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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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nicht annahm, welches aber weder der Aufgabe einer Ständeversammlung,
noch dem geraden und schlichten Charakter des holsteinischen Volkes angepaßt
war, und zu dem sich die Majorität der Abgeordneten nimmermehr herbei¬
gelassen Hütte, wenn ihnen nicht versichert worden wäre, daß die Regierung
das Project zurückweisen werde. Schwerlich würde ihm und seinem Secun-
dantcn, v. Blvme-Heiligeustcdten, der gleich ihm als in die Geheimnisse der
maßgebenden deutschen Diplomatie eingeweiht betrachtet wird, jetzt nach den
bekannten preußischen Noten und nach der aus der Haltung der mitteldeutschen
officiösen Zeitungen zu schließenden Zustimmung der übrigen Glieder des Bun¬
des noch jemand glauben, daß der deutsche Bund einem unverblümten Aus¬
spruch der Stände über das Recht und das Bedürfniß des Landes entgegen¬
treten werde. Schwerlich wird noch jemand annehmen wollen, derselbe werde die
Behauptung für ungerechtfertigt erklären, daß der Vergleich von 1852, den
Holsteincrn ohne die Zustimmung ihrer Stände aufgenöthigt, rechtlich so wenig
bindend sei, als die (aus demselben Grunde vom deutschen Bunde für unzu¬
lässig erklärte) Verfassung vom 2. October 1855. Schwerlich wird man noch
meinen, Preußen -- welches die Sache im Nothfall allein zu ordnen 'hätte --
werde andrer Ansicht sein, wenn die Stände annähmen, daß die Nichterfüllung
des Abkommens von 1852 der dänischen Regierung das Recht genommen,
sich noch auf dasselbe zu berufen. Es muß für die Stände feststehen, daß
der alte Vertrag durch Nichterfüllung und offne Verletzung hinfällig, und daß
nach § 4 des berliner Friedens von 1850 der solus guo ante bellum recht¬
lich wieder eingetreten ist. Die deutschen Regierungen werden nicht geneigt
sein, ein Uebereinkommen wieder zu erneuern, für dessen Erfüllung Dänemark
keine Bürgschaften geleistet hat und keine leisten kann, so lange die dänische
Verfassung vom 5. Jan. 1849 bestehen bleibt.

Da v. Plessen von der Ritterschaft gewählt ist, sollte man hoffen, daß
er als ein echter deutscher Ritter im 'guten Sinne des Wortes dem Landes¬
recht die Gaben, die er besitzt, zur Verfügung stellen, nicht sie wieder auf Ma¬
növer verwenden werde, die eher für Advocaten, als für Ritter passen. So
machten es wenigstens die alten holsteinischen Ritter vor dem Vogt der schwar¬
zen Margarethe, wie im Presbyter Brcmensis ausführlich nachzulesen ist. Sie
ließen sich nicht aufs Transigircn ein, sondern "repcn met unvorschrockene
stemme: Unse gewoniicke Recht willen my besolden," und "met godtlicker
Hülpe beschermeden se srimvdigen sick und ehr Vaterland und jagedcn de
Denen met der Tyd nes ehren Grensen." Die Zeiten sind seitdem anders
geworden, aber noch immer wird man es in Holstein für ritterlicher halten, -
gerade herauszusagen, daß Unrecht Unrecht ist, und daß man sein Recht behal¬
ten oder wiedersahen will, als sich auf Umwegen ein Aequivalent dafür zu
erwerben. , Es ist möglich, daß v. Plessen jetzt selbst dieser Ueberzeugung ist.


nicht annahm, welches aber weder der Aufgabe einer Ständeversammlung,
noch dem geraden und schlichten Charakter des holsteinischen Volkes angepaßt
war, und zu dem sich die Majorität der Abgeordneten nimmermehr herbei¬
gelassen Hütte, wenn ihnen nicht versichert worden wäre, daß die Regierung
das Project zurückweisen werde. Schwerlich würde ihm und seinem Secun-
dantcn, v. Blvme-Heiligeustcdten, der gleich ihm als in die Geheimnisse der
maßgebenden deutschen Diplomatie eingeweiht betrachtet wird, jetzt nach den
bekannten preußischen Noten und nach der aus der Haltung der mitteldeutschen
officiösen Zeitungen zu schließenden Zustimmung der übrigen Glieder des Bun¬
des noch jemand glauben, daß der deutsche Bund einem unverblümten Aus¬
spruch der Stände über das Recht und das Bedürfniß des Landes entgegen¬
treten werde. Schwerlich wird noch jemand annehmen wollen, derselbe werde die
Behauptung für ungerechtfertigt erklären, daß der Vergleich von 1852, den
Holsteincrn ohne die Zustimmung ihrer Stände aufgenöthigt, rechtlich so wenig
bindend sei, als die (aus demselben Grunde vom deutschen Bunde für unzu¬
lässig erklärte) Verfassung vom 2. October 1855. Schwerlich wird man noch
meinen, Preußen — welches die Sache im Nothfall allein zu ordnen 'hätte —
werde andrer Ansicht sein, wenn die Stände annähmen, daß die Nichterfüllung
des Abkommens von 1852 der dänischen Regierung das Recht genommen,
sich noch auf dasselbe zu berufen. Es muß für die Stände feststehen, daß
der alte Vertrag durch Nichterfüllung und offne Verletzung hinfällig, und daß
nach § 4 des berliner Friedens von 1850 der solus guo ante bellum recht¬
lich wieder eingetreten ist. Die deutschen Regierungen werden nicht geneigt
sein, ein Uebereinkommen wieder zu erneuern, für dessen Erfüllung Dänemark
keine Bürgschaften geleistet hat und keine leisten kann, so lange die dänische
Verfassung vom 5. Jan. 1849 bestehen bleibt.

Da v. Plessen von der Ritterschaft gewählt ist, sollte man hoffen, daß
er als ein echter deutscher Ritter im 'guten Sinne des Wortes dem Landes¬
recht die Gaben, die er besitzt, zur Verfügung stellen, nicht sie wieder auf Ma¬
növer verwenden werde, die eher für Advocaten, als für Ritter passen. So
machten es wenigstens die alten holsteinischen Ritter vor dem Vogt der schwar¬
zen Margarethe, wie im Presbyter Brcmensis ausführlich nachzulesen ist. Sie
ließen sich nicht aufs Transigircn ein, sondern „repcn met unvorschrockene
stemme: Unse gewoniicke Recht willen my besolden," und „met godtlicker
Hülpe beschermeden se srimvdigen sick und ehr Vaterland und jagedcn de
Denen met der Tyd nes ehren Grensen." Die Zeiten sind seitdem anders
geworden, aber noch immer wird man es in Holstein für ritterlicher halten, -
gerade herauszusagen, daß Unrecht Unrecht ist, und daß man sein Recht behal¬
ten oder wiedersahen will, als sich auf Umwegen ein Aequivalent dafür zu
erwerben. , Es ist möglich, daß v. Plessen jetzt selbst dieser Ueberzeugung ist.


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[0058] nicht annahm, welches aber weder der Aufgabe einer Ständeversammlung, noch dem geraden und schlichten Charakter des holsteinischen Volkes angepaßt war, und zu dem sich die Majorität der Abgeordneten nimmermehr herbei¬ gelassen Hütte, wenn ihnen nicht versichert worden wäre, daß die Regierung das Project zurückweisen werde. Schwerlich würde ihm und seinem Secun- dantcn, v. Blvme-Heiligeustcdten, der gleich ihm als in die Geheimnisse der maßgebenden deutschen Diplomatie eingeweiht betrachtet wird, jetzt nach den bekannten preußischen Noten und nach der aus der Haltung der mitteldeutschen officiösen Zeitungen zu schließenden Zustimmung der übrigen Glieder des Bun¬ des noch jemand glauben, daß der deutsche Bund einem unverblümten Aus¬ spruch der Stände über das Recht und das Bedürfniß des Landes entgegen¬ treten werde. Schwerlich wird noch jemand annehmen wollen, derselbe werde die Behauptung für ungerechtfertigt erklären, daß der Vergleich von 1852, den Holsteincrn ohne die Zustimmung ihrer Stände aufgenöthigt, rechtlich so wenig bindend sei, als die (aus demselben Grunde vom deutschen Bunde für unzu¬ lässig erklärte) Verfassung vom 2. October 1855. Schwerlich wird man noch meinen, Preußen — welches die Sache im Nothfall allein zu ordnen 'hätte — werde andrer Ansicht sein, wenn die Stände annähmen, daß die Nichterfüllung des Abkommens von 1852 der dänischen Regierung das Recht genommen, sich noch auf dasselbe zu berufen. Es muß für die Stände feststehen, daß der alte Vertrag durch Nichterfüllung und offne Verletzung hinfällig, und daß nach § 4 des berliner Friedens von 1850 der solus guo ante bellum recht¬ lich wieder eingetreten ist. Die deutschen Regierungen werden nicht geneigt sein, ein Uebereinkommen wieder zu erneuern, für dessen Erfüllung Dänemark keine Bürgschaften geleistet hat und keine leisten kann, so lange die dänische Verfassung vom 5. Jan. 1849 bestehen bleibt. Da v. Plessen von der Ritterschaft gewählt ist, sollte man hoffen, daß er als ein echter deutscher Ritter im 'guten Sinne des Wortes dem Landes¬ recht die Gaben, die er besitzt, zur Verfügung stellen, nicht sie wieder auf Ma¬ növer verwenden werde, die eher für Advocaten, als für Ritter passen. So machten es wenigstens die alten holsteinischen Ritter vor dem Vogt der schwar¬ zen Margarethe, wie im Presbyter Brcmensis ausführlich nachzulesen ist. Sie ließen sich nicht aufs Transigircn ein, sondern „repcn met unvorschrockene stemme: Unse gewoniicke Recht willen my besolden," und „met godtlicker Hülpe beschermeden se srimvdigen sick und ehr Vaterland und jagedcn de Denen met der Tyd nes ehren Grensen." Die Zeiten sind seitdem anders geworden, aber noch immer wird man es in Holstein für ritterlicher halten, - gerade herauszusagen, daß Unrecht Unrecht ist, und daß man sein Recht behal¬ ten oder wiedersahen will, als sich auf Umwegen ein Aequivalent dafür zu erwerben. , Es ist möglich, daß v. Plessen jetzt selbst dieser Ueberzeugung ist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/58>, abgerufen am 25.08.2024.