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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Besen das Haus zu fegen und namentlich unter den Betten vorzukehren,'
Man nennt dies "das Flöhausschütteln" und glaubt, daß man auch zu andern
Zeiten des Jahres diese lästigen Badegäste nur mit solchen Besen vertreiben
könne, die daher sehr gesucht sind. Am Abend endlich gehen die Mügde
aufs Feld, um junge Saat, sogenannte Ostersaat, für das Vieh zu holen,
das, damit gefüttert, das Jahr über reichlich Milet gibt.

Ostern, aus welches die Deutschen den Namen ihres heidnischen Früh-
lingsfests übertrugen, heißt bei den Czechen Veiikonoce, die große Nacht, oder
Svatky Cervene, das rothe Fest. Der letztere Name könnte von den rothen
Eiern stammen, mit welchen man sich an dem Ostertage zu beschenken pflegt,
und die in manchen czechischen Dörfern geradezu als pflichtmäsziger Tribut
der Mädchen an ihre Burschen betrachtet werden. "Der wird keine rothen
Eier mehr essen," d. h. nicht im Dienst aushalten bis Ostern, und "hüte ihn
wie ein rothes El" sind sprichwörtliche Redensarten der Czechen. Wie in
Polen zerschneidet auch hier und da in Böhmen die Bäuerin gleich am Mor¬
gen in der Frühe einige rothe Ostereier, um sie mit dem Bauer und den
Kindern gemeinschaftlich zu verzehren. Kein Osternacht ist ohne Eier, welche
gleich den übrigen stehenden Speisen des Festes in. der Kirche geweiht zu
werden pflegen. Letztere sind sehr mannigfach. In Prag erhalten die Dienst¬
boten zum Frühstück Lammsbraten, ein El und ein Stück Osterbrot. Zu
Mittag bekommt jedes einen Osterland, welcher ein kleiner runder Rosinen¬
kuchen ist. Dann ißt man das Osterlamm. Aus dem Lande gibt es als
Braten ein Böckchen, einen Kalbsschlegel oder eine Taube. Diese wird ohne
Messer und Gabel verzehrt, damit kein Knochen verletzt wird. Dann fassen
beide Eheleute die Enden des Brustknochens und ziehen -- wer das kürzere
Theil in der Hand behält, wird von dem andern begraben. Auf einigen
Dörfern haben die Frauen ihren Männern Eierkuchen, Pomazance genannt,
oder Pfannkuchen (solely) zu schenken, welche letzteren aus Mehl, Rahm,
Rauchfleisch und Eiern bestehen. In Bezug hierauf nennt man Ostern wol
auch Svatky Mazancove oder Svitkove. Der Bauer ißt übrigens am Oster¬
tage mit seinem Gesinde nicht an dem gewöhnlichen, sondern an dem Ehren¬
tische, dem sogenannten Dreifuß.

Wenn man im östlichen Böhmen das Osterlamm verzehrt, muß dies stehend,
reisefertig angezogen, den Hut oder die Mütze auf dem Kopf und in der einen
Hand einen Stock, gethan werden. Die Ueberbleibsel des Lammes und die
Schalen der geweihten Eier werden theils unter die Bäume im Garten ver¬
graben, damit sie reichlicher tragen, theils in den Brunnen geworfen, damit
er nicht versiege. Die Mädchen fügen den Eierschaalen auch noch. Stückchen
vom Ostereierkucheu hinzu, schütteln die Bäume und sagen dazu einen Spruch-
der auf deutsch je nach der Baumgattung lautet: "sage du mir, Birnbaum


Besen das Haus zu fegen und namentlich unter den Betten vorzukehren,'
Man nennt dies „das Flöhausschütteln" und glaubt, daß man auch zu andern
Zeiten des Jahres diese lästigen Badegäste nur mit solchen Besen vertreiben
könne, die daher sehr gesucht sind. Am Abend endlich gehen die Mügde
aufs Feld, um junge Saat, sogenannte Ostersaat, für das Vieh zu holen,
das, damit gefüttert, das Jahr über reichlich Milet gibt.

Ostern, aus welches die Deutschen den Namen ihres heidnischen Früh-
lingsfests übertrugen, heißt bei den Czechen Veiikonoce, die große Nacht, oder
Svatky Cervene, das rothe Fest. Der letztere Name könnte von den rothen
Eiern stammen, mit welchen man sich an dem Ostertage zu beschenken pflegt,
und die in manchen czechischen Dörfern geradezu als pflichtmäsziger Tribut
der Mädchen an ihre Burschen betrachtet werden. „Der wird keine rothen
Eier mehr essen," d. h. nicht im Dienst aushalten bis Ostern, und „hüte ihn
wie ein rothes El" sind sprichwörtliche Redensarten der Czechen. Wie in
Polen zerschneidet auch hier und da in Böhmen die Bäuerin gleich am Mor¬
gen in der Frühe einige rothe Ostereier, um sie mit dem Bauer und den
Kindern gemeinschaftlich zu verzehren. Kein Osternacht ist ohne Eier, welche
gleich den übrigen stehenden Speisen des Festes in. der Kirche geweiht zu
werden pflegen. Letztere sind sehr mannigfach. In Prag erhalten die Dienst¬
boten zum Frühstück Lammsbraten, ein El und ein Stück Osterbrot. Zu
Mittag bekommt jedes einen Osterland, welcher ein kleiner runder Rosinen¬
kuchen ist. Dann ißt man das Osterlamm. Aus dem Lande gibt es als
Braten ein Böckchen, einen Kalbsschlegel oder eine Taube. Diese wird ohne
Messer und Gabel verzehrt, damit kein Knochen verletzt wird. Dann fassen
beide Eheleute die Enden des Brustknochens und ziehen — wer das kürzere
Theil in der Hand behält, wird von dem andern begraben. Auf einigen
Dörfern haben die Frauen ihren Männern Eierkuchen, Pomazance genannt,
oder Pfannkuchen (solely) zu schenken, welche letzteren aus Mehl, Rahm,
Rauchfleisch und Eiern bestehen. In Bezug hierauf nennt man Ostern wol
auch Svatky Mazancove oder Svitkove. Der Bauer ißt übrigens am Oster¬
tage mit seinem Gesinde nicht an dem gewöhnlichen, sondern an dem Ehren¬
tische, dem sogenannten Dreifuß.

Wenn man im östlichen Böhmen das Osterlamm verzehrt, muß dies stehend,
reisefertig angezogen, den Hut oder die Mütze auf dem Kopf und in der einen
Hand einen Stock, gethan werden. Die Ueberbleibsel des Lammes und die
Schalen der geweihten Eier werden theils unter die Bäume im Garten ver¬
graben, damit sie reichlicher tragen, theils in den Brunnen geworfen, damit
er nicht versiege. Die Mädchen fügen den Eierschaalen auch noch. Stückchen
vom Ostereierkucheu hinzu, schütteln die Bäume und sagen dazu einen Spruch-
der auf deutsch je nach der Baumgattung lautet: „sage du mir, Birnbaum


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/500>, abgerufen am 02.10.2024.