Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Mönche eines Tages das gewöhnliche Getränk nicht nach ihrem Geschmack, sie
erbrachen mit Gewalt den Keller und zapften für sich und wer sonst davon haben
wollte, Wein zum Mittags- und Abendbrod. Während sie nun in der folgenden
Nacht ihren Rausch verschliefen, kam Feuer aus und legte einen großen Theil der
Klostergebäude in Asche. Der Probst wagte bei seiner Heimkehr nicht einmal
die Uebertreter des Gesetzes zu strafen theils wegen ihrer großen Anzahl, theils
aus Furcht vor der vornehmen Verwandtschaft desjenigen, der der Rädelsführer
gewesen war. "Dem Verlust der Gebäude folgte ein solcher Ruin der Sitten,
daß man mit Recht hätte sagen können, die Religion sei mit dem Kloster ver¬
brannt."

Eben jener Anstifter des Weinraubcs, er hieß Dietrich, sollte aber dem
Kloster noch viel Schlimmeres zufügen. Aus einer vornehmen Adelsfamilie
abstammend, -- sein Bruder war Probst in Merseburg, seine Vettern gehörten
zu den Ministerialen der Umgegend, -- war er von Jugend auf von den
Prälaten und Lehrern nachsichtiger behandelt worden, hatte einen gewisse"
Dünkel eingesogen und sing nun an sich gegen seine Vorgesetzten ungehorsam
zu zeigen und einen gefährlichen Ehrgeiz zu entwickeln. Um sich einen Anhang
zu verschaffen, schalt er auf die schlechte Verwaltung und ließ bei Gelegenheit
fallen, wie ganz anders es sein sollte, wenn er Probst wäre. Wurde einer
von den Mönchen wegen irgend eines Vergehens bestraft, so legte er recht
augenfällig seine Theilnahme für ihn an den Tag und wußte ihm verbotne
Speisen und Getränke zu verschaffen, kurz er spielte im Kloster den Dema¬
gogen; auch nicht ganz ohne Erfolg, denn nach Probst Rudolfs Tode im
Jahre 12ti8 sielen drei Stimmen auf ihn, zwar wenig, aber genug, um ihm
Anlaß zu einer heftigen Agitation gegen den von der Mehrzahl gewählten
Probst Johannes zu geben. Er gewann sogar den Erzbischof Albrecht von
Magdeburg und den Vogt des Klosters, damals Markgraf Konrad von Lands¬
berg für sich, aber Markgraf Dietrich von Meißen, um den sich die andere
Partei gewendet hatte, verwies ihn pcremtorisch zur Ruhe. Aber das Uebel
war einmal geschehen, der offene Zwiespalt im Kloster ausgebrochen. Zwar
kam es hier nicht so weit wie im Kloster Pegau, wo um dieselbe Zeit die
Mönche ihren Abt vergiften wollten, blos weil er sie nicht nach Belieben ver¬
botene Dinge treiben lassen wollte, doch ging Dietrich und sein Anhang auf
alle Weise darauf aus dem Probste das Leben zu erschweren, und andererseits
ließen es auch dessen Anhänger nicht an Leidenschaftlichkeit fehlen. Zuletzt
vermaß sich jener sogar eine Beschwerde über den Probst an den Markgrafen
Dietrich, den nunmehrigen Vogt, zu bringen. Die Untersuchung, die derselbe
hierauf in Person und in vollem Capitel anstellte, ergab freilich die Haltlo¬
sigkeit der erhobenen Anklagen, doch lehnte er es ab, gegen die Unruhestifter
wie der Probst verlangte, einzuschreiten, überließ es ihm vielmehr, selbst de>6


Mönche eines Tages das gewöhnliche Getränk nicht nach ihrem Geschmack, sie
erbrachen mit Gewalt den Keller und zapften für sich und wer sonst davon haben
wollte, Wein zum Mittags- und Abendbrod. Während sie nun in der folgenden
Nacht ihren Rausch verschliefen, kam Feuer aus und legte einen großen Theil der
Klostergebäude in Asche. Der Probst wagte bei seiner Heimkehr nicht einmal
die Uebertreter des Gesetzes zu strafen theils wegen ihrer großen Anzahl, theils
aus Furcht vor der vornehmen Verwandtschaft desjenigen, der der Rädelsführer
gewesen war. „Dem Verlust der Gebäude folgte ein solcher Ruin der Sitten,
daß man mit Recht hätte sagen können, die Religion sei mit dem Kloster ver¬
brannt."

Eben jener Anstifter des Weinraubcs, er hieß Dietrich, sollte aber dem
Kloster noch viel Schlimmeres zufügen. Aus einer vornehmen Adelsfamilie
abstammend, — sein Bruder war Probst in Merseburg, seine Vettern gehörten
zu den Ministerialen der Umgegend, — war er von Jugend auf von den
Prälaten und Lehrern nachsichtiger behandelt worden, hatte einen gewisse»
Dünkel eingesogen und sing nun an sich gegen seine Vorgesetzten ungehorsam
zu zeigen und einen gefährlichen Ehrgeiz zu entwickeln. Um sich einen Anhang
zu verschaffen, schalt er auf die schlechte Verwaltung und ließ bei Gelegenheit
fallen, wie ganz anders es sein sollte, wenn er Probst wäre. Wurde einer
von den Mönchen wegen irgend eines Vergehens bestraft, so legte er recht
augenfällig seine Theilnahme für ihn an den Tag und wußte ihm verbotne
Speisen und Getränke zu verschaffen, kurz er spielte im Kloster den Dema¬
gogen; auch nicht ganz ohne Erfolg, denn nach Probst Rudolfs Tode im
Jahre 12ti8 sielen drei Stimmen auf ihn, zwar wenig, aber genug, um ihm
Anlaß zu einer heftigen Agitation gegen den von der Mehrzahl gewählten
Probst Johannes zu geben. Er gewann sogar den Erzbischof Albrecht von
Magdeburg und den Vogt des Klosters, damals Markgraf Konrad von Lands¬
berg für sich, aber Markgraf Dietrich von Meißen, um den sich die andere
Partei gewendet hatte, verwies ihn pcremtorisch zur Ruhe. Aber das Uebel
war einmal geschehen, der offene Zwiespalt im Kloster ausgebrochen. Zwar
kam es hier nicht so weit wie im Kloster Pegau, wo um dieselbe Zeit die
Mönche ihren Abt vergiften wollten, blos weil er sie nicht nach Belieben ver¬
botene Dinge treiben lassen wollte, doch ging Dietrich und sein Anhang auf
alle Weise darauf aus dem Probste das Leben zu erschweren, und andererseits
ließen es auch dessen Anhänger nicht an Leidenschaftlichkeit fehlen. Zuletzt
vermaß sich jener sogar eine Beschwerde über den Probst an den Markgrafen
Dietrich, den nunmehrigen Vogt, zu bringen. Die Untersuchung, die derselbe
hierauf in Person und in vollem Capitel anstellte, ergab freilich die Haltlo¬
sigkeit der erhobenen Anklagen, doch lehnte er es ab, gegen die Unruhestifter
wie der Probst verlangte, einzuschreiten, überließ es ihm vielmehr, selbst de>6


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0438" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111332"/>
          <p xml:id="ID_1453" prev="#ID_1452"> Mönche eines Tages das gewöhnliche Getränk nicht nach ihrem Geschmack, sie<lb/>
erbrachen mit Gewalt den Keller und zapften für sich und wer sonst davon haben<lb/>
wollte, Wein zum Mittags- und Abendbrod. Während sie nun in der folgenden<lb/>
Nacht ihren Rausch verschliefen, kam Feuer aus und legte einen großen Theil der<lb/>
Klostergebäude in Asche. Der Probst wagte bei seiner Heimkehr nicht einmal<lb/>
die Uebertreter des Gesetzes zu strafen theils wegen ihrer großen Anzahl, theils<lb/>
aus Furcht vor der vornehmen Verwandtschaft desjenigen, der der Rädelsführer<lb/>
gewesen war. &#x201E;Dem Verlust der Gebäude folgte ein solcher Ruin der Sitten,<lb/>
daß man mit Recht hätte sagen können, die Religion sei mit dem Kloster ver¬<lb/>
brannt."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1454" next="#ID_1455"> Eben jener Anstifter des Weinraubcs, er hieß Dietrich, sollte aber dem<lb/>
Kloster noch viel Schlimmeres zufügen. Aus einer vornehmen Adelsfamilie<lb/>
abstammend, &#x2014; sein Bruder war Probst in Merseburg, seine Vettern gehörten<lb/>
zu den Ministerialen der Umgegend, &#x2014; war er von Jugend auf von den<lb/>
Prälaten und Lehrern nachsichtiger behandelt worden, hatte einen gewisse»<lb/>
Dünkel eingesogen und sing nun an sich gegen seine Vorgesetzten ungehorsam<lb/>
zu zeigen und einen gefährlichen Ehrgeiz zu entwickeln. Um sich einen Anhang<lb/>
zu verschaffen, schalt er auf die schlechte Verwaltung und ließ bei Gelegenheit<lb/>
fallen, wie ganz anders es sein sollte, wenn er Probst wäre. Wurde einer<lb/>
von den Mönchen wegen irgend eines Vergehens bestraft, so legte er recht<lb/>
augenfällig seine Theilnahme für ihn an den Tag und wußte ihm verbotne<lb/>
Speisen und Getränke zu verschaffen, kurz er spielte im Kloster den Dema¬<lb/>
gogen; auch nicht ganz ohne Erfolg, denn nach Probst Rudolfs Tode im<lb/>
Jahre 12ti8 sielen drei Stimmen auf ihn, zwar wenig, aber genug, um ihm<lb/>
Anlaß zu einer heftigen Agitation gegen den von der Mehrzahl gewählten<lb/>
Probst Johannes zu geben. Er gewann sogar den Erzbischof Albrecht von<lb/>
Magdeburg und den Vogt des Klosters, damals Markgraf Konrad von Lands¬<lb/>
berg für sich, aber Markgraf Dietrich von Meißen, um den sich die andere<lb/>
Partei gewendet hatte, verwies ihn pcremtorisch zur Ruhe. Aber das Uebel<lb/>
war einmal geschehen, der offene Zwiespalt im Kloster ausgebrochen. Zwar<lb/>
kam es hier nicht so weit wie im Kloster Pegau, wo um dieselbe Zeit die<lb/>
Mönche ihren Abt vergiften wollten, blos weil er sie nicht nach Belieben ver¬<lb/>
botene Dinge treiben lassen wollte, doch ging Dietrich und sein Anhang auf<lb/>
alle Weise darauf aus dem Probste das Leben zu erschweren, und andererseits<lb/>
ließen es auch dessen Anhänger nicht an Leidenschaftlichkeit fehlen. Zuletzt<lb/>
vermaß sich jener sogar eine Beschwerde über den Probst an den Markgrafen<lb/>
Dietrich, den nunmehrigen Vogt, zu bringen. Die Untersuchung, die derselbe<lb/>
hierauf in Person und in vollem Capitel anstellte, ergab freilich die Haltlo¬<lb/>
sigkeit der erhobenen Anklagen, doch lehnte er es ab, gegen die Unruhestifter<lb/>
wie der Probst verlangte, einzuschreiten, überließ es ihm vielmehr, selbst de&gt;6</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0438] Mönche eines Tages das gewöhnliche Getränk nicht nach ihrem Geschmack, sie erbrachen mit Gewalt den Keller und zapften für sich und wer sonst davon haben wollte, Wein zum Mittags- und Abendbrod. Während sie nun in der folgenden Nacht ihren Rausch verschliefen, kam Feuer aus und legte einen großen Theil der Klostergebäude in Asche. Der Probst wagte bei seiner Heimkehr nicht einmal die Uebertreter des Gesetzes zu strafen theils wegen ihrer großen Anzahl, theils aus Furcht vor der vornehmen Verwandtschaft desjenigen, der der Rädelsführer gewesen war. „Dem Verlust der Gebäude folgte ein solcher Ruin der Sitten, daß man mit Recht hätte sagen können, die Religion sei mit dem Kloster ver¬ brannt." Eben jener Anstifter des Weinraubcs, er hieß Dietrich, sollte aber dem Kloster noch viel Schlimmeres zufügen. Aus einer vornehmen Adelsfamilie abstammend, — sein Bruder war Probst in Merseburg, seine Vettern gehörten zu den Ministerialen der Umgegend, — war er von Jugend auf von den Prälaten und Lehrern nachsichtiger behandelt worden, hatte einen gewisse» Dünkel eingesogen und sing nun an sich gegen seine Vorgesetzten ungehorsam zu zeigen und einen gefährlichen Ehrgeiz zu entwickeln. Um sich einen Anhang zu verschaffen, schalt er auf die schlechte Verwaltung und ließ bei Gelegenheit fallen, wie ganz anders es sein sollte, wenn er Probst wäre. Wurde einer von den Mönchen wegen irgend eines Vergehens bestraft, so legte er recht augenfällig seine Theilnahme für ihn an den Tag und wußte ihm verbotne Speisen und Getränke zu verschaffen, kurz er spielte im Kloster den Dema¬ gogen; auch nicht ganz ohne Erfolg, denn nach Probst Rudolfs Tode im Jahre 12ti8 sielen drei Stimmen auf ihn, zwar wenig, aber genug, um ihm Anlaß zu einer heftigen Agitation gegen den von der Mehrzahl gewählten Probst Johannes zu geben. Er gewann sogar den Erzbischof Albrecht von Magdeburg und den Vogt des Klosters, damals Markgraf Konrad von Lands¬ berg für sich, aber Markgraf Dietrich von Meißen, um den sich die andere Partei gewendet hatte, verwies ihn pcremtorisch zur Ruhe. Aber das Uebel war einmal geschehen, der offene Zwiespalt im Kloster ausgebrochen. Zwar kam es hier nicht so weit wie im Kloster Pegau, wo um dieselbe Zeit die Mönche ihren Abt vergiften wollten, blos weil er sie nicht nach Belieben ver¬ botene Dinge treiben lassen wollte, doch ging Dietrich und sein Anhang auf alle Weise darauf aus dem Probste das Leben zu erschweren, und andererseits ließen es auch dessen Anhänger nicht an Leidenschaftlichkeit fehlen. Zuletzt vermaß sich jener sogar eine Beschwerde über den Probst an den Markgrafen Dietrich, den nunmehrigen Vogt, zu bringen. Die Untersuchung, die derselbe hierauf in Person und in vollem Capitel anstellte, ergab freilich die Haltlo¬ sigkeit der erhobenen Anklagen, doch lehnte er es ab, gegen die Unruhestifter wie der Probst verlangte, einzuschreiten, überließ es ihm vielmehr, selbst de>6

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/438
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/438>, abgerufen am 01.10.2024.