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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Weitere gegen seine Untergebenen zu thun. Sonach verfuhr auch der Probst,
verhängte die Excommunication über sie und verbot, ihnen ferner Lebensmittel
zu reichen, Trotzig verließen sie das Kloster, mußten sich aber doch zuletzt de¬
müthigen und Dietrich selbst barfuß und in schwarzer Büßerkutte Verzeihung
erbitten, bevor er wieder ins Kloster aufgenommen wurde; doch suchte man
ihn dadurch unschädlich zu machen, daß man ihm die Kirche zu Eilenburg
übertrug und ihn dadurch aus dem Kloster entfernte.

Diese Vorfälle hatten den Probst Johannes so angegriffen, daß er er¬
krankte und in Erwartung des Todes die letzte Oelung empfing. Sein Körper
bedeckte sich mit Beulen, seine Nase wurde schwarz und löste sich zuletzt ganz
und gar ab. Dietrich war aus die Nachricht von dem rettungslosen Danieder¬
liegen seines Gegners aus Eilenburg herbeigeeilt, um diesmal sich die Wahl
bei Zeiten zu sichern. Da hätte sast eine unerwartete Genesung des Probstes
seine Hoffnung abermals vereitelt; es gewann den Anschein, als würde der¬
selbe mit Verlust der Nase am Leben bleiben. Voll Unmuth über ihre Täu¬
schung singen nun seine Widersacher an, ihm das zum Vorwurf zu machen,
und erklärten, sie möchten keinen Probst ohne Nase haben. Da beugte zum
Glück nach drei Tagen der Tod des Probstes weiterem Streit vor.

Aber über die Wahl entbrannte er von Neuem. Diesmal stimmte die
Mehrzahl für Dietrich, eine andere widersetzte sich seiner Erhebung. Nun kam
der Bischof von Merseburg auf den Petersberg, um zwischen ihnen zu ver¬
mitteln, aber vergeblich. Ohne auf ihn zu hören, stürmten Dietrichs Anhänger
unter Mißachtung aller Ordnung und der dadurch bei solcher Gelegenheit ge¬
botenen feierlichen Procession in die Kirche, stellten, um nicht überfallen zu
werden, Wachen an die Thüren, verstärkten sich durch die Klosterschüler, deren
Magister zu ihnen gehörte, ein Laienbruder trat an das Pult, stimmte für den
neugewählten den Lobgesang an, und so wurde Dietrich vor dem Altare als
Probst präsentirt. Unter solchen Umständen hielt der Bischof seine Einmischung
für überflüssig, sowie er sich daher von dem ihm zu Ehren gegebenen Fest¬
mahl erhoben hatte, verließ er das Kloster. Des nunmehrigen Probstes erste
Maßregel aber war. daß er sich durch Entfernung des bisherigen Kellermeisters
und die Einsetzung eines ihm ergebenen, sich die sreie Disposition über Küche
und Keller und damit das wirksamste Mittel, um den Gehorsam des Con-
vents zu erzwingen, sicherte.

Aber Markgraf Dietrich hatte von diesen wüsten Vorgängen Kunde er¬
halten und forderte deshalb sowol den Probst als auch Abgeordnete der Gegen¬
partei nach Leipzig vor sich, um die Sache zu untersuchen. Doch auch hier
verstand es der erfindungsreiche Probst, den Sinn des Markgrafen theils durch
den Einfluß seiner mächtigen Verwandten, theils durch andere Mittel zu seinen
Gunsten umzustimmen. Der Markgraf schuldete nämlich dem Kloster noch 300


Weitere gegen seine Untergebenen zu thun. Sonach verfuhr auch der Probst,
verhängte die Excommunication über sie und verbot, ihnen ferner Lebensmittel
zu reichen, Trotzig verließen sie das Kloster, mußten sich aber doch zuletzt de¬
müthigen und Dietrich selbst barfuß und in schwarzer Büßerkutte Verzeihung
erbitten, bevor er wieder ins Kloster aufgenommen wurde; doch suchte man
ihn dadurch unschädlich zu machen, daß man ihm die Kirche zu Eilenburg
übertrug und ihn dadurch aus dem Kloster entfernte.

Diese Vorfälle hatten den Probst Johannes so angegriffen, daß er er¬
krankte und in Erwartung des Todes die letzte Oelung empfing. Sein Körper
bedeckte sich mit Beulen, seine Nase wurde schwarz und löste sich zuletzt ganz
und gar ab. Dietrich war aus die Nachricht von dem rettungslosen Danieder¬
liegen seines Gegners aus Eilenburg herbeigeeilt, um diesmal sich die Wahl
bei Zeiten zu sichern. Da hätte sast eine unerwartete Genesung des Probstes
seine Hoffnung abermals vereitelt; es gewann den Anschein, als würde der¬
selbe mit Verlust der Nase am Leben bleiben. Voll Unmuth über ihre Täu¬
schung singen nun seine Widersacher an, ihm das zum Vorwurf zu machen,
und erklärten, sie möchten keinen Probst ohne Nase haben. Da beugte zum
Glück nach drei Tagen der Tod des Probstes weiterem Streit vor.

Aber über die Wahl entbrannte er von Neuem. Diesmal stimmte die
Mehrzahl für Dietrich, eine andere widersetzte sich seiner Erhebung. Nun kam
der Bischof von Merseburg auf den Petersberg, um zwischen ihnen zu ver¬
mitteln, aber vergeblich. Ohne auf ihn zu hören, stürmten Dietrichs Anhänger
unter Mißachtung aller Ordnung und der dadurch bei solcher Gelegenheit ge¬
botenen feierlichen Procession in die Kirche, stellten, um nicht überfallen zu
werden, Wachen an die Thüren, verstärkten sich durch die Klosterschüler, deren
Magister zu ihnen gehörte, ein Laienbruder trat an das Pult, stimmte für den
neugewählten den Lobgesang an, und so wurde Dietrich vor dem Altare als
Probst präsentirt. Unter solchen Umständen hielt der Bischof seine Einmischung
für überflüssig, sowie er sich daher von dem ihm zu Ehren gegebenen Fest¬
mahl erhoben hatte, verließ er das Kloster. Des nunmehrigen Probstes erste
Maßregel aber war. daß er sich durch Entfernung des bisherigen Kellermeisters
und die Einsetzung eines ihm ergebenen, sich die sreie Disposition über Küche
und Keller und damit das wirksamste Mittel, um den Gehorsam des Con-
vents zu erzwingen, sicherte.

Aber Markgraf Dietrich hatte von diesen wüsten Vorgängen Kunde er¬
halten und forderte deshalb sowol den Probst als auch Abgeordnete der Gegen¬
partei nach Leipzig vor sich, um die Sache zu untersuchen. Doch auch hier
verstand es der erfindungsreiche Probst, den Sinn des Markgrafen theils durch
den Einfluß seiner mächtigen Verwandten, theils durch andere Mittel zu seinen
Gunsten umzustimmen. Der Markgraf schuldete nämlich dem Kloster noch 300


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[0439] Weitere gegen seine Untergebenen zu thun. Sonach verfuhr auch der Probst, verhängte die Excommunication über sie und verbot, ihnen ferner Lebensmittel zu reichen, Trotzig verließen sie das Kloster, mußten sich aber doch zuletzt de¬ müthigen und Dietrich selbst barfuß und in schwarzer Büßerkutte Verzeihung erbitten, bevor er wieder ins Kloster aufgenommen wurde; doch suchte man ihn dadurch unschädlich zu machen, daß man ihm die Kirche zu Eilenburg übertrug und ihn dadurch aus dem Kloster entfernte. Diese Vorfälle hatten den Probst Johannes so angegriffen, daß er er¬ krankte und in Erwartung des Todes die letzte Oelung empfing. Sein Körper bedeckte sich mit Beulen, seine Nase wurde schwarz und löste sich zuletzt ganz und gar ab. Dietrich war aus die Nachricht von dem rettungslosen Danieder¬ liegen seines Gegners aus Eilenburg herbeigeeilt, um diesmal sich die Wahl bei Zeiten zu sichern. Da hätte sast eine unerwartete Genesung des Probstes seine Hoffnung abermals vereitelt; es gewann den Anschein, als würde der¬ selbe mit Verlust der Nase am Leben bleiben. Voll Unmuth über ihre Täu¬ schung singen nun seine Widersacher an, ihm das zum Vorwurf zu machen, und erklärten, sie möchten keinen Probst ohne Nase haben. Da beugte zum Glück nach drei Tagen der Tod des Probstes weiterem Streit vor. Aber über die Wahl entbrannte er von Neuem. Diesmal stimmte die Mehrzahl für Dietrich, eine andere widersetzte sich seiner Erhebung. Nun kam der Bischof von Merseburg auf den Petersberg, um zwischen ihnen zu ver¬ mitteln, aber vergeblich. Ohne auf ihn zu hören, stürmten Dietrichs Anhänger unter Mißachtung aller Ordnung und der dadurch bei solcher Gelegenheit ge¬ botenen feierlichen Procession in die Kirche, stellten, um nicht überfallen zu werden, Wachen an die Thüren, verstärkten sich durch die Klosterschüler, deren Magister zu ihnen gehörte, ein Laienbruder trat an das Pult, stimmte für den neugewählten den Lobgesang an, und so wurde Dietrich vor dem Altare als Probst präsentirt. Unter solchen Umständen hielt der Bischof seine Einmischung für überflüssig, sowie er sich daher von dem ihm zu Ehren gegebenen Fest¬ mahl erhoben hatte, verließ er das Kloster. Des nunmehrigen Probstes erste Maßregel aber war. daß er sich durch Entfernung des bisherigen Kellermeisters und die Einsetzung eines ihm ergebenen, sich die sreie Disposition über Küche und Keller und damit das wirksamste Mittel, um den Gehorsam des Con- vents zu erzwingen, sicherte. Aber Markgraf Dietrich hatte von diesen wüsten Vorgängen Kunde er¬ halten und forderte deshalb sowol den Probst als auch Abgeordnete der Gegen¬ partei nach Leipzig vor sich, um die Sache zu untersuchen. Doch auch hier verstand es der erfindungsreiche Probst, den Sinn des Markgrafen theils durch den Einfluß seiner mächtigen Verwandten, theils durch andere Mittel zu seinen Gunsten umzustimmen. Der Markgraf schuldete nämlich dem Kloster noch 300

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/439>, abgerufen am 01.10.2024.