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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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ist, die nöthigen Nachrichten nicht von ihren eigenen Diplomaten, sondern von
fremden Mächten zu erhalten.

Cine andere vielversprechende Unterhandlung -- mit Oestreich ist gleich,
falls geschlossen, und hat, wie die seligen Dresdner Konferenzen, zu keinem
anderen Resultat geführt, als daß sie zu den vielen schon vorhandenen Akten¬
stücken ein neues schätzbares Material hinzugefügt hat. -- Auch hier konnte
das ruhige Publicum keinen anderen Ausgang erwarten. -- Nicht als ob eine
Unterhandlung mit Oestreich überflüssig wäre! -- Im Gegentheil! -- Aber
soll Oestreich zu Concessionen getrieben werden, so können nur zweierlei Mo¬
tive wirken: Hoffnung oder Furcht.. -- Entweder verheißt ihm Preußen einen
Beistand über seine Bundespflicht hinaus, d. h. es schließt sich seiner italieni¬
schen Politik an. -- oder es erweckt in ihm die Ueberzeugung, daß, wenn nicht
ein Bündniß zu Stande kommt, das Gegentheil davon eintritt. Wenn Oest¬
reich die Möglichkeit sähe, in irgend einer Combination Preußen in der That
gegen sich zu haben, so würde es sich sehr hüten, diese Combination eintreten
zu lassen; es würde Opfer bringen, sobald es nur klar sähe, daß es sie brin¬
gen müsse. -- Keines von beiden findet statt. Man spricht.zwar in Ber¬
lin viel von "freier Hand", aber man hat glücklich die Ueberzeugung allgemein
verbreitet, daß von einem realen Antagonismus gegen Oestreich nun und
nimmermehr die Rede sein könne. -- Was bleibt also da noch für ein Mittel,
auf Oestreichs Entschlüsse einen Druck auszuüben?

Die Lage wird aber von Woche zu Woche ernsthafter, und die Zeit
drängt. Wenn Preußen weder in England noch in Rußland, weder in Oest¬
reich noch in Schweden mit seinen Entwürfen Anklang findet, so muß es an¬
dere Bundesgenossen suchen.

Seine nächsten natürlichen Bundesgenossen sind: in erster Linie, das preu¬
ßische Volk; in zweiter Linie, das deutsche Volk. -- Die Regierung irrt
"der, wenn sie glaubt, diese natürlichen Bundesgenossen ohne Anstrengung
öewinnen und behaupten zu können.

Es ist in den drei letzten Jahren viel verdorben. Mit der wohlwollenden
Gesinnung des Gouvernements ist man zwar zufrieden, aber man zweifelt an
seiner Kraft. Bis jetzt hat die Negierung ihre Kraft darin gesucht, den Freun¬
den streng und hochfahrend zu begegnen; die Gegner hat sie mit Glacehand¬
schuhen angefaßt.

Das höhere Beamtenthum. die Diplomatie, das Militär, das Herrenhaus,
ti.e Provinzialstände. die Kreistage -- das Alles ist ganz und gar in den
Händen der entschiedenen Gegner unserer Regierung und unserer'Verfassung. --
Noch immer betrachten und behandeln die Oberpräsidenten und was ihnen
zunächst steht, die Anhänger des Ministeriums als Demokraten, als Feinde
^r Krone. Noch immer wirkt die Mehrzahl der Diplomaten im Ausland,


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ist, die nöthigen Nachrichten nicht von ihren eigenen Diplomaten, sondern von
fremden Mächten zu erhalten.

Cine andere vielversprechende Unterhandlung — mit Oestreich ist gleich,
falls geschlossen, und hat, wie die seligen Dresdner Konferenzen, zu keinem
anderen Resultat geführt, als daß sie zu den vielen schon vorhandenen Akten¬
stücken ein neues schätzbares Material hinzugefügt hat. — Auch hier konnte
das ruhige Publicum keinen anderen Ausgang erwarten. — Nicht als ob eine
Unterhandlung mit Oestreich überflüssig wäre! — Im Gegentheil! — Aber
soll Oestreich zu Concessionen getrieben werden, so können nur zweierlei Mo¬
tive wirken: Hoffnung oder Furcht.. — Entweder verheißt ihm Preußen einen
Beistand über seine Bundespflicht hinaus, d. h. es schließt sich seiner italieni¬
schen Politik an. — oder es erweckt in ihm die Ueberzeugung, daß, wenn nicht
ein Bündniß zu Stande kommt, das Gegentheil davon eintritt. Wenn Oest¬
reich die Möglichkeit sähe, in irgend einer Combination Preußen in der That
gegen sich zu haben, so würde es sich sehr hüten, diese Combination eintreten
zu lassen; es würde Opfer bringen, sobald es nur klar sähe, daß es sie brin¬
gen müsse. — Keines von beiden findet statt. Man spricht.zwar in Ber¬
lin viel von „freier Hand", aber man hat glücklich die Ueberzeugung allgemein
verbreitet, daß von einem realen Antagonismus gegen Oestreich nun und
nimmermehr die Rede sein könne. — Was bleibt also da noch für ein Mittel,
auf Oestreichs Entschlüsse einen Druck auszuüben?

Die Lage wird aber von Woche zu Woche ernsthafter, und die Zeit
drängt. Wenn Preußen weder in England noch in Rußland, weder in Oest¬
reich noch in Schweden mit seinen Entwürfen Anklang findet, so muß es an¬
dere Bundesgenossen suchen.

Seine nächsten natürlichen Bundesgenossen sind: in erster Linie, das preu¬
ßische Volk; in zweiter Linie, das deutsche Volk. — Die Regierung irrt
"der, wenn sie glaubt, diese natürlichen Bundesgenossen ohne Anstrengung
öewinnen und behaupten zu können.

Es ist in den drei letzten Jahren viel verdorben. Mit der wohlwollenden
Gesinnung des Gouvernements ist man zwar zufrieden, aber man zweifelt an
seiner Kraft. Bis jetzt hat die Negierung ihre Kraft darin gesucht, den Freun¬
den streng und hochfahrend zu begegnen; die Gegner hat sie mit Glacehand¬
schuhen angefaßt.

Das höhere Beamtenthum. die Diplomatie, das Militär, das Herrenhaus,
ti.e Provinzialstände. die Kreistage — das Alles ist ganz und gar in den
Händen der entschiedenen Gegner unserer Regierung und unserer'Verfassung. —
Noch immer betrachten und behandeln die Oberpräsidenten und was ihnen
zunächst steht, die Anhänger des Ministeriums als Demokraten, als Feinde
^r Krone. Noch immer wirkt die Mehrzahl der Diplomaten im Ausland,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/165>, abgerufen am 22.07.2024.