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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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(Apfelbaum, Hollunder). wo jetzt mein Liebster ist?" Ob sie eine Antwort er¬
warten und -- bekommen, bemerkt unsere Quelle nicht.

Andere Ostersitten sind, daß man auf Anhöhen geht, um die Morgensonne
am Horizont ihre drei Sprünge thun zu sehen, daß man dieselbe mit Flinten-
nnd Pistolenschüssen begrüßt, daß man die Pferde vor Sonnenaufgang oder
in der Mitternachtsstunde zur Schwemme reitet, damit sie das Jahr über gut
gedeihen, daß man die Kühe zu derselben Zeit mit Wasser aus Flüssen oder
Bächen begießt, damit sie reichlich Milch geben u. d. in.

Im Böhmerwald pflegen Unverhcirathete am Ostermorgen vor Erscheinen
der Sonne an einen Bach zu gehen, aus demselben mit den Zähnen ein
Steinchen herauszuholen und dieses, nachdem sie sich Kopf und Gesicht mit
Bachwasser gewaschen, gegen Osten gekehrt rückwärts über sich zu werfen.
Sie glauben, daß ihnen hierauf geoffenbart werde, ob sie im Verlauf des
Jahres sich verheirathen werden, auch soll die Sitte vor Zahnschmerz be¬
wahren.

Von den verschiedenen Processionen der Ostertage erwähnen wir nur die
der "Osterrciter" in den Dörfern an der sächsischen Grenze. Sobald früh die
Glocken zu läuten beginnen, versammeln sich die Burschen dieser Ortschaften
zu Pferde auf dem Anger vor der Kirche. Sind alle eingetroffen, so wird
dies durch Musik vom Thurme, Posaunen, Trompeten und Pauken und sechs
Böllerschüsse verkündet. ^ Die Reiter stellen sich in einer Reihe vor dem Por¬
tal der Kirche auf, ein Osterlied erschallt, begleitet vom Schmettern zweier
ebenfalls berittnen Trompeter. Dann lassen sich wieder die Glocken hören,
und nun setzt sich die ganze Gesellschaft, ein zweites Osterlied singend, in Be¬
wegung, um die Kirche drei Mal zu umkreisen. Voran reitet ein Fahnen¬
träger, ihm folgen die Trompeter, diesen die besten Sänger, die Gesangbücher
in der Hand, endlich die Uebrigen. Der letzte trägt eine blecherne Büchse.
Ist die Kirche drei Mal umritten, so schweigen die Glocken wieder, die Böller
krachen abermals, und die Reiter stimmen vor der Kirchthür ein drittes Lied
an. woraus sie ihren Weg nach dem Dorfe nehmen und hier vor jedem Hause
singend in ihre Büchse Gaben für die Kirche einsammeln. Kommen sie zu¬
rück, so wird nochmals ein Lied vorgetragen, sie reiten wieder drei Mal um
die Kirche und steigen dann ab. um die Messe zu hören.

In Reichenberg zogen früher zu Ostern "Saatreiter" unter Musik und Ge¬
sang um die Felder der Stadt. Jetzt gibt es dort nur noch "Saatgänger",
Welche am Ostermorgen das Lied-: "Freu' dich. Maria, Himmelskönigin!" er¬
schallen lassen.

Vieles von diesen Gebräuchen ist im Absterben begriffen, Anderes zum
bloßen Spiel und Scherz ohne Bedeutung geworden, anderes fristet seine
Existenz nur no unter denen, die auch die Bewahrer andrer Alterthümer


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(Apfelbaum, Hollunder). wo jetzt mein Liebster ist?" Ob sie eine Antwort er¬
warten und — bekommen, bemerkt unsere Quelle nicht.

Andere Ostersitten sind, daß man auf Anhöhen geht, um die Morgensonne
am Horizont ihre drei Sprünge thun zu sehen, daß man dieselbe mit Flinten-
nnd Pistolenschüssen begrüßt, daß man die Pferde vor Sonnenaufgang oder
in der Mitternachtsstunde zur Schwemme reitet, damit sie das Jahr über gut
gedeihen, daß man die Kühe zu derselben Zeit mit Wasser aus Flüssen oder
Bächen begießt, damit sie reichlich Milch geben u. d. in.

Im Böhmerwald pflegen Unverhcirathete am Ostermorgen vor Erscheinen
der Sonne an einen Bach zu gehen, aus demselben mit den Zähnen ein
Steinchen herauszuholen und dieses, nachdem sie sich Kopf und Gesicht mit
Bachwasser gewaschen, gegen Osten gekehrt rückwärts über sich zu werfen.
Sie glauben, daß ihnen hierauf geoffenbart werde, ob sie im Verlauf des
Jahres sich verheirathen werden, auch soll die Sitte vor Zahnschmerz be¬
wahren.

Von den verschiedenen Processionen der Ostertage erwähnen wir nur die
der „Osterrciter" in den Dörfern an der sächsischen Grenze. Sobald früh die
Glocken zu läuten beginnen, versammeln sich die Burschen dieser Ortschaften
zu Pferde auf dem Anger vor der Kirche. Sind alle eingetroffen, so wird
dies durch Musik vom Thurme, Posaunen, Trompeten und Pauken und sechs
Böllerschüsse verkündet. ^ Die Reiter stellen sich in einer Reihe vor dem Por¬
tal der Kirche auf, ein Osterlied erschallt, begleitet vom Schmettern zweier
ebenfalls berittnen Trompeter. Dann lassen sich wieder die Glocken hören,
und nun setzt sich die ganze Gesellschaft, ein zweites Osterlied singend, in Be¬
wegung, um die Kirche drei Mal zu umkreisen. Voran reitet ein Fahnen¬
träger, ihm folgen die Trompeter, diesen die besten Sänger, die Gesangbücher
in der Hand, endlich die Uebrigen. Der letzte trägt eine blecherne Büchse.
Ist die Kirche drei Mal umritten, so schweigen die Glocken wieder, die Böller
krachen abermals, und die Reiter stimmen vor der Kirchthür ein drittes Lied
an. woraus sie ihren Weg nach dem Dorfe nehmen und hier vor jedem Hause
singend in ihre Büchse Gaben für die Kirche einsammeln. Kommen sie zu¬
rück, so wird nochmals ein Lied vorgetragen, sie reiten wieder drei Mal um
die Kirche und steigen dann ab. um die Messe zu hören.

In Reichenberg zogen früher zu Ostern „Saatreiter" unter Musik und Ge¬
sang um die Felder der Stadt. Jetzt gibt es dort nur noch „Saatgänger",
Welche am Ostermorgen das Lied-: „Freu' dich. Maria, Himmelskönigin!" er¬
schallen lassen.

Vieles von diesen Gebräuchen ist im Absterben begriffen, Anderes zum
bloßen Spiel und Scherz ohne Bedeutung geworden, anderes fristet seine
Existenz nur no unter denen, die auch die Bewahrer andrer Alterthümer


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[0501] (Apfelbaum, Hollunder). wo jetzt mein Liebster ist?" Ob sie eine Antwort er¬ warten und — bekommen, bemerkt unsere Quelle nicht. Andere Ostersitten sind, daß man auf Anhöhen geht, um die Morgensonne am Horizont ihre drei Sprünge thun zu sehen, daß man dieselbe mit Flinten- nnd Pistolenschüssen begrüßt, daß man die Pferde vor Sonnenaufgang oder in der Mitternachtsstunde zur Schwemme reitet, damit sie das Jahr über gut gedeihen, daß man die Kühe zu derselben Zeit mit Wasser aus Flüssen oder Bächen begießt, damit sie reichlich Milch geben u. d. in. Im Böhmerwald pflegen Unverhcirathete am Ostermorgen vor Erscheinen der Sonne an einen Bach zu gehen, aus demselben mit den Zähnen ein Steinchen herauszuholen und dieses, nachdem sie sich Kopf und Gesicht mit Bachwasser gewaschen, gegen Osten gekehrt rückwärts über sich zu werfen. Sie glauben, daß ihnen hierauf geoffenbart werde, ob sie im Verlauf des Jahres sich verheirathen werden, auch soll die Sitte vor Zahnschmerz be¬ wahren. Von den verschiedenen Processionen der Ostertage erwähnen wir nur die der „Osterrciter" in den Dörfern an der sächsischen Grenze. Sobald früh die Glocken zu läuten beginnen, versammeln sich die Burschen dieser Ortschaften zu Pferde auf dem Anger vor der Kirche. Sind alle eingetroffen, so wird dies durch Musik vom Thurme, Posaunen, Trompeten und Pauken und sechs Böllerschüsse verkündet. ^ Die Reiter stellen sich in einer Reihe vor dem Por¬ tal der Kirche auf, ein Osterlied erschallt, begleitet vom Schmettern zweier ebenfalls berittnen Trompeter. Dann lassen sich wieder die Glocken hören, und nun setzt sich die ganze Gesellschaft, ein zweites Osterlied singend, in Be¬ wegung, um die Kirche drei Mal zu umkreisen. Voran reitet ein Fahnen¬ träger, ihm folgen die Trompeter, diesen die besten Sänger, die Gesangbücher in der Hand, endlich die Uebrigen. Der letzte trägt eine blecherne Büchse. Ist die Kirche drei Mal umritten, so schweigen die Glocken wieder, die Böller krachen abermals, und die Reiter stimmen vor der Kirchthür ein drittes Lied an. woraus sie ihren Weg nach dem Dorfe nehmen und hier vor jedem Hause singend in ihre Büchse Gaben für die Kirche einsammeln. Kommen sie zu¬ rück, so wird nochmals ein Lied vorgetragen, sie reiten wieder drei Mal um die Kirche und steigen dann ab. um die Messe zu hören. In Reichenberg zogen früher zu Ostern „Saatreiter" unter Musik und Ge¬ sang um die Felder der Stadt. Jetzt gibt es dort nur noch „Saatgänger", Welche am Ostermorgen das Lied-: „Freu' dich. Maria, Himmelskönigin!" er¬ schallen lassen. Vieles von diesen Gebräuchen ist im Absterben begriffen, Anderes zum bloßen Spiel und Scherz ohne Bedeutung geworden, anderes fristet seine Existenz nur no unter denen, die auch die Bewahrer andrer Alterthümer 62*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/501>, abgerufen am 02.10.2024.