolirter Hohe laßt. Es kann nicht hier die Aufgabe sein,
einzelne Beispiele dieser Gemüthsstimmung zu constatiren, indessen darf doch
Eins angeführt werden, weil es in Beziehung zu seiner allgemeinen Stellung
steht. Der Bruder von Laurids Skau hatte sich mit der Tochter eines reichen
Bauern verlobt. Laurids Skau ergreift die Gelegenheit, in einem längeren
Schreiben an die Braut ihr die Ehre auseinander zu setzen, welche ihrer Fa¬
milie widerführe, in die seinige aufgenommen zu werden. Die umgehende
Antwort war, daß der Druck dieser großen Ehre von ihrer Familie nicht er¬
tragen werden könne und sie daher vorgezogen habe, das Verhältniß aufzu¬
lösen. -- Es ist eine bekannte Thatsache, daß der Schleswiger wie der hol¬
steiner Bauer ein starkes aristokratisches Bewußtsein hat; Skau hat uicht die
Klugheit gehabt, dieses zu schonen, und hat sich dadurch, daß er, der Parvenu,
bei jeder Gelegenheit sich als "königlicher Beamter" zu seinen frühern Stan-
desgenossen in Gegensätze setzt, um jede Popularität gebracht. Dem Herrn
und Meister folgten aber die Jünger nach. Die großen Massen sahen sich
getäuscht in ihren Erwartungen, die sie in ihre Führer setzen zu dürfen glaub¬
ten, und müssen, wenn auch wider Willen, der deutschen Partei das Zuge¬
ständnis; machen, daß bei ihnen die Intelligenz sei. Es ist die Ratlosigkeit,
welche die Majorität in das Lager der Minorität treibt. Aus diesen Gesichts¬
punkten ist es zu betrachten, wenn aus deu Wahlacten nicht Laurids Skau
und Konsorten hervorgehen sollten.

Merkwürdig ist es, daß in dem Distrikte, welcher zwischen Flensburg und
Apcnrade östlich von der zwischen diesen beiden Orten befindlichen Chaussee liegt,
im Sundewitt, jetzt die deutsche Gesinnung vorherrschend U während es vor dem
Kriege und während desselben keinen Distrikt in Nord-Schleswig gab, selbst
Hadersleben Amt nicht ausgenommen, der so im dänischen Sinn fanatifn't
war, wie gerade Sundewitt. Um hierfür das Verständniß zu eröffnen, muß
näher auf den Operationsplan der dänischen Regierung und Propaganda ein¬
gegangen werden.

Die Stadt Flensburg wurde als Operationsbasis ausersehen, indem man in
Kopenhagen von dem richtig berechneten Grundsatze ausging, daß, wenn es gelingen


des Staates von ihnen ab, zu welcher Ansicht sie durch die Billigung ihres
Verfahrens von Seiten der Regierung ermuntert wurden.

Der ehemalige Bauer Laurids Skau, der bisherige Führer der Minorität,
ist ein Mann von unbestreitbarer natürlicher Begabung. Dies ist aber auch
alles Gute, was man von ihm sagen kann, denn diese Begabung wird weder
dnrch Bildung des Gemüths noch durch sittliches Bewußtsein geadelt. Der
Lebenswandel dieses Menschen ist unter der Linie dessen, was man gewohn¬
lich von der Lebensweise eines Mannes zu verlangen berechtigt ist; seine Er¬
hebung zum decorirten königlichen Beamten hat ihn in einen Hochmuth ver¬
senkt, der ihn auf isolirter Hohe laßt. Es kann nicht hier die Aufgabe sein,
einzelne Beispiele dieser Gemüthsstimmung zu constatiren, indessen darf doch
Eins angeführt werden, weil es in Beziehung zu seiner allgemeinen Stellung
steht. Der Bruder von Laurids Skau hatte sich mit der Tochter eines reichen
Bauern verlobt. Laurids Skau ergreift die Gelegenheit, in einem längeren
Schreiben an die Braut ihr die Ehre auseinander zu setzen, welche ihrer Fa¬
milie widerführe, in die seinige aufgenommen zu werden. Die umgehende
Antwort war, daß der Druck dieser großen Ehre von ihrer Familie nicht er¬
tragen werden könne und sie daher vorgezogen habe, das Verhältniß aufzu¬
lösen. — Es ist eine bekannte Thatsache, daß der Schleswiger wie der hol¬
steiner Bauer ein starkes aristokratisches Bewußtsein hat; Skau hat uicht die
Klugheit gehabt, dieses zu schonen, und hat sich dadurch, daß er, der Parvenu,
bei jeder Gelegenheit sich als „königlicher Beamter" zu seinen frühern Stan-
desgenossen in Gegensätze setzt, um jede Popularität gebracht. Dem Herrn
und Meister folgten aber die Jünger nach. Die großen Massen sahen sich
getäuscht in ihren Erwartungen, die sie in ihre Führer setzen zu dürfen glaub¬
ten, und müssen, wenn auch wider Willen, der deutschen Partei das Zuge¬
ständnis; machen, daß bei ihnen die Intelligenz sei. Es ist die Ratlosigkeit,
welche die Majorität in das Lager der Minorität treibt. Aus diesen Gesichts¬
punkten ist es zu betrachten, wenn aus deu Wahlacten nicht Laurids Skau
und Konsorten hervorgehen sollten.

Merkwürdig ist es, daß in dem Distrikte, welcher zwischen Flensburg und
Apcnrade östlich von der zwischen diesen beiden Orten befindlichen Chaussee liegt,
im Sundewitt, jetzt die deutsche Gesinnung vorherrschend U während es vor dem
Kriege und während desselben keinen Distrikt in Nord-Schleswig gab, selbst
Hadersleben Amt nicht ausgenommen, der so im dänischen Sinn fanatifn't
war, wie gerade Sundewitt. Um hierfür das Verständniß zu eröffnen, muß
näher auf den Operationsplan der dänischen Regierung und Propaganda ein¬
gegangen werden.

Die Stadt Flensburg wurde als Operationsbasis ausersehen, indem man in
Kopenhagen von dem richtig berechneten Grundsatze ausging, daß, wenn es gelingen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/178>, abgerufen am 22.07.2024.