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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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den sie aber auch von den Söhnen selbst reicher und hochgestellter Laien be¬
sucht, aber nur wenige unter ihnen können als Pflanzstätten wissenschaftlicher
Bildung gelten, ja wollten wir den Maßstab der Gegenwart anlegen, so wür¬
den die wenigsten den Vergleich auch nur mit unseren Elementarschulen aus¬
halten. Was diese Schulen eigentlich erstrebten und leisteten, das lehrt uns
die Stiftungsurkunde des Se. Afraklosters bei Meißen, in welcher es heißt:
"es solle daselbst auch eine Schule von zwölf weltlichen Knaben gehalten wer¬
den, damit der Gottesdienst mit Feierlichkeit begangen werden könne." --
Schon Karl der Große Hütte gern die Klöster zu größerer wissenschaftlicher
Bedeutung gebracht. "Es sei Ew. Frömmigkeit bekannt/' läßt er sich in einem
Rundschreiben'an die Bischöfe und Aebte seines Reiches von 787 aus, "wie wir
es für nützlich erachtet haben, daß die unserer Negierung anvertrauten Bischofs¬
sitze und Klöster außer einem der Ordensregel entsprechenden Lebenswandel
und der Uebung der heiligen Religion ihren Fleiß auch aus die Beschäftigung
mit den Wissenschaften und der Unterweisung Derjenigen richten, die vermöge
der Gabe Gottes lernen können, nach der Fähigkeit eines Jeden. Denn da
uns in den letzten Jahren von verschiedenen Klöstern öfters Schreiben zuka¬
men, in denen angezeigt wurde, wie die in denselben wohnenden Brüder mit
frommen und heiligen Gebeten für uns streiten, so haben wir aus den mei¬
sten Schreiben ihren guten Willen sowol als ihre ungebildeten Reden erkannt,
denn was die fromme Demuth innerlich treu eingab, das konnte äußerlich
wegen des vernachlässigten Unterrichts die ungebildete Sprache nicht ohne
Fehler ausdrücken. Darum kam die Befürchtung in uns auf, es möchte, wie
die Kunst des Schreibens eine geringe war, so auch die zum Verständniß der
heiligen Schriften nöthige Bildung sein. Daher ernähren wir Euch, nicht
allein Eure wissenschaftliche Bildung nicht zu vernachlässigen, sondern auch
das Ziel eures Lernens darauf zu richten, daß Ihr leichter und richtiger in
die Geheimnisse der göttlichen Schriften eindringen könnet." -- Den Ruf
großer Gelehrsamkeit genossen frühzeitig die Klosterschulen zu Se. Gallen, wo
der berühmte Notker Lehrer war, und zu Fulda, aber wahrhaft wissenschaft¬
licher Geist ist in Deutschland erst mit der Gründung der Universitäten erwacht.

Wollen wir das Bild von der Lebensweise der Mönche vervollständigen,
so bleibt uns noch übrig, einige Worte über die Klosterkost hinzuzufügen.
Auch in Speise und Trank forderte die Regel strengste Einfachheit, aber ein
Mönch ißt und trinkt so gern etwas Gutes wie ein weltlicher Mensch, und je
strenger das Verbot, desto stärker reizt es die Begierde. Wenn wir in den
Lebensbeschreibungen ausgezeichneter Geistlicher immer hervorgehoben finden.
Mit wie kümmerlicher Nahrung sie sich begnügt, und wie sie nichts über ihre
heiligen Lippen gebracht haben als Wurzeln und Quellwasser, oder höchsten
dürres Schwarzbrod, so lassen grade diese Lobeserhebungen durchschimmern,


Grenzboten I. 1,861. 54

den sie aber auch von den Söhnen selbst reicher und hochgestellter Laien be¬
sucht, aber nur wenige unter ihnen können als Pflanzstätten wissenschaftlicher
Bildung gelten, ja wollten wir den Maßstab der Gegenwart anlegen, so wür¬
den die wenigsten den Vergleich auch nur mit unseren Elementarschulen aus¬
halten. Was diese Schulen eigentlich erstrebten und leisteten, das lehrt uns
die Stiftungsurkunde des Se. Afraklosters bei Meißen, in welcher es heißt:
„es solle daselbst auch eine Schule von zwölf weltlichen Knaben gehalten wer¬
den, damit der Gottesdienst mit Feierlichkeit begangen werden könne." —
Schon Karl der Große Hütte gern die Klöster zu größerer wissenschaftlicher
Bedeutung gebracht. „Es sei Ew. Frömmigkeit bekannt/' läßt er sich in einem
Rundschreiben'an die Bischöfe und Aebte seines Reiches von 787 aus, „wie wir
es für nützlich erachtet haben, daß die unserer Negierung anvertrauten Bischofs¬
sitze und Klöster außer einem der Ordensregel entsprechenden Lebenswandel
und der Uebung der heiligen Religion ihren Fleiß auch aus die Beschäftigung
mit den Wissenschaften und der Unterweisung Derjenigen richten, die vermöge
der Gabe Gottes lernen können, nach der Fähigkeit eines Jeden. Denn da
uns in den letzten Jahren von verschiedenen Klöstern öfters Schreiben zuka¬
men, in denen angezeigt wurde, wie die in denselben wohnenden Brüder mit
frommen und heiligen Gebeten für uns streiten, so haben wir aus den mei¬
sten Schreiben ihren guten Willen sowol als ihre ungebildeten Reden erkannt,
denn was die fromme Demuth innerlich treu eingab, das konnte äußerlich
wegen des vernachlässigten Unterrichts die ungebildete Sprache nicht ohne
Fehler ausdrücken. Darum kam die Befürchtung in uns auf, es möchte, wie
die Kunst des Schreibens eine geringe war, so auch die zum Verständniß der
heiligen Schriften nöthige Bildung sein. Daher ernähren wir Euch, nicht
allein Eure wissenschaftliche Bildung nicht zu vernachlässigen, sondern auch
das Ziel eures Lernens darauf zu richten, daß Ihr leichter und richtiger in
die Geheimnisse der göttlichen Schriften eindringen könnet." — Den Ruf
großer Gelehrsamkeit genossen frühzeitig die Klosterschulen zu Se. Gallen, wo
der berühmte Notker Lehrer war, und zu Fulda, aber wahrhaft wissenschaft¬
licher Geist ist in Deutschland erst mit der Gründung der Universitäten erwacht.

Wollen wir das Bild von der Lebensweise der Mönche vervollständigen,
so bleibt uns noch übrig, einige Worte über die Klosterkost hinzuzufügen.
Auch in Speise und Trank forderte die Regel strengste Einfachheit, aber ein
Mönch ißt und trinkt so gern etwas Gutes wie ein weltlicher Mensch, und je
strenger das Verbot, desto stärker reizt es die Begierde. Wenn wir in den
Lebensbeschreibungen ausgezeichneter Geistlicher immer hervorgehoben finden.
Mit wie kümmerlicher Nahrung sie sich begnügt, und wie sie nichts über ihre
heiligen Lippen gebracht haben als Wurzeln und Quellwasser, oder höchsten
dürres Schwarzbrod, so lassen grade diese Lobeserhebungen durchschimmern,


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[0435] den sie aber auch von den Söhnen selbst reicher und hochgestellter Laien be¬ sucht, aber nur wenige unter ihnen können als Pflanzstätten wissenschaftlicher Bildung gelten, ja wollten wir den Maßstab der Gegenwart anlegen, so wür¬ den die wenigsten den Vergleich auch nur mit unseren Elementarschulen aus¬ halten. Was diese Schulen eigentlich erstrebten und leisteten, das lehrt uns die Stiftungsurkunde des Se. Afraklosters bei Meißen, in welcher es heißt: „es solle daselbst auch eine Schule von zwölf weltlichen Knaben gehalten wer¬ den, damit der Gottesdienst mit Feierlichkeit begangen werden könne." — Schon Karl der Große Hütte gern die Klöster zu größerer wissenschaftlicher Bedeutung gebracht. „Es sei Ew. Frömmigkeit bekannt/' läßt er sich in einem Rundschreiben'an die Bischöfe und Aebte seines Reiches von 787 aus, „wie wir es für nützlich erachtet haben, daß die unserer Negierung anvertrauten Bischofs¬ sitze und Klöster außer einem der Ordensregel entsprechenden Lebenswandel und der Uebung der heiligen Religion ihren Fleiß auch aus die Beschäftigung mit den Wissenschaften und der Unterweisung Derjenigen richten, die vermöge der Gabe Gottes lernen können, nach der Fähigkeit eines Jeden. Denn da uns in den letzten Jahren von verschiedenen Klöstern öfters Schreiben zuka¬ men, in denen angezeigt wurde, wie die in denselben wohnenden Brüder mit frommen und heiligen Gebeten für uns streiten, so haben wir aus den mei¬ sten Schreiben ihren guten Willen sowol als ihre ungebildeten Reden erkannt, denn was die fromme Demuth innerlich treu eingab, das konnte äußerlich wegen des vernachlässigten Unterrichts die ungebildete Sprache nicht ohne Fehler ausdrücken. Darum kam die Befürchtung in uns auf, es möchte, wie die Kunst des Schreibens eine geringe war, so auch die zum Verständniß der heiligen Schriften nöthige Bildung sein. Daher ernähren wir Euch, nicht allein Eure wissenschaftliche Bildung nicht zu vernachlässigen, sondern auch das Ziel eures Lernens darauf zu richten, daß Ihr leichter und richtiger in die Geheimnisse der göttlichen Schriften eindringen könnet." — Den Ruf großer Gelehrsamkeit genossen frühzeitig die Klosterschulen zu Se. Gallen, wo der berühmte Notker Lehrer war, und zu Fulda, aber wahrhaft wissenschaft¬ licher Geist ist in Deutschland erst mit der Gründung der Universitäten erwacht. Wollen wir das Bild von der Lebensweise der Mönche vervollständigen, so bleibt uns noch übrig, einige Worte über die Klosterkost hinzuzufügen. Auch in Speise und Trank forderte die Regel strengste Einfachheit, aber ein Mönch ißt und trinkt so gern etwas Gutes wie ein weltlicher Mensch, und je strenger das Verbot, desto stärker reizt es die Begierde. Wenn wir in den Lebensbeschreibungen ausgezeichneter Geistlicher immer hervorgehoben finden. Mit wie kümmerlicher Nahrung sie sich begnügt, und wie sie nichts über ihre heiligen Lippen gebracht haben als Wurzeln und Quellwasser, oder höchsten dürres Schwarzbrod, so lassen grade diese Lobeserhebungen durchschimmern, Grenzboten I. 1,861. 54

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/435>, abgerufen am 02.10.2024.