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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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auf die Politik in der ganzen bewohnten Welt einen Einfluß ausüben würde,
gegen welchen die jetzige, immerhin getheilte Hegemonie Englands keinen Ver¬
gleich aushält. England würde dann mit dieser Weltmacht theilen und end.
lich mehr und mehr zurücktreten müssen. Es hätte seine Mission erfüllt, aber
es behielte, wenn es sein Scepter niederlegte, den Trost, daß dieses Scepter
in die Hand einer Macht überginge, die von ihm gepflanzt, mit ihm von
gleichem Stamme und sür die politische Entwicklung der Welt vou gleicher
Bedeutung wäre. Es behielte den Trost, nachdem die Eifersucht und Rivali¬
tät, die jetzt das Verhältniß trübt, aufgehört, von dem ihm über den Kopfe
gewachsenen Sohne mit der Achtung behandelt zu werden, die man der Mut¬
ter schuldet.

Zerfalle die Union in zwei ziemlich gleiche Hälften, so ist die Drohung,
die in dem Bestehen und Wachsthum derjclben für England liegt, auf lang
paralysirt, und in demselben Maße als letzteres in Amerika stärker wird, steigert
sich seine Macht in Europa.




Briefe des jungen Börne an Henriette Herz.

Leipzig, Brockhaus.
Ueber die Jugendliebe Bornes zu Henriette Herz hat bereits Fürst in
der Lebensbeschreibung dieser berühmten Frau Bericht erstattet. Einige Un-
genauigkeiten dieses Berichts werden durch die vorliegenden Briefe rectificirt.
Aber auch in den Briefen ist Einiges ungenau, und wir beginnen damit, das
Datum festzustellen.

Henriette Herz war den 5. September 1764 geboren und seit dem
1> December 1779 verheirathet. Börne oder, wie er damals noch genannt
wurde, Lion oder Louis B aruch, war den 18. Mai 1786 geboren, also 22 Jahre
jünger als sie. Als er den 9. November 1802 zum erstenmal in das
Herz'sche Haus kam, war er 16 Jahre alt; die schöne Frau kam ihm so jung
^r, daß er sie für 24jährig hielt; er fragte sie schüchtern, ob sie 23 Jahre
sie gab sich für 34jährig. Sie war aber bereits 38 Jahre alt.

Der junge Louis war nach Berlin geschickt, um sich unter der Leitung des
Di'- Herz' durch Privatstunden in den Schulwissenschaften weiter zu bilden


Gttnzl'öden I. 1861. 59

auf die Politik in der ganzen bewohnten Welt einen Einfluß ausüben würde,
gegen welchen die jetzige, immerhin getheilte Hegemonie Englands keinen Ver¬
gleich aushält. England würde dann mit dieser Weltmacht theilen und end.
lich mehr und mehr zurücktreten müssen. Es hätte seine Mission erfüllt, aber
es behielte, wenn es sein Scepter niederlegte, den Trost, daß dieses Scepter
in die Hand einer Macht überginge, die von ihm gepflanzt, mit ihm von
gleichem Stamme und sür die politische Entwicklung der Welt vou gleicher
Bedeutung wäre. Es behielte den Trost, nachdem die Eifersucht und Rivali¬
tät, die jetzt das Verhältniß trübt, aufgehört, von dem ihm über den Kopfe
gewachsenen Sohne mit der Achtung behandelt zu werden, die man der Mut¬
ter schuldet.

Zerfalle die Union in zwei ziemlich gleiche Hälften, so ist die Drohung,
die in dem Bestehen und Wachsthum derjclben für England liegt, auf lang
paralysirt, und in demselben Maße als letzteres in Amerika stärker wird, steigert
sich seine Macht in Europa.




Briefe des jungen Börne an Henriette Herz.

Leipzig, Brockhaus.
Ueber die Jugendliebe Bornes zu Henriette Herz hat bereits Fürst in
der Lebensbeschreibung dieser berühmten Frau Bericht erstattet. Einige Un-
genauigkeiten dieses Berichts werden durch die vorliegenden Briefe rectificirt.
Aber auch in den Briefen ist Einiges ungenau, und wir beginnen damit, das
Datum festzustellen.

Henriette Herz war den 5. September 1764 geboren und seit dem
1> December 1779 verheirathet. Börne oder, wie er damals noch genannt
wurde, Lion oder Louis B aruch, war den 18. Mai 1786 geboren, also 22 Jahre
jünger als sie. Als er den 9. November 1802 zum erstenmal in das
Herz'sche Haus kam, war er 16 Jahre alt; die schöne Frau kam ihm so jung
^r, daß er sie für 24jährig hielt; er fragte sie schüchtern, ob sie 23 Jahre
sie gab sich für 34jährig. Sie war aber bereits 38 Jahre alt.

Der junge Louis war nach Berlin geschickt, um sich unter der Leitung des
Di'- Herz' durch Privatstunden in den Schulwissenschaften weiter zu bilden


Gttnzl'öden I. 1861. 59
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[0475] auf die Politik in der ganzen bewohnten Welt einen Einfluß ausüben würde, gegen welchen die jetzige, immerhin getheilte Hegemonie Englands keinen Ver¬ gleich aushält. England würde dann mit dieser Weltmacht theilen und end. lich mehr und mehr zurücktreten müssen. Es hätte seine Mission erfüllt, aber es behielte, wenn es sein Scepter niederlegte, den Trost, daß dieses Scepter in die Hand einer Macht überginge, die von ihm gepflanzt, mit ihm von gleichem Stamme und sür die politische Entwicklung der Welt vou gleicher Bedeutung wäre. Es behielte den Trost, nachdem die Eifersucht und Rivali¬ tät, die jetzt das Verhältniß trübt, aufgehört, von dem ihm über den Kopfe gewachsenen Sohne mit der Achtung behandelt zu werden, die man der Mut¬ ter schuldet. Zerfalle die Union in zwei ziemlich gleiche Hälften, so ist die Drohung, die in dem Bestehen und Wachsthum derjclben für England liegt, auf lang paralysirt, und in demselben Maße als letzteres in Amerika stärker wird, steigert sich seine Macht in Europa. Briefe des jungen Börne an Henriette Herz. Leipzig, Brockhaus. Ueber die Jugendliebe Bornes zu Henriette Herz hat bereits Fürst in der Lebensbeschreibung dieser berühmten Frau Bericht erstattet. Einige Un- genauigkeiten dieses Berichts werden durch die vorliegenden Briefe rectificirt. Aber auch in den Briefen ist Einiges ungenau, und wir beginnen damit, das Datum festzustellen. Henriette Herz war den 5. September 1764 geboren und seit dem 1> December 1779 verheirathet. Börne oder, wie er damals noch genannt wurde, Lion oder Louis B aruch, war den 18. Mai 1786 geboren, also 22 Jahre jünger als sie. Als er den 9. November 1802 zum erstenmal in das Herz'sche Haus kam, war er 16 Jahre alt; die schöne Frau kam ihm so jung ^r, daß er sie für 24jährig hielt; er fragte sie schüchtern, ob sie 23 Jahre sie gab sich für 34jährig. Sie war aber bereits 38 Jahre alt. Der junge Louis war nach Berlin geschickt, um sich unter der Leitung des Di'- Herz' durch Privatstunden in den Schulwissenschaften weiter zu bilden Gttnzl'öden I. 1861. 59

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/475>, abgerufen am 26.08.2024.