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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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bisher für Holstein gemeinschaftliche bleiben. Wenn die Stände Holsteins
gegen das factische Fortbestehen des 1858 für ihr Herzogthum beseitigten Reichs-
raths für Schleswig und Dänemark nicht protestirt haben, so haben sie damit
die rechtliche Existenz desselben nicht anerkannt. Der Protest unterblieb, weil
man sich streng auf dem Gebiet zu halten wünschte, welches der Bundesgewalt
unzweifelhaft untergeordnet ist. weil ferner die Verbindung Schleswigs mit Düne¬
mark durch den Reichsrath und die Verfassung von 18S5 nur eine formelle ist.
und weil endlich, so lange Holstein aus der Gemeinschaft nicht materiell
scheidet, dem Herzogthum Schleswig doch einiger Schutz für seine Selbständigkeit
und Gleichberechtigung gewährt ist, welche der Reichsrath gänzlich zu vernichten
droht. "Zu einem Abkommen, welches auch materiell Holstein ganz oder
theilweise aus der Gemeinschaft ausschiede, so lange dieselbe für Schleswig
und Dänemark besteht, könnte die Versammlung um so weniger die Hand
bieten, als dadurch die Beziehungen Holsteins zu Schleswig nur noch in wei.
deren Umfang gelöst und so die Aussicht auf dereinstige Erfüllung ihres
dringendsten Wunsches, der Wiederherstellung der alten Verbindung, nur in
weitere Ferne gerückt würde."

Nach diesen Grundsätzen prüft nun der Ausschußbcricht die Regierungsvor¬
lage und findet dieselbe ungenügend. Die Regierung erkennt die Nothwendig,
keit an. den Stünden Holsteins während des Provisoriums die Mitwirkung
bei der Gesetzgebung für die gemeinschaftlichen Angelegenheiten zu sichern.
Aber während die Ständeversammlung und ebenso der Bundesbeschluß vom
8. März vorigen Jahres jene Mitwirkung für das gestimmte Gebiet der ge¬
meinschaftlichen Gesetzgebung in Anspruch nahmen, beschränkt die Vorlage die-
selbe nur auf einen Theil dieses Gebiets. Während nach dem Plan der Re¬
gierung die Verwaltung der bisher gemeinschaftlichen Angelegenheiten eine
gemeinschaftliche bleibt, tritt rücksichtlich der Gesetzgebung gerade in den Be¬
ziehungen, in welchen die für Holstein und Schleswig zumeist gemeinsamen
localen Interessen hauptsächlich in Frage kommen, eine Aussonderung Hol¬
steins ein, ja auch in Betreff der Verwaltung ist eine solche vorgesehen, indem
die Regierung sich vorbehält, wenn eine Uebereinstimmung in den Beschlüssen
des Rnchsraths und der holsteinischen Stände, wo ihr eine solche erforderlich
scheint, nicht zu erzielen wäre, mit Zustimmung einer dieser Versammlungen
>n gewissem Umfang die Gemeinschaft selbst vollständig aufzuheben. Derartige
abweichende Beschlüsse können nicht ausbleiben, und man weiß, wie sehr die
in Negierung und Vertretung des Königreichs den Ausschlag gebende Partei
(die Eiderdänen) geneigt ist. Holstein zu opfern, um Schleswig ganz zu gewinnen.

So wenig die Vorlage am Princip der Gemeinschaft festhält, so wenig führt
sie die Grundsätze der Gleichberechtigung und Selbständigkeit durch. Die Competenz
des Reichsraths erstreckt sich, die Bewilligung einzelner Ausgabeposten ausge-


bisher für Holstein gemeinschaftliche bleiben. Wenn die Stände Holsteins
gegen das factische Fortbestehen des 1858 für ihr Herzogthum beseitigten Reichs-
raths für Schleswig und Dänemark nicht protestirt haben, so haben sie damit
die rechtliche Existenz desselben nicht anerkannt. Der Protest unterblieb, weil
man sich streng auf dem Gebiet zu halten wünschte, welches der Bundesgewalt
unzweifelhaft untergeordnet ist. weil ferner die Verbindung Schleswigs mit Düne¬
mark durch den Reichsrath und die Verfassung von 18S5 nur eine formelle ist.
und weil endlich, so lange Holstein aus der Gemeinschaft nicht materiell
scheidet, dem Herzogthum Schleswig doch einiger Schutz für seine Selbständigkeit
und Gleichberechtigung gewährt ist, welche der Reichsrath gänzlich zu vernichten
droht. „Zu einem Abkommen, welches auch materiell Holstein ganz oder
theilweise aus der Gemeinschaft ausschiede, so lange dieselbe für Schleswig
und Dänemark besteht, könnte die Versammlung um so weniger die Hand
bieten, als dadurch die Beziehungen Holsteins zu Schleswig nur noch in wei.
deren Umfang gelöst und so die Aussicht auf dereinstige Erfüllung ihres
dringendsten Wunsches, der Wiederherstellung der alten Verbindung, nur in
weitere Ferne gerückt würde."

Nach diesen Grundsätzen prüft nun der Ausschußbcricht die Regierungsvor¬
lage und findet dieselbe ungenügend. Die Regierung erkennt die Nothwendig,
keit an. den Stünden Holsteins während des Provisoriums die Mitwirkung
bei der Gesetzgebung für die gemeinschaftlichen Angelegenheiten zu sichern.
Aber während die Ständeversammlung und ebenso der Bundesbeschluß vom
8. März vorigen Jahres jene Mitwirkung für das gestimmte Gebiet der ge¬
meinschaftlichen Gesetzgebung in Anspruch nahmen, beschränkt die Vorlage die-
selbe nur auf einen Theil dieses Gebiets. Während nach dem Plan der Re¬
gierung die Verwaltung der bisher gemeinschaftlichen Angelegenheiten eine
gemeinschaftliche bleibt, tritt rücksichtlich der Gesetzgebung gerade in den Be¬
ziehungen, in welchen die für Holstein und Schleswig zumeist gemeinsamen
localen Interessen hauptsächlich in Frage kommen, eine Aussonderung Hol¬
steins ein, ja auch in Betreff der Verwaltung ist eine solche vorgesehen, indem
die Regierung sich vorbehält, wenn eine Uebereinstimmung in den Beschlüssen
des Rnchsraths und der holsteinischen Stände, wo ihr eine solche erforderlich
scheint, nicht zu erzielen wäre, mit Zustimmung einer dieser Versammlungen
>n gewissem Umfang die Gemeinschaft selbst vollständig aufzuheben. Derartige
abweichende Beschlüsse können nicht ausbleiben, und man weiß, wie sehr die
in Negierung und Vertretung des Königreichs den Ausschlag gebende Partei
(die Eiderdänen) geneigt ist. Holstein zu opfern, um Schleswig ganz zu gewinnen.

So wenig die Vorlage am Princip der Gemeinschaft festhält, so wenig führt
sie die Grundsätze der Gleichberechtigung und Selbständigkeit durch. Die Competenz
des Reichsraths erstreckt sich, die Bewilligung einzelner Ausgabeposten ausge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/15>, abgerufen am 03.07.2024.