Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Die fünf geistlichen Wahlbezirke haben in Klosterprediger Versmann von
Itzehoe, Propst Balemann von Oldenburg und Klosterprcdiger Broker von
Uetersen frühere, in Pastor Simonsen von Lunden und Archidiakonus Schrö¬
der von Kiel neue Vertreter gesandt. Jene stimmten in der letzten Session
mit der Majorität/ diese dürften gleiche Ueberzeugungen aussprechen. Die
Geistlichen haben aber noch eine besondere Aufgabe. Simonsen und Schrader
waren beide früher in Nord- und Mittelschleswig angestellt und kennen die
dortigen Sprachverhältnisse. Von ihrem apostolischen Eifer hofft man, daß-
sie die in Schleswig zerstörte, seit 1542 für beide Herzogtümer gegebene Schles-
wig-holsteinische Kirchenordnung dort wieder zur Geltung^ zu bringen bemüht
sein und in dieser Richtung auf die drei Amtsbruder im itzehoer Ständesaal an¬
regend wirken werden. Denn letztere haben zwar in der Ständeversammlung
von 1859 den in Mittelschleswig vom Sprachzwang heimgesuchten Gemeinden
ihre Theilnahme bezeugt, aber keine dahin zielenden Anträge gestellt. Es ist
für den Geistlichen nicht genug, zu constatiren, daß in Schleswig "das Reich
Gottes Gewalt leidet". Der ausgezeichnete Kanzelredner und Seelsorger Vers¬
mann, 'der sich so eifrig der Mission unter den Heiden annimmt, und die
beiden andern allgemein geachteten Geistlichen haben, wenn sie nicht den Spruch
Offenb. Joh. !i, 16 zu fürchten haben wollen, mit noch größerem Eifer als
für die Ausbreitung des Christenthums unter fernen Heiden dafür Sorge zu
tragen, daß nicht in Folge des dänischen Kirchenregiments in Schleswig in
ihrer unmittelbaren Nähe Christen wieder den Heiden gleich werden.

Von Prälaten und Ritterschaft wurden gewählt: Kammerherr Baron v.
Plessen, Graf Otto zu Nantzau in Düstcrnbrock, Graf Christian zu Rantzau
in Seeburg bei Kiel und Graf Reventlow auf Farve. v. Plessen ist bekannt
als Wortführer der elf Holsteiner, die im dänischen Reichsrath Protest einleg¬
ten, so wie als Präsident der holsteinischen Gtändevcrsammlungen von 1857
und 1859. Seine Wirksamkeit in diesen Stellungen bewährte die Prophe¬
zeiung des vormaligen Deputaten der Schleswig-holsteinischen Kanzlei, späteren
Präsidenten des kieler Oberappellationsgcrichts, Geh. Conferenzrath Hopp,
unter dessen Augen v. Plessen vor etwa fünfundzwanzig Jahren in Kopen¬
hagen arbeitete: "er sei ein ausgezeichneter junger Mann, der noch einmal
eine Rolle spielen werde." v. Plessen ist ein Mann von hervorragendem Ta¬
lent, gründlich gebildet, ein tüchtiger Beamter und durchaus geeignet zum
Führer in der parlamentarischen Debatte. Er hat mit diesen Eigenschaften
wirklich eine Rolle und eine sehr bedeutende gespielt. Er würde aber unfehl¬
bar in der nächsten Diät durchfallen, wenn er wieder den Weg von 1859 ein¬
schlagen wollte, wo er dnrch seine Politik die Stände verleitete, ein diplo¬
matisches Kunststück aufzuführen, welches zwar insofern gelang, als die dänische
Regierung die Verfassungsvorschläge auf der Basis des Patents von 1852


Die fünf geistlichen Wahlbezirke haben in Klosterprediger Versmann von
Itzehoe, Propst Balemann von Oldenburg und Klosterprcdiger Broker von
Uetersen frühere, in Pastor Simonsen von Lunden und Archidiakonus Schrö¬
der von Kiel neue Vertreter gesandt. Jene stimmten in der letzten Session
mit der Majorität/ diese dürften gleiche Ueberzeugungen aussprechen. Die
Geistlichen haben aber noch eine besondere Aufgabe. Simonsen und Schrader
waren beide früher in Nord- und Mittelschleswig angestellt und kennen die
dortigen Sprachverhältnisse. Von ihrem apostolischen Eifer hofft man, daß-
sie die in Schleswig zerstörte, seit 1542 für beide Herzogtümer gegebene Schles-
wig-holsteinische Kirchenordnung dort wieder zur Geltung^ zu bringen bemüht
sein und in dieser Richtung auf die drei Amtsbruder im itzehoer Ständesaal an¬
regend wirken werden. Denn letztere haben zwar in der Ständeversammlung
von 1859 den in Mittelschleswig vom Sprachzwang heimgesuchten Gemeinden
ihre Theilnahme bezeugt, aber keine dahin zielenden Anträge gestellt. Es ist
für den Geistlichen nicht genug, zu constatiren, daß in Schleswig „das Reich
Gottes Gewalt leidet". Der ausgezeichnete Kanzelredner und Seelsorger Vers¬
mann, 'der sich so eifrig der Mission unter den Heiden annimmt, und die
beiden andern allgemein geachteten Geistlichen haben, wenn sie nicht den Spruch
Offenb. Joh. !i, 16 zu fürchten haben wollen, mit noch größerem Eifer als
für die Ausbreitung des Christenthums unter fernen Heiden dafür Sorge zu
tragen, daß nicht in Folge des dänischen Kirchenregiments in Schleswig in
ihrer unmittelbaren Nähe Christen wieder den Heiden gleich werden.

Von Prälaten und Ritterschaft wurden gewählt: Kammerherr Baron v.
Plessen, Graf Otto zu Nantzau in Düstcrnbrock, Graf Christian zu Rantzau
in Seeburg bei Kiel und Graf Reventlow auf Farve. v. Plessen ist bekannt
als Wortführer der elf Holsteiner, die im dänischen Reichsrath Protest einleg¬
ten, so wie als Präsident der holsteinischen Gtändevcrsammlungen von 1857
und 1859. Seine Wirksamkeit in diesen Stellungen bewährte die Prophe¬
zeiung des vormaligen Deputaten der Schleswig-holsteinischen Kanzlei, späteren
Präsidenten des kieler Oberappellationsgcrichts, Geh. Conferenzrath Hopp,
unter dessen Augen v. Plessen vor etwa fünfundzwanzig Jahren in Kopen¬
hagen arbeitete: „er sei ein ausgezeichneter junger Mann, der noch einmal
eine Rolle spielen werde." v. Plessen ist ein Mann von hervorragendem Ta¬
lent, gründlich gebildet, ein tüchtiger Beamter und durchaus geeignet zum
Führer in der parlamentarischen Debatte. Er hat mit diesen Eigenschaften
wirklich eine Rolle und eine sehr bedeutende gespielt. Er würde aber unfehl¬
bar in der nächsten Diät durchfallen, wenn er wieder den Weg von 1859 ein¬
schlagen wollte, wo er dnrch seine Politik die Stände verleitete, ein diplo¬
matisches Kunststück aufzuführen, welches zwar insofern gelang, als die dänische
Regierung die Verfassungsvorschläge auf der Basis des Patents von 1852


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0057" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110951"/>
          <p xml:id="ID_136"> Die fünf geistlichen Wahlbezirke haben in Klosterprediger Versmann von<lb/>
Itzehoe, Propst Balemann von Oldenburg und Klosterprcdiger Broker von<lb/>
Uetersen frühere, in Pastor Simonsen von Lunden und Archidiakonus Schrö¬<lb/>
der von Kiel neue Vertreter gesandt. Jene stimmten in der letzten Session<lb/>
mit der Majorität/ diese dürften gleiche Ueberzeugungen aussprechen. Die<lb/>
Geistlichen haben aber noch eine besondere Aufgabe. Simonsen und Schrader<lb/>
waren beide früher in Nord- und Mittelschleswig angestellt und kennen die<lb/>
dortigen Sprachverhältnisse. Von ihrem apostolischen Eifer hofft man, daß-<lb/>
sie die in Schleswig zerstörte, seit 1542 für beide Herzogtümer gegebene Schles-<lb/>
wig-holsteinische Kirchenordnung dort wieder zur Geltung^ zu bringen bemüht<lb/>
sein und in dieser Richtung auf die drei Amtsbruder im itzehoer Ständesaal an¬<lb/>
regend wirken werden. Denn letztere haben zwar in der Ständeversammlung<lb/>
von 1859 den in Mittelschleswig vom Sprachzwang heimgesuchten Gemeinden<lb/>
ihre Theilnahme bezeugt, aber keine dahin zielenden Anträge gestellt. Es ist<lb/>
für den Geistlichen nicht genug, zu constatiren, daß in Schleswig &#x201E;das Reich<lb/>
Gottes Gewalt leidet". Der ausgezeichnete Kanzelredner und Seelsorger Vers¬<lb/>
mann, 'der sich so eifrig der Mission unter den Heiden annimmt, und die<lb/>
beiden andern allgemein geachteten Geistlichen haben, wenn sie nicht den Spruch<lb/>
Offenb. Joh. !i, 16 zu fürchten haben wollen, mit noch größerem Eifer als<lb/>
für die Ausbreitung des Christenthums unter fernen Heiden dafür Sorge zu<lb/>
tragen, daß nicht in Folge des dänischen Kirchenregiments in Schleswig in<lb/>
ihrer unmittelbaren Nähe Christen wieder den Heiden gleich werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_137" next="#ID_138"> Von Prälaten und Ritterschaft wurden gewählt: Kammerherr Baron v.<lb/>
Plessen, Graf Otto zu Nantzau in Düstcrnbrock, Graf Christian zu Rantzau<lb/>
in Seeburg bei Kiel und Graf Reventlow auf Farve. v. Plessen ist bekannt<lb/>
als Wortführer der elf Holsteiner, die im dänischen Reichsrath Protest einleg¬<lb/>
ten, so wie als Präsident der holsteinischen Gtändevcrsammlungen von 1857<lb/>
und 1859. Seine Wirksamkeit in diesen Stellungen bewährte die Prophe¬<lb/>
zeiung des vormaligen Deputaten der Schleswig-holsteinischen Kanzlei, späteren<lb/>
Präsidenten des kieler Oberappellationsgcrichts, Geh. Conferenzrath Hopp,<lb/>
unter dessen Augen v. Plessen vor etwa fünfundzwanzig Jahren in Kopen¬<lb/>
hagen arbeitete: &#x201E;er sei ein ausgezeichneter junger Mann, der noch einmal<lb/>
eine Rolle spielen werde." v. Plessen ist ein Mann von hervorragendem Ta¬<lb/>
lent, gründlich gebildet, ein tüchtiger Beamter und durchaus geeignet zum<lb/>
Führer in der parlamentarischen Debatte. Er hat mit diesen Eigenschaften<lb/>
wirklich eine Rolle und eine sehr bedeutende gespielt. Er würde aber unfehl¬<lb/>
bar in der nächsten Diät durchfallen, wenn er wieder den Weg von 1859 ein¬<lb/>
schlagen wollte, wo er dnrch seine Politik die Stände verleitete, ein diplo¬<lb/>
matisches Kunststück aufzuführen, welches zwar insofern gelang, als die dänische<lb/>
Regierung die Verfassungsvorschläge auf der Basis des Patents von 1852</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0057] Die fünf geistlichen Wahlbezirke haben in Klosterprediger Versmann von Itzehoe, Propst Balemann von Oldenburg und Klosterprcdiger Broker von Uetersen frühere, in Pastor Simonsen von Lunden und Archidiakonus Schrö¬ der von Kiel neue Vertreter gesandt. Jene stimmten in der letzten Session mit der Majorität/ diese dürften gleiche Ueberzeugungen aussprechen. Die Geistlichen haben aber noch eine besondere Aufgabe. Simonsen und Schrader waren beide früher in Nord- und Mittelschleswig angestellt und kennen die dortigen Sprachverhältnisse. Von ihrem apostolischen Eifer hofft man, daß- sie die in Schleswig zerstörte, seit 1542 für beide Herzogtümer gegebene Schles- wig-holsteinische Kirchenordnung dort wieder zur Geltung^ zu bringen bemüht sein und in dieser Richtung auf die drei Amtsbruder im itzehoer Ständesaal an¬ regend wirken werden. Denn letztere haben zwar in der Ständeversammlung von 1859 den in Mittelschleswig vom Sprachzwang heimgesuchten Gemeinden ihre Theilnahme bezeugt, aber keine dahin zielenden Anträge gestellt. Es ist für den Geistlichen nicht genug, zu constatiren, daß in Schleswig „das Reich Gottes Gewalt leidet". Der ausgezeichnete Kanzelredner und Seelsorger Vers¬ mann, 'der sich so eifrig der Mission unter den Heiden annimmt, und die beiden andern allgemein geachteten Geistlichen haben, wenn sie nicht den Spruch Offenb. Joh. !i, 16 zu fürchten haben wollen, mit noch größerem Eifer als für die Ausbreitung des Christenthums unter fernen Heiden dafür Sorge zu tragen, daß nicht in Folge des dänischen Kirchenregiments in Schleswig in ihrer unmittelbaren Nähe Christen wieder den Heiden gleich werden. Von Prälaten und Ritterschaft wurden gewählt: Kammerherr Baron v. Plessen, Graf Otto zu Nantzau in Düstcrnbrock, Graf Christian zu Rantzau in Seeburg bei Kiel und Graf Reventlow auf Farve. v. Plessen ist bekannt als Wortführer der elf Holsteiner, die im dänischen Reichsrath Protest einleg¬ ten, so wie als Präsident der holsteinischen Gtändevcrsammlungen von 1857 und 1859. Seine Wirksamkeit in diesen Stellungen bewährte die Prophe¬ zeiung des vormaligen Deputaten der Schleswig-holsteinischen Kanzlei, späteren Präsidenten des kieler Oberappellationsgcrichts, Geh. Conferenzrath Hopp, unter dessen Augen v. Plessen vor etwa fünfundzwanzig Jahren in Kopen¬ hagen arbeitete: „er sei ein ausgezeichneter junger Mann, der noch einmal eine Rolle spielen werde." v. Plessen ist ein Mann von hervorragendem Ta¬ lent, gründlich gebildet, ein tüchtiger Beamter und durchaus geeignet zum Führer in der parlamentarischen Debatte. Er hat mit diesen Eigenschaften wirklich eine Rolle und eine sehr bedeutende gespielt. Er würde aber unfehl¬ bar in der nächsten Diät durchfallen, wenn er wieder den Weg von 1859 ein¬ schlagen wollte, wo er dnrch seine Politik die Stände verleitete, ein diplo¬ matisches Kunststück aufzuführen, welches zwar insofern gelang, als die dänische Regierung die Verfassungsvorschläge auf der Basis des Patents von 1852

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/57
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/57>, abgerufen am 25.08.2024.