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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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diesen Preis der Nationalzeituug gern verstatten würde, die Republik, den Frei¬
handel oder den Communismus oder was ihr sonst einfiele, in vollster Freiheit
zu predigen. Nicht Waldeck ist es, der in diesem Augenblick dieser Partei gegen¬
über steht, sondern Vincke. Möge die Nationalzeitung gewarnt sein, daß nicht
auch auf sie das bittere Wort angewandt werde: "die elendeste Rauferei liegt
ihr mehr am Herzen, als das Wohl des Landes."'


5t, .


Neue Romane.

Nach dem großen Kriege. Eine Geschichte in zwölf Briefen. Von Wil¬
helm Raabe (Jacob Corvinus), -- Berlin, Schütte. -- Den humoristischen Ton
hat der Verfasser, wie in seinem frühern Roman (die Chronik der Spcrlingsgcisse)
glücklich getroffen; wenn das Buch nur> etwas mehr Positiven Inhalt hätte! Die
Stimmung allein kann es doch nicht thun. --

Ludwig Rellstab- Aus meinem Leben. Bd. 1. 2, -- Fruchtstücke. Bd. 1.2.
(Berlin, Gutentag). -- Die letztere Sammlung enthält folgende Novellen: die weiße
Frau (die bekannte Sage vom Berliner Schloß); eine Fügung Gottes; Edmund von
Braunfels; in den Abruzzen; es ist nichts so fein gesponnen; Liebe. -- Wie an¬
muthig Rellstab zu erzählen versteht, weiß Jeder, der seine Wcihnachtswandernngcn
in der Voß'schen Zeitung gelesen hat. Dies Talent zeigt sich auch in den Novellen;
viel mehr läßt sich aber kaum davon sagen. -- Größeres Interesse für die meisten
Leser wird die zweite Schrift haben: "Aus meinem Leben." Rellstab war eine liebens¬
würdige Persönlichkeit, und sein Einfluß auf die musikalischen Zustünde Berlins,
welche Einseitigkeiten auch ihm ankleben mochten, sehr bedeutend. -- Die Erzählung
ist ansprechend, wenn auch etwas breit. Sehr gut geschildert sind die Eindrücke
der Franzosen in Berlin und die Begeisterung, welche die Jugend ergriff, als es nun
endlich zum Freiheitskampf ging. -- Rellstab, der 1815 mit Eifer zur Muskete griff,
wurde wegen Körperschwäche und Kurzsichtigkeit zurückgewiesen; der Verdruß, daß er
nun seine Schulkameraden, z. V. seinen Vetter Wilhelm Häring (Wilibald Alexis)
allein ins Feld abreisen lassen musste, bestimmte den Jüngling, nach einiger Zeit, "is
der Kampf bereits beendet war, der Schule Lebewohl zu sagen und Militär zu wer¬
den, in der Hoffnung, es werde bald wieder' losgehn. Da diese Hoffnung ihn täuschte,
gab er allmälig den Dienst wieder auf. Seine Besuche bei Jean Paul (1821),
Goethe und Beethoven und die Gespräche, die er mit ihn^en führte, füllen den grö߬
ten Theil des zweiten Bandes; was er von seinen eignen poetischen Versuchen, na¬
mentlich im Fach der Oper erzählt, hat weniger Interesse. --

Vcmitas. Ein Roman in sechs Büchern von Karl Frenzel. 3 Bde., Hannover,
Rümpler. -- Vanitas ist die deutsche Uebersetzung von Vanit^-^air; und in der
That ist in dieser Novelle die Stimmung von Thackcray beibehalten, nur nicht die
schärft Zeichnung. In der Widmung an seinen Freund Rodenberg bezieht sich der


diesen Preis der Nationalzeituug gern verstatten würde, die Republik, den Frei¬
handel oder den Communismus oder was ihr sonst einfiele, in vollster Freiheit
zu predigen. Nicht Waldeck ist es, der in diesem Augenblick dieser Partei gegen¬
über steht, sondern Vincke. Möge die Nationalzeitung gewarnt sein, daß nicht
auch auf sie das bittere Wort angewandt werde: „die elendeste Rauferei liegt
ihr mehr am Herzen, als das Wohl des Landes."'


5t, .


Neue Romane.

Nach dem großen Kriege. Eine Geschichte in zwölf Briefen. Von Wil¬
helm Raabe (Jacob Corvinus), — Berlin, Schütte. — Den humoristischen Ton
hat der Verfasser, wie in seinem frühern Roman (die Chronik der Spcrlingsgcisse)
glücklich getroffen; wenn das Buch nur> etwas mehr Positiven Inhalt hätte! Die
Stimmung allein kann es doch nicht thun. —

Ludwig Rellstab- Aus meinem Leben. Bd. 1. 2, — Fruchtstücke. Bd. 1.2.
(Berlin, Gutentag). — Die letztere Sammlung enthält folgende Novellen: die weiße
Frau (die bekannte Sage vom Berliner Schloß); eine Fügung Gottes; Edmund von
Braunfels; in den Abruzzen; es ist nichts so fein gesponnen; Liebe. — Wie an¬
muthig Rellstab zu erzählen versteht, weiß Jeder, der seine Wcihnachtswandernngcn
in der Voß'schen Zeitung gelesen hat. Dies Talent zeigt sich auch in den Novellen;
viel mehr läßt sich aber kaum davon sagen. — Größeres Interesse für die meisten
Leser wird die zweite Schrift haben: „Aus meinem Leben." Rellstab war eine liebens¬
würdige Persönlichkeit, und sein Einfluß auf die musikalischen Zustünde Berlins,
welche Einseitigkeiten auch ihm ankleben mochten, sehr bedeutend. — Die Erzählung
ist ansprechend, wenn auch etwas breit. Sehr gut geschildert sind die Eindrücke
der Franzosen in Berlin und die Begeisterung, welche die Jugend ergriff, als es nun
endlich zum Freiheitskampf ging. — Rellstab, der 1815 mit Eifer zur Muskete griff,
wurde wegen Körperschwäche und Kurzsichtigkeit zurückgewiesen; der Verdruß, daß er
nun seine Schulkameraden, z. V. seinen Vetter Wilhelm Häring (Wilibald Alexis)
allein ins Feld abreisen lassen musste, bestimmte den Jüngling, nach einiger Zeit, «is
der Kampf bereits beendet war, der Schule Lebewohl zu sagen und Militär zu wer¬
den, in der Hoffnung, es werde bald wieder' losgehn. Da diese Hoffnung ihn täuschte,
gab er allmälig den Dienst wieder auf. Seine Besuche bei Jean Paul (1821),
Goethe und Beethoven und die Gespräche, die er mit ihn^en führte, füllen den grö߬
ten Theil des zweiten Bandes; was er von seinen eignen poetischen Versuchen, na¬
mentlich im Fach der Oper erzählt, hat weniger Interesse. —

Vcmitas. Ein Roman in sechs Büchern von Karl Frenzel. 3 Bde., Hannover,
Rümpler. — Vanitas ist die deutsche Uebersetzung von Vanit^-^air; und in der
That ist in dieser Novelle die Stimmung von Thackcray beibehalten, nur nicht die
schärft Zeichnung. In der Widmung an seinen Freund Rodenberg bezieht sich der


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[0486] diesen Preis der Nationalzeituug gern verstatten würde, die Republik, den Frei¬ handel oder den Communismus oder was ihr sonst einfiele, in vollster Freiheit zu predigen. Nicht Waldeck ist es, der in diesem Augenblick dieser Partei gegen¬ über steht, sondern Vincke. Möge die Nationalzeitung gewarnt sein, daß nicht auch auf sie das bittere Wort angewandt werde: „die elendeste Rauferei liegt ihr mehr am Herzen, als das Wohl des Landes."' 5t, . Neue Romane. Nach dem großen Kriege. Eine Geschichte in zwölf Briefen. Von Wil¬ helm Raabe (Jacob Corvinus), — Berlin, Schütte. — Den humoristischen Ton hat der Verfasser, wie in seinem frühern Roman (die Chronik der Spcrlingsgcisse) glücklich getroffen; wenn das Buch nur> etwas mehr Positiven Inhalt hätte! Die Stimmung allein kann es doch nicht thun. — Ludwig Rellstab- Aus meinem Leben. Bd. 1. 2, — Fruchtstücke. Bd. 1.2. (Berlin, Gutentag). — Die letztere Sammlung enthält folgende Novellen: die weiße Frau (die bekannte Sage vom Berliner Schloß); eine Fügung Gottes; Edmund von Braunfels; in den Abruzzen; es ist nichts so fein gesponnen; Liebe. — Wie an¬ muthig Rellstab zu erzählen versteht, weiß Jeder, der seine Wcihnachtswandernngcn in der Voß'schen Zeitung gelesen hat. Dies Talent zeigt sich auch in den Novellen; viel mehr läßt sich aber kaum davon sagen. — Größeres Interesse für die meisten Leser wird die zweite Schrift haben: „Aus meinem Leben." Rellstab war eine liebens¬ würdige Persönlichkeit, und sein Einfluß auf die musikalischen Zustünde Berlins, welche Einseitigkeiten auch ihm ankleben mochten, sehr bedeutend. — Die Erzählung ist ansprechend, wenn auch etwas breit. Sehr gut geschildert sind die Eindrücke der Franzosen in Berlin und die Begeisterung, welche die Jugend ergriff, als es nun endlich zum Freiheitskampf ging. — Rellstab, der 1815 mit Eifer zur Muskete griff, wurde wegen Körperschwäche und Kurzsichtigkeit zurückgewiesen; der Verdruß, daß er nun seine Schulkameraden, z. V. seinen Vetter Wilhelm Häring (Wilibald Alexis) allein ins Feld abreisen lassen musste, bestimmte den Jüngling, nach einiger Zeit, «is der Kampf bereits beendet war, der Schule Lebewohl zu sagen und Militär zu wer¬ den, in der Hoffnung, es werde bald wieder' losgehn. Da diese Hoffnung ihn täuschte, gab er allmälig den Dienst wieder auf. Seine Besuche bei Jean Paul (1821), Goethe und Beethoven und die Gespräche, die er mit ihn^en führte, füllen den grö߬ ten Theil des zweiten Bandes; was er von seinen eignen poetischen Versuchen, na¬ mentlich im Fach der Oper erzählt, hat weniger Interesse. — Vcmitas. Ein Roman in sechs Büchern von Karl Frenzel. 3 Bde., Hannover, Rümpler. — Vanitas ist die deutsche Uebersetzung von Vanit^-^air; und in der That ist in dieser Novelle die Stimmung von Thackcray beibehalten, nur nicht die schärft Zeichnung. In der Widmung an seinen Freund Rodenberg bezieht sich der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/486>, abgerufen am 27.08.2024.