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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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judiciellen Fortbildung des Rechtsschutzes gegen Nachdruck und Nachbildung
aufmerksam folgten, und denen theils die Langsamkeit, mit welcher das feind¬
liche Territorium besetzt wurde, theils die Fehlgriffe, welche von der Unfähig¬
keit romanistischer Richter den neuen, ihnen aufgezwungenen Rechtsbegriff
des Urheber- und Verlagsrechtes zu fassen, herrührten, viel Kümmerniß machten
und mannigfache Berechtigung zu Klagen boten. Denn das deutsche Römer-
thum feindet das Urheberrecht immer noch als einen Eindringling aus dem
Reiche der Polizeiwillkür an.*)

Die unbestreitbare Begründung der von allen Seiten eingehenden Be¬
schwerden über die Art, wie man vor deutschen Gerichten die neuen, unlieb¬
samen Gesetze gehandhabt, liefern ein trauriges Zeugniß von der schädlichen
Wirkung, welche die Abtrennung des Rechtes und der Gesetzgebung vom
Volksbewußtsein gehabt hat. Es sind Erkenntnisse gefällt worden, bei denen
es unmöglich ist. die Beschränktheit von dem bösen Willen zu unterscheiden.
Vereinigen sich nun diese bittern Erfahrungen vorzugsweise in dem Kreise der
Verleger, weil sie zumeist das nächste Interesse haben gegen den Verletzer ihres
mit Geldopfern erworbenen Verlagsrechts und unbefugten Mitbewerber um den
Gewinn an dem mit Geldopfern erzeugten Artikel einzuschreiten, so finden wir es
auch natürlich, daß aus dem Schooß des deutschen Buchhandels zuerst die allge¬
meinen Klagen eine Konsistenz gewannen. Diese Klagen betreffen aber nicht
allein die Unvollkommenheit der Gesetze, die noch größere UnVollkommenheit
der richterlichen Anwendung und den Stillstand in der Gesetzgebung; sondern
sie berühren als einen wesentlichen Punkt der Beschwerden die Verschiedenheit
der Gesetzgebungen in Deutschland, welche ungeachtet der Bundesbeschlüssc auf
der Rechtsnersolgung geradezu rechtszerstörend lastet. Sie decken recht deutlich
den Krebsschaden, der an dem deutschen Verkehre durch die Zerrissenheit des
deutschen Vaterlandes nagt, auf, und gewähren einen rührenden Blick in die
Wahrhaftigkeit der so oft ausposaunten Einigkeit der Regierungen Deutsch¬
lands, die bekanntlich nur von der liberalen Partei gestört wird.

Daß diese Zerrissenheit und deren Einfluß auf den Verkehr von dem
deutschen Buchhändler am meisten empfunden wird, erklärt sich daher, daß bis
jetzt die deutsche Einheit eben nur im deutschen Buchhandel verwirklicht ist.
Die deutschen Buchhändler bilden in der That einen Staat, getragen von dem
seit langen Jahren begründeten Organismus ihres Geschäftes.

Und weil dieser Organismus seine Glieder gleichmäßig über ganz Deutsch¬
land verbreitet, so fühlt er auch am schärfsten die ungleiche Behandlung dieser
Glieder vor den verschiedenen Gerichtshöfen. Aus der Unbehaglichkeit dieses
Gefühles floß die Erkenntniß, daß ein einheitliches Gesetz zur Regelung der '
literarischen Rechtsverhältnisse in umfassenderer Weise als die Bundesbeschlüsse



") s- Langen" und Kori, Erörterung pract. Rechtsfragen. 2. Aufl. 2. Bd. S. 233.

judiciellen Fortbildung des Rechtsschutzes gegen Nachdruck und Nachbildung
aufmerksam folgten, und denen theils die Langsamkeit, mit welcher das feind¬
liche Territorium besetzt wurde, theils die Fehlgriffe, welche von der Unfähig¬
keit romanistischer Richter den neuen, ihnen aufgezwungenen Rechtsbegriff
des Urheber- und Verlagsrechtes zu fassen, herrührten, viel Kümmerniß machten
und mannigfache Berechtigung zu Klagen boten. Denn das deutsche Römer-
thum feindet das Urheberrecht immer noch als einen Eindringling aus dem
Reiche der Polizeiwillkür an.*)

Die unbestreitbare Begründung der von allen Seiten eingehenden Be¬
schwerden über die Art, wie man vor deutschen Gerichten die neuen, unlieb¬
samen Gesetze gehandhabt, liefern ein trauriges Zeugniß von der schädlichen
Wirkung, welche die Abtrennung des Rechtes und der Gesetzgebung vom
Volksbewußtsein gehabt hat. Es sind Erkenntnisse gefällt worden, bei denen
es unmöglich ist. die Beschränktheit von dem bösen Willen zu unterscheiden.
Vereinigen sich nun diese bittern Erfahrungen vorzugsweise in dem Kreise der
Verleger, weil sie zumeist das nächste Interesse haben gegen den Verletzer ihres
mit Geldopfern erworbenen Verlagsrechts und unbefugten Mitbewerber um den
Gewinn an dem mit Geldopfern erzeugten Artikel einzuschreiten, so finden wir es
auch natürlich, daß aus dem Schooß des deutschen Buchhandels zuerst die allge¬
meinen Klagen eine Konsistenz gewannen. Diese Klagen betreffen aber nicht
allein die Unvollkommenheit der Gesetze, die noch größere UnVollkommenheit
der richterlichen Anwendung und den Stillstand in der Gesetzgebung; sondern
sie berühren als einen wesentlichen Punkt der Beschwerden die Verschiedenheit
der Gesetzgebungen in Deutschland, welche ungeachtet der Bundesbeschlüssc auf
der Rechtsnersolgung geradezu rechtszerstörend lastet. Sie decken recht deutlich
den Krebsschaden, der an dem deutschen Verkehre durch die Zerrissenheit des
deutschen Vaterlandes nagt, auf, und gewähren einen rührenden Blick in die
Wahrhaftigkeit der so oft ausposaunten Einigkeit der Regierungen Deutsch¬
lands, die bekanntlich nur von der liberalen Partei gestört wird.

Daß diese Zerrissenheit und deren Einfluß auf den Verkehr von dem
deutschen Buchhändler am meisten empfunden wird, erklärt sich daher, daß bis
jetzt die deutsche Einheit eben nur im deutschen Buchhandel verwirklicht ist.
Die deutschen Buchhändler bilden in der That einen Staat, getragen von dem
seit langen Jahren begründeten Organismus ihres Geschäftes.

Und weil dieser Organismus seine Glieder gleichmäßig über ganz Deutsch¬
land verbreitet, so fühlt er auch am schärfsten die ungleiche Behandlung dieser
Glieder vor den verschiedenen Gerichtshöfen. Aus der Unbehaglichkeit dieses
Gefühles floß die Erkenntniß, daß ein einheitliches Gesetz zur Regelung der '
literarischen Rechtsverhältnisse in umfassenderer Weise als die Bundesbeschlüsse



") s- Langen» und Kori, Erörterung pract. Rechtsfragen. 2. Aufl. 2. Bd. S. 233.
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[0063] judiciellen Fortbildung des Rechtsschutzes gegen Nachdruck und Nachbildung aufmerksam folgten, und denen theils die Langsamkeit, mit welcher das feind¬ liche Territorium besetzt wurde, theils die Fehlgriffe, welche von der Unfähig¬ keit romanistischer Richter den neuen, ihnen aufgezwungenen Rechtsbegriff des Urheber- und Verlagsrechtes zu fassen, herrührten, viel Kümmerniß machten und mannigfache Berechtigung zu Klagen boten. Denn das deutsche Römer- thum feindet das Urheberrecht immer noch als einen Eindringling aus dem Reiche der Polizeiwillkür an.*) Die unbestreitbare Begründung der von allen Seiten eingehenden Be¬ schwerden über die Art, wie man vor deutschen Gerichten die neuen, unlieb¬ samen Gesetze gehandhabt, liefern ein trauriges Zeugniß von der schädlichen Wirkung, welche die Abtrennung des Rechtes und der Gesetzgebung vom Volksbewußtsein gehabt hat. Es sind Erkenntnisse gefällt worden, bei denen es unmöglich ist. die Beschränktheit von dem bösen Willen zu unterscheiden. Vereinigen sich nun diese bittern Erfahrungen vorzugsweise in dem Kreise der Verleger, weil sie zumeist das nächste Interesse haben gegen den Verletzer ihres mit Geldopfern erworbenen Verlagsrechts und unbefugten Mitbewerber um den Gewinn an dem mit Geldopfern erzeugten Artikel einzuschreiten, so finden wir es auch natürlich, daß aus dem Schooß des deutschen Buchhandels zuerst die allge¬ meinen Klagen eine Konsistenz gewannen. Diese Klagen betreffen aber nicht allein die Unvollkommenheit der Gesetze, die noch größere UnVollkommenheit der richterlichen Anwendung und den Stillstand in der Gesetzgebung; sondern sie berühren als einen wesentlichen Punkt der Beschwerden die Verschiedenheit der Gesetzgebungen in Deutschland, welche ungeachtet der Bundesbeschlüssc auf der Rechtsnersolgung geradezu rechtszerstörend lastet. Sie decken recht deutlich den Krebsschaden, der an dem deutschen Verkehre durch die Zerrissenheit des deutschen Vaterlandes nagt, auf, und gewähren einen rührenden Blick in die Wahrhaftigkeit der so oft ausposaunten Einigkeit der Regierungen Deutsch¬ lands, die bekanntlich nur von der liberalen Partei gestört wird. Daß diese Zerrissenheit und deren Einfluß auf den Verkehr von dem deutschen Buchhändler am meisten empfunden wird, erklärt sich daher, daß bis jetzt die deutsche Einheit eben nur im deutschen Buchhandel verwirklicht ist. Die deutschen Buchhändler bilden in der That einen Staat, getragen von dem seit langen Jahren begründeten Organismus ihres Geschäftes. Und weil dieser Organismus seine Glieder gleichmäßig über ganz Deutsch¬ land verbreitet, so fühlt er auch am schärfsten die ungleiche Behandlung dieser Glieder vor den verschiedenen Gerichtshöfen. Aus der Unbehaglichkeit dieses Gefühles floß die Erkenntniß, daß ein einheitliches Gesetz zur Regelung der ' literarischen Rechtsverhältnisse in umfassenderer Weise als die Bundesbeschlüsse ") s- Langen» und Kori, Erörterung pract. Rechtsfragen. 2. Aufl. 2. Bd. S. 233.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/63>, abgerufen am 25.08.2024.