Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.gegenüber schlecht angebrachten stolzen Ablehnung. Ebenso unsicher zeigt Forkel Das in diesem zweiten Bande (S. -217. 18) über Bachs Matthäuspassion Bach nimmt in der Gegenwart Händel gegenüber eine bei weitem bevor¬ gegenüber schlecht angebrachten stolzen Ablehnung. Ebenso unsicher zeigt Forkel Das in diesem zweiten Bande (S. -217. 18) über Bachs Matthäuspassion Bach nimmt in der Gegenwart Händel gegenüber eine bei weitem bevor¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0514" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111408"/> <p xml:id="ID_1711" prev="#ID_1710"> gegenüber schlecht angebrachten stolzen Ablehnung. Ebenso unsicher zeigt Forkel<lb/> sich bei der Erzählung von Bachs Einladung an Händel nach Leipzig.</p><lb/> <p xml:id="ID_1712"> Das in diesem zweiten Bande (S. -217. 18) über Bachs Matthäuspassion<lb/> und ihre Bedeutung in der Kunst aufgestellte Urtheil ist richtig, und verdeut¬<lb/> licht den Ausspruch im ersten Theil (S. 446)., „Während noch seit 1720<lb/> Kanzelbercdsamkeit und religiöse Dichtung mehr oder weniger im Pietismus<lb/> besangen blieben, durfte die musikalische Kunst das christliche Gemüth wieder<lb/> in seine Rechte einsetzen, und auf diesem Grunde den Bund mit der wahren<lb/> oder, wie Luther sagt, der unsichtbaren Kirche erneuern. So trat in der Ton¬<lb/> kunst an die Stelle des pietistischen Jcsulcin der große Schmerzensmann der<lb/> Evangelien, geschildert durch Schristwort, Gemeindegesang und freien Ausdruck<lb/> des Einzelnen. Das größte Werk dieser Art ist die Passionsmusik nach Mat¬<lb/> thäus von Bach, die auch genan in die Zeit fällt, welche in der italienischen<lb/> Oper gleichsam einen Riß verursachte. So gehört ein Werk, welches seinem<lb/> alle ähnlichen Versuche weit überragenden Kunstgchalte nach allein steht, den¬<lb/> noch durchaus in eine Zeit, die das Andringen der universal angelegten, aber<lb/> ausschließlich noch in italienischem Gewände auftretenden Tonkunst nicht nur<lb/> durch die kräftigsten nationalen Regungen zurückzudrängen, sondern auch durch<lb/> möglichst vollendete Ausbildung der einheimischen Kunstanlagen zu ersetzen,<lb/> ja zu überbieten suchte. Auf ihre edelste und kunstwürdigste Seite gesehen,<lb/> wird mau daher diese Epoche immer nach Bachs Matthäuspassion zu bezeichnen<lb/> haben." ,</p><lb/> <p xml:id="ID_1713" next="#ID_1714"> Bach nimmt in der Gegenwart Händel gegenüber eine bei weitem bevor¬<lb/> zugte Stellung ein, schon deshalb, weil die Ausgabe seiner Werke früher be¬<lb/> gann und schon einen großen Kreis für sich hatte, als Händel erst wieder neu<lb/> ins Leben trat. Seinem wahren Kunstgehaltc nach wird jener meist ebenso¬<lb/> wenig richtig gewürdigt wie dieser, wenn auch besonders für das große Ora¬<lb/> torium des letzteren unserer gedankenlosen Kunst gegenwärtig alle Anknüpfungs¬<lb/> punkte noch mehr abhanden gekommen sind. Dem großen Lyriker Bach glaubt<lb/> sie noch eher ihre eigene Empfindelei unterschieben zu können, und schießt dabei<lb/> ebenso fehl, wie wenn sie Handels Gestalten nach ihren eigenen Begriffen von<lb/> Glöße messen will. In einer Zeit der Kunst, welche die bahnbrechenden<lb/> Genies über Nacht wie Champignons aufschießen und durch jedes Mittel sür<lb/> sich Propaganda machen sieht, muß die Vorstellung von wahrer Künstlcrhoheit<lb/> etwas in Verwirrung kommen, oder wenn sie auch erkannt wird, doch drückend<lb/> genug werden, um ihr möglichst aus dem Wege zu gehen und Gott zu danken,<lb/> daß jene Leute wenigstens todt sind und nicht mehr eigenhändig den Kehraus<lb/> aufspielen können. Dieser würde allerdings nachdrücklich genug ausfallen.<lb/> Daneben findet auch das alte: Bewahre mich vor meinen Freunden :c. sein<lb/> Recht. Denn falls man sich herabläßt, ein Händelsches Oratorium aufzuführen,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0514]
gegenüber schlecht angebrachten stolzen Ablehnung. Ebenso unsicher zeigt Forkel
sich bei der Erzählung von Bachs Einladung an Händel nach Leipzig.
Das in diesem zweiten Bande (S. -217. 18) über Bachs Matthäuspassion
und ihre Bedeutung in der Kunst aufgestellte Urtheil ist richtig, und verdeut¬
licht den Ausspruch im ersten Theil (S. 446)., „Während noch seit 1720
Kanzelbercdsamkeit und religiöse Dichtung mehr oder weniger im Pietismus
besangen blieben, durfte die musikalische Kunst das christliche Gemüth wieder
in seine Rechte einsetzen, und auf diesem Grunde den Bund mit der wahren
oder, wie Luther sagt, der unsichtbaren Kirche erneuern. So trat in der Ton¬
kunst an die Stelle des pietistischen Jcsulcin der große Schmerzensmann der
Evangelien, geschildert durch Schristwort, Gemeindegesang und freien Ausdruck
des Einzelnen. Das größte Werk dieser Art ist die Passionsmusik nach Mat¬
thäus von Bach, die auch genan in die Zeit fällt, welche in der italienischen
Oper gleichsam einen Riß verursachte. So gehört ein Werk, welches seinem
alle ähnlichen Versuche weit überragenden Kunstgchalte nach allein steht, den¬
noch durchaus in eine Zeit, die das Andringen der universal angelegten, aber
ausschließlich noch in italienischem Gewände auftretenden Tonkunst nicht nur
durch die kräftigsten nationalen Regungen zurückzudrängen, sondern auch durch
möglichst vollendete Ausbildung der einheimischen Kunstanlagen zu ersetzen,
ja zu überbieten suchte. Auf ihre edelste und kunstwürdigste Seite gesehen,
wird mau daher diese Epoche immer nach Bachs Matthäuspassion zu bezeichnen
haben." ,
Bach nimmt in der Gegenwart Händel gegenüber eine bei weitem bevor¬
zugte Stellung ein, schon deshalb, weil die Ausgabe seiner Werke früher be¬
gann und schon einen großen Kreis für sich hatte, als Händel erst wieder neu
ins Leben trat. Seinem wahren Kunstgehaltc nach wird jener meist ebenso¬
wenig richtig gewürdigt wie dieser, wenn auch besonders für das große Ora¬
torium des letzteren unserer gedankenlosen Kunst gegenwärtig alle Anknüpfungs¬
punkte noch mehr abhanden gekommen sind. Dem großen Lyriker Bach glaubt
sie noch eher ihre eigene Empfindelei unterschieben zu können, und schießt dabei
ebenso fehl, wie wenn sie Handels Gestalten nach ihren eigenen Begriffen von
Glöße messen will. In einer Zeit der Kunst, welche die bahnbrechenden
Genies über Nacht wie Champignons aufschießen und durch jedes Mittel sür
sich Propaganda machen sieht, muß die Vorstellung von wahrer Künstlcrhoheit
etwas in Verwirrung kommen, oder wenn sie auch erkannt wird, doch drückend
genug werden, um ihr möglichst aus dem Wege zu gehen und Gott zu danken,
daß jene Leute wenigstens todt sind und nicht mehr eigenhändig den Kehraus
aufspielen können. Dieser würde allerdings nachdrücklich genug ausfallen.
Daneben findet auch das alte: Bewahre mich vor meinen Freunden :c. sein
Recht. Denn falls man sich herabläßt, ein Händelsches Oratorium aufzuführen,
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