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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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und die socialen Verhältnisse sich besserten, gewann der durch den Befreiungs¬
krieg geweckte Gedanke einer gänzlichen Emancipation von den Türken und
einer Wiederaufrichtung des mit der Schlacht auf dem Kossowo Polle und
dem Tode Czar Lazars untergegangenen Serbenreichs immer mehr Boden.
Namentlich war die intelligente jüngere Generation, die sich auf westlichen und
vorzüglich deutschen Universitäten gebildet, für diesen Gedanken mit Eifer thä¬
tig. Aber es bedürfte vieler und langwieriger Vorbereitungen, um zum Ziele
zu gelangen. Es mußten Verbindungen mit den Serben in Bosnien und
Montenegro sowie mit andern Stamm- und Glanbcnsverwcindten angeknüpft,
Geldmittel, Waffen und Munition beschafft, und es mußte vor Allem in einem
Mann von Charakter und klangreichem Namen ein Führer für das Unter¬
nehmen gefunden werden. Fürst Alexander war dieser Mann nicht. Er be¬
saß als Sohn des ersten Serbenbefreiers den besten Namen, aber weder eine
starke Willenskraft noch sonst hervorragende geistige Eigenschaften. Unent¬
schlossen, mattherzig, geizig und ängstlich besorgt, sein Vermögen zu verlieren,
genügte er den Patrioten Jung-Serbiens nicht entfernt. Um so lieber aber
war er der Wiener Politik, die ihn durch den Generalconsul Radossawliewitsch
fast in allen Beziehungen leitete und fortwährend darauf hinwirkte, daß der
Fürst sich den aufkeimenden volkstümlichen Ideen verschloß. So erweiterte
sich durch den Mangel an Energie und patriotischen Sinn auf Seiten des Fürsten,
die Kluft zwischen diesem und dem die Volkspartei vertretenden Senat von Jahr
zu Jahr mehr. Da aber der Zeitpunkt zum Handeln noch nicht gekommen
schien, die Vorbereitungen dazu erst begonnen und die politischen Conjuncturen
>in Allgemeinen ungünstig waren, so schonte man den Fürsten noch und be¬
nutzte ihn nur so viel als möglich als Werkzeug, die Pläne, die man hatte,
zu fördern. Dazu bediente man sich besonders des russischen Konsuls in Bel¬
grad, dem man den Glauben beizubringen verstand, Alles, was geschehe, sei
nur der Anfang zur Abschüttelung des Jochs der Pforte im Interesse Ru߬
lands. Es wurden mit belgischen Waffenfabriken Lieferungsverträge abge¬
schlossen. Man erweiterte die bereits bestehende Militärakademie, gründete zu
Stragara im Gebirge eine große Pulvcrmühle und in Kragujewcch eine Ka¬
nonengießerei und Zündhütchenfabrik, ließ zu Maidcnnpek im Geheimen Mil¬
lionen von Geschützkugeln gießen und schuf im ganzen Lande eine Art Na¬
tionalgarde, die fleißig einexercirt wurde. Da dies Alles auf Anregung des
russischen Generalconsuls zu geschehen schien, so machte Graf Buol in Peters¬
burg Vorstellungen und veranlaßte das dortige Cabinet, den Botschaftsrath
Fonton nach Belgrad zu senden, um hier beruhigend zu wirken und die im-
wer tiefer werdende Spaltung zwischen Fürst und Senat nach Möglichkeit
auszugleichen. Rußland, in der Hoffnung, sich in Oestreich einen Bundesge¬
nossen für den bevorstehenden Krieg zu erwerben, ging daraus ein. Fonton


Grenzboten II. 1861. ^

und die socialen Verhältnisse sich besserten, gewann der durch den Befreiungs¬
krieg geweckte Gedanke einer gänzlichen Emancipation von den Türken und
einer Wiederaufrichtung des mit der Schlacht auf dem Kossowo Polle und
dem Tode Czar Lazars untergegangenen Serbenreichs immer mehr Boden.
Namentlich war die intelligente jüngere Generation, die sich auf westlichen und
vorzüglich deutschen Universitäten gebildet, für diesen Gedanken mit Eifer thä¬
tig. Aber es bedürfte vieler und langwieriger Vorbereitungen, um zum Ziele
zu gelangen. Es mußten Verbindungen mit den Serben in Bosnien und
Montenegro sowie mit andern Stamm- und Glanbcnsverwcindten angeknüpft,
Geldmittel, Waffen und Munition beschafft, und es mußte vor Allem in einem
Mann von Charakter und klangreichem Namen ein Führer für das Unter¬
nehmen gefunden werden. Fürst Alexander war dieser Mann nicht. Er be¬
saß als Sohn des ersten Serbenbefreiers den besten Namen, aber weder eine
starke Willenskraft noch sonst hervorragende geistige Eigenschaften. Unent¬
schlossen, mattherzig, geizig und ängstlich besorgt, sein Vermögen zu verlieren,
genügte er den Patrioten Jung-Serbiens nicht entfernt. Um so lieber aber
war er der Wiener Politik, die ihn durch den Generalconsul Radossawliewitsch
fast in allen Beziehungen leitete und fortwährend darauf hinwirkte, daß der
Fürst sich den aufkeimenden volkstümlichen Ideen verschloß. So erweiterte
sich durch den Mangel an Energie und patriotischen Sinn auf Seiten des Fürsten,
die Kluft zwischen diesem und dem die Volkspartei vertretenden Senat von Jahr
zu Jahr mehr. Da aber der Zeitpunkt zum Handeln noch nicht gekommen
schien, die Vorbereitungen dazu erst begonnen und die politischen Conjuncturen
>in Allgemeinen ungünstig waren, so schonte man den Fürsten noch und be¬
nutzte ihn nur so viel als möglich als Werkzeug, die Pläne, die man hatte,
zu fördern. Dazu bediente man sich besonders des russischen Konsuls in Bel¬
grad, dem man den Glauben beizubringen verstand, Alles, was geschehe, sei
nur der Anfang zur Abschüttelung des Jochs der Pforte im Interesse Ru߬
lands. Es wurden mit belgischen Waffenfabriken Lieferungsverträge abge¬
schlossen. Man erweiterte die bereits bestehende Militärakademie, gründete zu
Stragara im Gebirge eine große Pulvcrmühle und in Kragujewcch eine Ka¬
nonengießerei und Zündhütchenfabrik, ließ zu Maidcnnpek im Geheimen Mil¬
lionen von Geschützkugeln gießen und schuf im ganzen Lande eine Art Na¬
tionalgarde, die fleißig einexercirt wurde. Da dies Alles auf Anregung des
russischen Generalconsuls zu geschehen schien, so machte Graf Buol in Peters¬
burg Vorstellungen und veranlaßte das dortige Cabinet, den Botschaftsrath
Fonton nach Belgrad zu senden, um hier beruhigend zu wirken und die im-
wer tiefer werdende Spaltung zwischen Fürst und Senat nach Möglichkeit
auszugleichen. Rußland, in der Hoffnung, sich in Oestreich einen Bundesge¬
nossen für den bevorstehenden Krieg zu erwerben, ging daraus ein. Fonton


Grenzboten II. 1861. ^
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/139>, abgerufen am 19.10.2024.