Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.interessant ist, keinen höheren Werth als den zusammengetragener Ueberliefe¬ Um das Dunkel dieser Periode in Handels Leben aufzuhellen, war bei der interessant ist, keinen höheren Werth als den zusammengetragener Ueberliefe¬ Um das Dunkel dieser Periode in Handels Leben aufzuhellen, war bei der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0508" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111402"/> <p xml:id="ID_1700" prev="#ID_1699"> interessant ist, keinen höheren Werth als den zusammengetragener Ueberliefe¬<lb/> rungen; allerdings fußt sie auf Mittheilungen von Zeitgenossen und gibt des¬<lb/> halb eine Vorstellung von dein, was man um diese Zeit in England über<lb/> Handel dachte. Die Nachrichten von Hawkins und-Burney, theils völlig un¬<lb/> zuverlässig, theils skizzenhaft, liefern auch nur sehr geringes und der Sichtung<lb/> sehr bedürftiges Material. Victor Schölchcr in London, von Geburt ein Fran¬<lb/> zose, trug mit unermüdlichem Fleiß die Werke Handels zusammen, und besitzt<lb/> gegenwärtig eine vollständige Sammlung von Partituren, deren der Meister<lb/> selbst bei seineu eiguen Ausführungen sich zu bedienen pflegte. Biographische<lb/> Daten und die Nachrichten der erstgenannten Schriftsteller über Händel zu einer<lb/> zusammenhangenden Lebensgeschichte zu vereinigen, lag ihm nun nicht fern;<lb/> sein durch ehrenwerthen Fleiß sich auszeichnendes Buch erschien 1857 zu Lon¬<lb/> don, ein zweiter noch erwarteter Band soll ein möglichst ausführliches Ver¬<lb/> zeichnis der Händelschen Werke bringen. Es heißt, daß Schölcher an die<lb/> Stelle von Rich in das Directorium der leipziger deutscheu Händelgesellschaft<lb/> gewählt sei; die Wahl bedürfte keiner Rechtfertigung; denn jedenfalls steht<lb/> Schölcher durch große Hingebung zur Sache in nahen Bcziehuugeru</p><lb/> <p xml:id="ID_1701" next="#ID_1702"> Um das Dunkel dieser Periode in Handels Leben aufzuhellen, war bei der<lb/> Beschaffenheit jener secundären Nachrichten directes Zurückgehen zu den ersten<lb/> Quellen nothwendig. Eine große Anzahl Zeitschriften, Tageblätter, Lob- und<lb/> Spottgedichte :c. haben Chrysander vorgelegen und Zeugniß gegeben für die<lb/> rege Theilnahme, mit welcher Freunde und Feinde jeden Schritt des Meisters<lb/> begleiteten. In der gleichzeitigen Literatur ist Chrysander ebenso zu Hause<lb/> wie in der Kulturgeschichte, und das Bild, welches er uns von dem Treiben<lb/> der damaligen italienischen Oper und des ganzen Künstler- und Schriftsteller-<lb/> thums entwirft, ist so Wohl gelungen, wie es nur von jemand hergestellt wer¬<lb/> den konnte, der mit der Bildungsgeschichte und den Eigenthümlichkeiten des<lb/> Volkes auf vertrautem Fuße lebt. Die Persönlichkeit Handels tritt in diesem<lb/> reich bewegten Leben, dem es ebensowenig an sittenloser Verkommenheit wie<lb/> an ursprünglicher Kraft gebricht, oft in den Hintergrund — doch nur schein¬<lb/> bar; denn in der That ist er stets die bewegende Macht, welche das ganze<lb/> Kunsttreibcn um ihn herum in Schwung setzt. Wie er aus der äußern Um¬<lb/> gebung nur die zu seiner höhern geistigen Entwicklung nothwendigen Elemente<lb/> aufnahm und alles Uebrige ruhig an sich vorübergehen ließ, sahen wir scho"<lb/> in seiner Jugendgerichte. Hier in London in der frischesten Reife männliche»'<lb/> Kraft, konnte er um so mehr von der um ihn herumwirbclnden Jtaliener-<lb/> und Kastratenwirthschast innerlich unberührt bleiben. So sehen wir ihn in<lb/> unaufhaltsamem Vordringen doch eine dauernde Herrschaft erkämpfen, und seine<lb/> auf universaler Bildung beruhende Kunst schließlich als Gesetz dastehen. Die<lb/> Schwäche folgender Zeiten konnte davon abfallen und es verleugnen, ohne</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0508]
interessant ist, keinen höheren Werth als den zusammengetragener Ueberliefe¬
rungen; allerdings fußt sie auf Mittheilungen von Zeitgenossen und gibt des¬
halb eine Vorstellung von dein, was man um diese Zeit in England über
Handel dachte. Die Nachrichten von Hawkins und-Burney, theils völlig un¬
zuverlässig, theils skizzenhaft, liefern auch nur sehr geringes und der Sichtung
sehr bedürftiges Material. Victor Schölchcr in London, von Geburt ein Fran¬
zose, trug mit unermüdlichem Fleiß die Werke Handels zusammen, und besitzt
gegenwärtig eine vollständige Sammlung von Partituren, deren der Meister
selbst bei seineu eiguen Ausführungen sich zu bedienen pflegte. Biographische
Daten und die Nachrichten der erstgenannten Schriftsteller über Händel zu einer
zusammenhangenden Lebensgeschichte zu vereinigen, lag ihm nun nicht fern;
sein durch ehrenwerthen Fleiß sich auszeichnendes Buch erschien 1857 zu Lon¬
don, ein zweiter noch erwarteter Band soll ein möglichst ausführliches Ver¬
zeichnis der Händelschen Werke bringen. Es heißt, daß Schölcher an die
Stelle von Rich in das Directorium der leipziger deutscheu Händelgesellschaft
gewählt sei; die Wahl bedürfte keiner Rechtfertigung; denn jedenfalls steht
Schölcher durch große Hingebung zur Sache in nahen Bcziehuugeru
Um das Dunkel dieser Periode in Handels Leben aufzuhellen, war bei der
Beschaffenheit jener secundären Nachrichten directes Zurückgehen zu den ersten
Quellen nothwendig. Eine große Anzahl Zeitschriften, Tageblätter, Lob- und
Spottgedichte :c. haben Chrysander vorgelegen und Zeugniß gegeben für die
rege Theilnahme, mit welcher Freunde und Feinde jeden Schritt des Meisters
begleiteten. In der gleichzeitigen Literatur ist Chrysander ebenso zu Hause
wie in der Kulturgeschichte, und das Bild, welches er uns von dem Treiben
der damaligen italienischen Oper und des ganzen Künstler- und Schriftsteller-
thums entwirft, ist so Wohl gelungen, wie es nur von jemand hergestellt wer¬
den konnte, der mit der Bildungsgeschichte und den Eigenthümlichkeiten des
Volkes auf vertrautem Fuße lebt. Die Persönlichkeit Handels tritt in diesem
reich bewegten Leben, dem es ebensowenig an sittenloser Verkommenheit wie
an ursprünglicher Kraft gebricht, oft in den Hintergrund — doch nur schein¬
bar; denn in der That ist er stets die bewegende Macht, welche das ganze
Kunsttreibcn um ihn herum in Schwung setzt. Wie er aus der äußern Um¬
gebung nur die zu seiner höhern geistigen Entwicklung nothwendigen Elemente
aufnahm und alles Uebrige ruhig an sich vorübergehen ließ, sahen wir scho"
in seiner Jugendgerichte. Hier in London in der frischesten Reife männliche»'
Kraft, konnte er um so mehr von der um ihn herumwirbclnden Jtaliener-
und Kastratenwirthschast innerlich unberührt bleiben. So sehen wir ihn in
unaufhaltsamem Vordringen doch eine dauernde Herrschaft erkämpfen, und seine
auf universaler Bildung beruhende Kunst schließlich als Gesetz dastehen. Die
Schwäche folgender Zeiten konnte davon abfallen und es verleugnen, ohne
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