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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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der Dampfbootglocken, das schrille Pfeife" der Ventile und das Knarren der
Krahne mischt, vereinigt sich zu einem Schauspiel voll unbeschreiblichen Lebeus.

Findet sich Aehnliches in allen großen Hafenstädten, so gewährt das Innere
der Stadt ein Bild, wie man es anderwärts nicht antrifft. Was wir meinen
ist der große Unterschied zwischen den drei Quartieren, in welche sie zerfällt:
der Altstadt, welche die Mitte einnunmt. und den beiden-großen Gruppen
neuer Gebäude, die sich ober- und unterhalb angesetzt haben. Die Straßen
der Altstadt sind zwar gerade und nach einem regelmäßigen Plan angelegt,
aber eng und schmutzig, und ihre Häuser, fast alle getüncht und zwar meist
gelb oder weiß, verbinden in ihrer Bauart die Charakterzüge der französischen
und spanischen Architektur des vorigen Jahrhunderts. Die Namen der Straßen
sind fast ohne Ausnahme französisch, die Gesichter, denen man in ihnen be¬
gegnet, die Laute, die man hört, ebenfalls. Ganz anders in den beiden an¬
dern Stadttheilen, namentlich in dem, welcher vorzugsweise das amerikanische
Quartier genannt wird. Hier sind die Straßen breit, reinlich und gut gepflastert
und beleuchtet. Die Bauart der Hänser gehört dem modernsten Stil an. viele
sind ungetüncht, die Namen der Gassen und Plätze englisch, und selten hört
man hier französisch sprechen. Die Grenzlinie zwischen der englischen Stadt
und der französischen bildet die breite, mit Bäumen bepflanzte Kanalstrect. sie
scheidet nicht nur zwei Jahrhunderte im Baustil, sondern anch zwei Racen.

Die öffentlichen Gebäude von Neuorleans zeichnen sich weder durch Größe
noch durch Geschmack aus, wenigstens entsprechen sie der Bedeutung der Stube
nicht. Dagegen sind die Gasthäuser außerordentlich prachtvoll eingerichtet,
und das Se. Charles Hotel mit seinem korinthischen Portal und seiner hohen
Kuppel gehört zu dem elegantesten Häusern seiner Art. Als eine Eigenthüm¬
lichkeit der Halbmondsstadt mag noch erwähnt werden, daß sich in ihr alle
Keller über der Erde befinden. Tas unterste Geschoß der Häuser hat nämlich
keine Fenster und zu der Hausthür führen Stufen hinauf. Diese Einrichtung
ist von der Nothwendigkeit geboten; denn wollte man in den sumpfigen Boden
graben, so würde man Brunnen statt der Keller anlegen.

In der unmittelbaren Nähe der Stadt trifft man mehre sehr schöne Bitten,
umgeben von Gärten, in denen die Magnolie duftet und Orangenhaine ihre
goldne Frucht zeigen. Weiter landeinwärts aber dehnt sich der Sumpf düster
und eintönig bis zum See Pontchartrain aus. Bon hübschen Punkten zu Aus¬
flügen ist keine Rede. Mag man in der Nachbarschaft wandern, wohin man
will, allenthalben geht man auf schwammigem, schwankendem Morastboden,
selbst inmitten der dichten Gebüsche und Rohrdickichte, aus denen man übri¬
gens sofort auf höchst unceremoniöse Weise von Myriaden giftiger Mücken
verjagt wird.

Zu den großartigsten Bauten von Neuorleans gehört die Levee, jener Quader-


der Dampfbootglocken, das schrille Pfeife» der Ventile und das Knarren der
Krahne mischt, vereinigt sich zu einem Schauspiel voll unbeschreiblichen Lebeus.

Findet sich Aehnliches in allen großen Hafenstädten, so gewährt das Innere
der Stadt ein Bild, wie man es anderwärts nicht antrifft. Was wir meinen
ist der große Unterschied zwischen den drei Quartieren, in welche sie zerfällt:
der Altstadt, welche die Mitte einnunmt. und den beiden-großen Gruppen
neuer Gebäude, die sich ober- und unterhalb angesetzt haben. Die Straßen
der Altstadt sind zwar gerade und nach einem regelmäßigen Plan angelegt,
aber eng und schmutzig, und ihre Häuser, fast alle getüncht und zwar meist
gelb oder weiß, verbinden in ihrer Bauart die Charakterzüge der französischen
und spanischen Architektur des vorigen Jahrhunderts. Die Namen der Straßen
sind fast ohne Ausnahme französisch, die Gesichter, denen man in ihnen be¬
gegnet, die Laute, die man hört, ebenfalls. Ganz anders in den beiden an¬
dern Stadttheilen, namentlich in dem, welcher vorzugsweise das amerikanische
Quartier genannt wird. Hier sind die Straßen breit, reinlich und gut gepflastert
und beleuchtet. Die Bauart der Hänser gehört dem modernsten Stil an. viele
sind ungetüncht, die Namen der Gassen und Plätze englisch, und selten hört
man hier französisch sprechen. Die Grenzlinie zwischen der englischen Stadt
und der französischen bildet die breite, mit Bäumen bepflanzte Kanalstrect. sie
scheidet nicht nur zwei Jahrhunderte im Baustil, sondern anch zwei Racen.

Die öffentlichen Gebäude von Neuorleans zeichnen sich weder durch Größe
noch durch Geschmack aus, wenigstens entsprechen sie der Bedeutung der Stube
nicht. Dagegen sind die Gasthäuser außerordentlich prachtvoll eingerichtet,
und das Se. Charles Hotel mit seinem korinthischen Portal und seiner hohen
Kuppel gehört zu dem elegantesten Häusern seiner Art. Als eine Eigenthüm¬
lichkeit der Halbmondsstadt mag noch erwähnt werden, daß sich in ihr alle
Keller über der Erde befinden. Tas unterste Geschoß der Häuser hat nämlich
keine Fenster und zu der Hausthür führen Stufen hinauf. Diese Einrichtung
ist von der Nothwendigkeit geboten; denn wollte man in den sumpfigen Boden
graben, so würde man Brunnen statt der Keller anlegen.

In der unmittelbaren Nähe der Stadt trifft man mehre sehr schöne Bitten,
umgeben von Gärten, in denen die Magnolie duftet und Orangenhaine ihre
goldne Frucht zeigen. Weiter landeinwärts aber dehnt sich der Sumpf düster
und eintönig bis zum See Pontchartrain aus. Bon hübschen Punkten zu Aus¬
flügen ist keine Rede. Mag man in der Nachbarschaft wandern, wohin man
will, allenthalben geht man auf schwammigem, schwankendem Morastboden,
selbst inmitten der dichten Gebüsche und Rohrdickichte, aus denen man übri¬
gens sofort auf höchst unceremoniöse Weise von Myriaden giftiger Mücken
verjagt wird.

Zu den großartigsten Bauten von Neuorleans gehört die Levee, jener Quader-


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[0465] der Dampfbootglocken, das schrille Pfeife» der Ventile und das Knarren der Krahne mischt, vereinigt sich zu einem Schauspiel voll unbeschreiblichen Lebeus. Findet sich Aehnliches in allen großen Hafenstädten, so gewährt das Innere der Stadt ein Bild, wie man es anderwärts nicht antrifft. Was wir meinen ist der große Unterschied zwischen den drei Quartieren, in welche sie zerfällt: der Altstadt, welche die Mitte einnunmt. und den beiden-großen Gruppen neuer Gebäude, die sich ober- und unterhalb angesetzt haben. Die Straßen der Altstadt sind zwar gerade und nach einem regelmäßigen Plan angelegt, aber eng und schmutzig, und ihre Häuser, fast alle getüncht und zwar meist gelb oder weiß, verbinden in ihrer Bauart die Charakterzüge der französischen und spanischen Architektur des vorigen Jahrhunderts. Die Namen der Straßen sind fast ohne Ausnahme französisch, die Gesichter, denen man in ihnen be¬ gegnet, die Laute, die man hört, ebenfalls. Ganz anders in den beiden an¬ dern Stadttheilen, namentlich in dem, welcher vorzugsweise das amerikanische Quartier genannt wird. Hier sind die Straßen breit, reinlich und gut gepflastert und beleuchtet. Die Bauart der Hänser gehört dem modernsten Stil an. viele sind ungetüncht, die Namen der Gassen und Plätze englisch, und selten hört man hier französisch sprechen. Die Grenzlinie zwischen der englischen Stadt und der französischen bildet die breite, mit Bäumen bepflanzte Kanalstrect. sie scheidet nicht nur zwei Jahrhunderte im Baustil, sondern anch zwei Racen. Die öffentlichen Gebäude von Neuorleans zeichnen sich weder durch Größe noch durch Geschmack aus, wenigstens entsprechen sie der Bedeutung der Stube nicht. Dagegen sind die Gasthäuser außerordentlich prachtvoll eingerichtet, und das Se. Charles Hotel mit seinem korinthischen Portal und seiner hohen Kuppel gehört zu dem elegantesten Häusern seiner Art. Als eine Eigenthüm¬ lichkeit der Halbmondsstadt mag noch erwähnt werden, daß sich in ihr alle Keller über der Erde befinden. Tas unterste Geschoß der Häuser hat nämlich keine Fenster und zu der Hausthür führen Stufen hinauf. Diese Einrichtung ist von der Nothwendigkeit geboten; denn wollte man in den sumpfigen Boden graben, so würde man Brunnen statt der Keller anlegen. In der unmittelbaren Nähe der Stadt trifft man mehre sehr schöne Bitten, umgeben von Gärten, in denen die Magnolie duftet und Orangenhaine ihre goldne Frucht zeigen. Weiter landeinwärts aber dehnt sich der Sumpf düster und eintönig bis zum See Pontchartrain aus. Bon hübschen Punkten zu Aus¬ flügen ist keine Rede. Mag man in der Nachbarschaft wandern, wohin man will, allenthalben geht man auf schwammigem, schwankendem Morastboden, selbst inmitten der dichten Gebüsche und Rohrdickichte, aus denen man übri¬ gens sofort auf höchst unceremoniöse Weise von Myriaden giftiger Mücken verjagt wird. Zu den großartigsten Bauten von Neuorleans gehört die Levee, jener Quader-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/465>, abgerufen am 25.08.2024.