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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Prinzrcgent die entschiedene Absicht hatte, zum Schutz Oestreichs, den furchtbaren
Krieg gegen Frankreich zu übernehmen. Stunde für Stunde wurden ihm die Trup¬
penbewegung gemeldet, Stunde für Stunde tclegraphirtc er darüber nach Wien,
Er gab die heilige Versicherung, daß Oestreich an keinen Frieden denke. Als Preußen
nun im Begriff war, auch die drei letzten Armeecorps zu mvbilisircn und in Frank¬
furt bereites den Antrag auf allgemeine Bewaffnung gestellt hatte, schloß Oestreich
den Frieden von Villafranca. Graf Ncchberg erklärte officiell, daß Oestreich von sei¬
nen natürlichen Bundesgenossen, d, h, von Preußen im Stich gelassen sei. In Süd¬
deutschland wurde eine große Agitation erregt, um Preußen im Fall eines Krieges
zu isoliren. >
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Dies, ihr Herrn Strategen! ist das Gleichgewicht, dessen wir uns erfreuen.--
Wenn die Aufrechthaltung Oestreichs wirklich ein europäisches Bedürfniß ist, so hat
es das durch zweierlei zu erweisen. Einmal dadurch, daß es sich selbst erhält, so¬
dann 'dadurch, daß es "seine Existenz den zunächst Betheiligten nicht auf eine un¬
bequeme Weise fühlbar macht. Es befindet sich im gegenwärtigen Augenblick in
einer großen Krisis, deren Tragweite wir noch nicht übersehn können. Gelingt es
ihm, die Ungarn zu versöhnen, so ist damit ein großer Schritt geschehn: denn das
werden doch die Herrn Strategen nicht verlangen, daß Europa um einiger strate¬
gischer Linien willen Oestreich darin unterstützt, die Ungarn zu unterjochen. Bedeu¬
tet die Veränderung des Ministeriums eine Veränderung der auswärtigen Politik,
bedeutet sie ein offnes und ehrliches Zusammengehn mit Preußen, bedeutet sie eine
ehrliche Annahme der von Preußen beantragten Bundcskriegsverfassung, so ist das
ein zweiter Schritt. Wenn Herr von Schmerling seinen Bevollmächtigten in Frank¬
furt anweist, in dieser Frage wie in der kurhcssischcn und Schleswig-holsteinischen sich
entschieden auf die preußische Seite zu stellen, so wird das mehr wirken als alle
Gründe kosmopolitischer Strategie. Bis dahin aber müssen diejenigen, welche ähn¬
liche Ansichten haben, wie der Verfasser vorliegender Schrift, ihre Petitionen nicht
nach Berlin sondern Wien adressiren.

Mögen die Gegner Preußens Folgendes bedenken. Sie gehn jetzt von
der vollkommen gegründeten Ueberzeugung aus, der sittliche und vaterlän¬
dische- Sinn des Regenten werde jedes Zusammengehn mit Frankreich oder
mit Italien, auch wo die größten Hoffnungen in Aussicht stehen, als unan¬
nehmbar betrachten. In dieser Ueberzeugung wagen sie viel. Sie bemühn sich, einen
mitteldeutschen Bundesstaat zusammen zu bringen, der, wenn es möglich wäre, ihn
durchzuführen, in der Weise des Rheinbunds Preußen mit der Gefahr des Untergangs
bedrohte. Mögen sie nicht vergessen, daß bei einem Staat, der ein wirkliches Leben
-j- -j- besitzt, der Trieb der Selbsterhaltung zuletzt doch entscheidet. --




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Morip Busch.
Verlag von F. L. Her bis, -- Druck von C. E. Slbert in Leipzig.

Prinzrcgent die entschiedene Absicht hatte, zum Schutz Oestreichs, den furchtbaren
Krieg gegen Frankreich zu übernehmen. Stunde für Stunde wurden ihm die Trup¬
penbewegung gemeldet, Stunde für Stunde tclegraphirtc er darüber nach Wien,
Er gab die heilige Versicherung, daß Oestreich an keinen Frieden denke. Als Preußen
nun im Begriff war, auch die drei letzten Armeecorps zu mvbilisircn und in Frank¬
furt bereites den Antrag auf allgemeine Bewaffnung gestellt hatte, schloß Oestreich
den Frieden von Villafranca. Graf Ncchberg erklärte officiell, daß Oestreich von sei¬
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bequeme Weise fühlbar macht. Es befindet sich im gegenwärtigen Augenblick in
einer großen Krisis, deren Tragweite wir noch nicht übersehn können. Gelingt es
ihm, die Ungarn zu versöhnen, so ist damit ein großer Schritt geschehn: denn das
werden doch die Herrn Strategen nicht verlangen, daß Europa um einiger strate¬
gischer Linien willen Oestreich darin unterstützt, die Ungarn zu unterjochen. Bedeu¬
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bedeutet sie ein offnes und ehrliches Zusammengehn mit Preußen, bedeutet sie eine
ehrliche Annahme der von Preußen beantragten Bundcskriegsverfassung, so ist das
ein zweiter Schritt. Wenn Herr von Schmerling seinen Bevollmächtigten in Frank¬
furt anweist, in dieser Frage wie in der kurhcssischcn und Schleswig-holsteinischen sich
entschieden auf die preußische Seite zu stellen, so wird das mehr wirken als alle
Gründe kosmopolitischer Strategie. Bis dahin aber müssen diejenigen, welche ähn¬
liche Ansichten haben, wie der Verfasser vorliegender Schrift, ihre Petitionen nicht
nach Berlin sondern Wien adressiren.

Mögen die Gegner Preußens Folgendes bedenken. Sie gehn jetzt von
der vollkommen gegründeten Ueberzeugung aus, der sittliche und vaterlän¬
dische- Sinn des Regenten werde jedes Zusammengehn mit Frankreich oder
mit Italien, auch wo die größten Hoffnungen in Aussicht stehen, als unan¬
nehmbar betrachten. In dieser Ueberzeugung wagen sie viel. Sie bemühn sich, einen
mitteldeutschen Bundesstaat zusammen zu bringen, der, wenn es möglich wäre, ihn
durchzuführen, in der Weise des Rheinbunds Preußen mit der Gefahr des Untergangs
bedrohte. Mögen sie nicht vergessen, daß bei einem Staat, der ein wirkliches Leben
-j- -j- besitzt, der Trieb der Selbsterhaltung zuletzt doch entscheidet. —




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/90>, abgerufen am 28.08.2024.