Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

c^ben sie einige Salven aus ihren langen Feuerschloßflinten, dann stürzen sie
sich mit dem Handschar auf den Feind,

Eben so einfach wie die Heercsverfassung ist die Justiz und die Admini¬
stration organisirt. Das Land ist in Radien (Kreise) getheilt. Jeder Nahie
steht als Richter und Verwaltungsbenmter ein Cnpitän vor. Zweite Instanz
in Rechtsstreitigkeiten ist der aus zwölf Mitgliedern, einem Präsidenten und
einem Vicepräsidenten zusammengesetzte in Zettinje tagende Senat. Die Pro¬
cesse werden in rein patriarchalischer Weise mündlich und öffentlich unter freiem
Himmel verhandelt.

Der jetzt regierende Fürst Nikolaus ist ein neunzehnjähriger kränklicher
Jüngling, der zwei Jahre in Trieft und vier Jahre in Paris die Schulen
besucht und sich im verflossenen November mit Milena, der vierzehnjährigen
Tochter des Senators und Wojwoden Peter Wukotitsch, vermählt hat. Er
kümmert sich um die Regierung nur so. weit, als ihm sein Vater, der Se-
natspräsidcnt Mirko, zugesteht. Mirko, ein sehr energischer, strenger, mit einem
gewissen Grad von Verwaltungstalcnt begabter Mann, der sich auch als Krieger
gegen die Türken hervorgethan hat, ist der eigentliche Regent. Sein Plan
geht im Wesentlichen darauf, die factische Unabhängigkeit Montenegro's auch
formell anerkannt zu wissen und das Gebiet des Landes namentlich nach dem
Meer hin zu erweitern. Jene Anerkennung ist bisher noch nicht erfolgt. Doch
liegt sie zum Theil schon in der im vorigen Frühjahr durch eine internationale
Commission vorgenommenen Regulirung der Grenzen Montenegro's gegen die
Türkei hin, und Frankreich sowie Rußland unterstützen die Ansprüche der
Montenegriner lebhaft. Nußland, das sich früher als alleinigen Protector der
letzteren ansah, siel mit seinem Einfluß, den es durch Subventionen an den
Fürsten und die Kirche des Landes aufrecht erhielt, schon Danilo so beschwer¬
lich, daß er sich allmälig nach einem andern Freunde umsah. Er fand den¬
selben in dem Kaiser Napoleon, der ihm eine Subvention von jährlich 100,000
Francs festsetzte und sich auch sonst vielfach als schätzbaren Gönner erwies,
ein Verhalten, welches, natürlich zunächst gegen Oestreich gerichtet, unter dem
jetzigen Fürsten dasselbe blieb und bei Gelegenheit, vielleicht bald, seine Früchte
tragen wird. Seit der Zeit herrscht ein förmlicher Wetteifer in Freundlichkeiten
zwischen dem russischen Konsul Petkowitsch in Ragusa und' dem französische"
Consul Hecquard in Skutari, der zugleich Protector der Katholiken in Albanien
ist. Die Konsuln Englands und Oestreichs handeln eher als Gegner wie als
Freunde Montenegro's, und Oestreich, in frühern Zeiten in Montenegro wie
in Albanien mit nicht ungünstigen Augen angesehen, ist jetzt in Folge des
Auftretens seiner Agenten, die dem Grundsatz huldigten, Oestreich brauche hier
nicht geliebt, sondern nur gefürchtet zu werden, die verhaßteste von allen Gro߬
mächten.


c^ben sie einige Salven aus ihren langen Feuerschloßflinten, dann stürzen sie
sich mit dem Handschar auf den Feind,

Eben so einfach wie die Heercsverfassung ist die Justiz und die Admini¬
stration organisirt. Das Land ist in Radien (Kreise) getheilt. Jeder Nahie
steht als Richter und Verwaltungsbenmter ein Cnpitän vor. Zweite Instanz
in Rechtsstreitigkeiten ist der aus zwölf Mitgliedern, einem Präsidenten und
einem Vicepräsidenten zusammengesetzte in Zettinje tagende Senat. Die Pro¬
cesse werden in rein patriarchalischer Weise mündlich und öffentlich unter freiem
Himmel verhandelt.

Der jetzt regierende Fürst Nikolaus ist ein neunzehnjähriger kränklicher
Jüngling, der zwei Jahre in Trieft und vier Jahre in Paris die Schulen
besucht und sich im verflossenen November mit Milena, der vierzehnjährigen
Tochter des Senators und Wojwoden Peter Wukotitsch, vermählt hat. Er
kümmert sich um die Regierung nur so. weit, als ihm sein Vater, der Se-
natspräsidcnt Mirko, zugesteht. Mirko, ein sehr energischer, strenger, mit einem
gewissen Grad von Verwaltungstalcnt begabter Mann, der sich auch als Krieger
gegen die Türken hervorgethan hat, ist der eigentliche Regent. Sein Plan
geht im Wesentlichen darauf, die factische Unabhängigkeit Montenegro's auch
formell anerkannt zu wissen und das Gebiet des Landes namentlich nach dem
Meer hin zu erweitern. Jene Anerkennung ist bisher noch nicht erfolgt. Doch
liegt sie zum Theil schon in der im vorigen Frühjahr durch eine internationale
Commission vorgenommenen Regulirung der Grenzen Montenegro's gegen die
Türkei hin, und Frankreich sowie Rußland unterstützen die Ansprüche der
Montenegriner lebhaft. Nußland, das sich früher als alleinigen Protector der
letzteren ansah, siel mit seinem Einfluß, den es durch Subventionen an den
Fürsten und die Kirche des Landes aufrecht erhielt, schon Danilo so beschwer¬
lich, daß er sich allmälig nach einem andern Freunde umsah. Er fand den¬
selben in dem Kaiser Napoleon, der ihm eine Subvention von jährlich 100,000
Francs festsetzte und sich auch sonst vielfach als schätzbaren Gönner erwies,
ein Verhalten, welches, natürlich zunächst gegen Oestreich gerichtet, unter dem
jetzigen Fürsten dasselbe blieb und bei Gelegenheit, vielleicht bald, seine Früchte
tragen wird. Seit der Zeit herrscht ein förmlicher Wetteifer in Freundlichkeiten
zwischen dem russischen Konsul Petkowitsch in Ragusa und' dem französische»
Consul Hecquard in Skutari, der zugleich Protector der Katholiken in Albanien
ist. Die Konsuln Englands und Oestreichs handeln eher als Gegner wie als
Freunde Montenegro's, und Oestreich, in frühern Zeiten in Montenegro wie
in Albanien mit nicht ungünstigen Augen angesehen, ist jetzt in Folge des
Auftretens seiner Agenten, die dem Grundsatz huldigten, Oestreich brauche hier
nicht geliebt, sondern nur gefürchtet zu werden, die verhaßteste von allen Gro߬
mächten.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0144" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111576"/>
            <p xml:id="ID_449" prev="#ID_448"> c^ben sie einige Salven aus ihren langen Feuerschloßflinten, dann stürzen sie<lb/>
sich mit dem Handschar auf den Feind,</p><lb/>
            <p xml:id="ID_450"> Eben so einfach wie die Heercsverfassung ist die Justiz und die Admini¬<lb/>
stration organisirt. Das Land ist in Radien (Kreise) getheilt. Jeder Nahie<lb/>
steht als Richter und Verwaltungsbenmter ein Cnpitän vor. Zweite Instanz<lb/>
in Rechtsstreitigkeiten ist der aus zwölf Mitgliedern, einem Präsidenten und<lb/>
einem Vicepräsidenten zusammengesetzte in Zettinje tagende Senat. Die Pro¬<lb/>
cesse werden in rein patriarchalischer Weise mündlich und öffentlich unter freiem<lb/>
Himmel verhandelt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_451"> Der jetzt regierende Fürst Nikolaus ist ein neunzehnjähriger kränklicher<lb/>
Jüngling, der zwei Jahre in Trieft und vier Jahre in Paris die Schulen<lb/>
besucht und sich im verflossenen November mit Milena, der vierzehnjährigen<lb/>
Tochter des Senators und Wojwoden Peter Wukotitsch, vermählt hat. Er<lb/>
kümmert sich um die Regierung nur so. weit, als ihm sein Vater, der Se-<lb/>
natspräsidcnt Mirko, zugesteht. Mirko, ein sehr energischer, strenger, mit einem<lb/>
gewissen Grad von Verwaltungstalcnt begabter Mann, der sich auch als Krieger<lb/>
gegen die Türken hervorgethan hat, ist der eigentliche Regent. Sein Plan<lb/>
geht im Wesentlichen darauf, die factische Unabhängigkeit Montenegro's auch<lb/>
formell anerkannt zu wissen und das Gebiet des Landes namentlich nach dem<lb/>
Meer hin zu erweitern. Jene Anerkennung ist bisher noch nicht erfolgt. Doch<lb/>
liegt sie zum Theil schon in der im vorigen Frühjahr durch eine internationale<lb/>
Commission vorgenommenen Regulirung der Grenzen Montenegro's gegen die<lb/>
Türkei hin, und Frankreich sowie Rußland unterstützen die Ansprüche der<lb/>
Montenegriner lebhaft. Nußland, das sich früher als alleinigen Protector der<lb/>
letzteren ansah, siel mit seinem Einfluß, den es durch Subventionen an den<lb/>
Fürsten und die Kirche des Landes aufrecht erhielt, schon Danilo so beschwer¬<lb/>
lich, daß er sich allmälig nach einem andern Freunde umsah. Er fand den¬<lb/>
selben in dem Kaiser Napoleon, der ihm eine Subvention von jährlich 100,000<lb/>
Francs festsetzte und sich auch sonst vielfach als schätzbaren Gönner erwies,<lb/>
ein Verhalten, welches, natürlich zunächst gegen Oestreich gerichtet, unter dem<lb/>
jetzigen Fürsten dasselbe blieb und bei Gelegenheit, vielleicht bald, seine Früchte<lb/>
tragen wird. Seit der Zeit herrscht ein förmlicher Wetteifer in Freundlichkeiten<lb/>
zwischen dem russischen Konsul Petkowitsch in Ragusa und' dem französische»<lb/>
Consul Hecquard in Skutari, der zugleich Protector der Katholiken in Albanien<lb/>
ist. Die Konsuln Englands und Oestreichs handeln eher als Gegner wie als<lb/>
Freunde Montenegro's, und Oestreich, in frühern Zeiten in Montenegro wie<lb/>
in Albanien mit nicht ungünstigen Augen angesehen, ist jetzt in Folge des<lb/>
Auftretens seiner Agenten, die dem Grundsatz huldigten, Oestreich brauche hier<lb/>
nicht geliebt, sondern nur gefürchtet zu werden, die verhaßteste von allen Gro߬<lb/>
mächten.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0144] c^ben sie einige Salven aus ihren langen Feuerschloßflinten, dann stürzen sie sich mit dem Handschar auf den Feind, Eben so einfach wie die Heercsverfassung ist die Justiz und die Admini¬ stration organisirt. Das Land ist in Radien (Kreise) getheilt. Jeder Nahie steht als Richter und Verwaltungsbenmter ein Cnpitän vor. Zweite Instanz in Rechtsstreitigkeiten ist der aus zwölf Mitgliedern, einem Präsidenten und einem Vicepräsidenten zusammengesetzte in Zettinje tagende Senat. Die Pro¬ cesse werden in rein patriarchalischer Weise mündlich und öffentlich unter freiem Himmel verhandelt. Der jetzt regierende Fürst Nikolaus ist ein neunzehnjähriger kränklicher Jüngling, der zwei Jahre in Trieft und vier Jahre in Paris die Schulen besucht und sich im verflossenen November mit Milena, der vierzehnjährigen Tochter des Senators und Wojwoden Peter Wukotitsch, vermählt hat. Er kümmert sich um die Regierung nur so. weit, als ihm sein Vater, der Se- natspräsidcnt Mirko, zugesteht. Mirko, ein sehr energischer, strenger, mit einem gewissen Grad von Verwaltungstalcnt begabter Mann, der sich auch als Krieger gegen die Türken hervorgethan hat, ist der eigentliche Regent. Sein Plan geht im Wesentlichen darauf, die factische Unabhängigkeit Montenegro's auch formell anerkannt zu wissen und das Gebiet des Landes namentlich nach dem Meer hin zu erweitern. Jene Anerkennung ist bisher noch nicht erfolgt. Doch liegt sie zum Theil schon in der im vorigen Frühjahr durch eine internationale Commission vorgenommenen Regulirung der Grenzen Montenegro's gegen die Türkei hin, und Frankreich sowie Rußland unterstützen die Ansprüche der Montenegriner lebhaft. Nußland, das sich früher als alleinigen Protector der letzteren ansah, siel mit seinem Einfluß, den es durch Subventionen an den Fürsten und die Kirche des Landes aufrecht erhielt, schon Danilo so beschwer¬ lich, daß er sich allmälig nach einem andern Freunde umsah. Er fand den¬ selben in dem Kaiser Napoleon, der ihm eine Subvention von jährlich 100,000 Francs festsetzte und sich auch sonst vielfach als schätzbaren Gönner erwies, ein Verhalten, welches, natürlich zunächst gegen Oestreich gerichtet, unter dem jetzigen Fürsten dasselbe blieb und bei Gelegenheit, vielleicht bald, seine Früchte tragen wird. Seit der Zeit herrscht ein förmlicher Wetteifer in Freundlichkeiten zwischen dem russischen Konsul Petkowitsch in Ragusa und' dem französische» Consul Hecquard in Skutari, der zugleich Protector der Katholiken in Albanien ist. Die Konsuln Englands und Oestreichs handeln eher als Gegner wie als Freunde Montenegro's, und Oestreich, in frühern Zeiten in Montenegro wie in Albanien mit nicht ungünstigen Augen angesehen, ist jetzt in Folge des Auftretens seiner Agenten, die dem Grundsatz huldigten, Oestreich brauche hier nicht geliebt, sondern nur gefürchtet zu werden, die verhaßteste von allen Gro߬ mächten.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/144
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/144>, abgerufen am 27.09.2024.