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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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alten Aß zu bekommen, da die Kaiser auch den Kupfermünzen ihre eigenen
Köpfe octroyirten. Da nun aber auch sehr bald jene conventionellen Lecke¬
reien, wie bei unserem Weihnachtsfeste, Nebensache wurden und der Anstand
werthvollere Geschenke verlangte, wurde durch das Neujahrsfest der ohnehin
durch die kurz vorhergegangenen Saturnaliengeschenke geschwächte Geldbeutel
wieder bedeutend in Anspruch genommen. Das Schlimmste dabei war, das;
jedes Geschenk der Sitte gemäß mit einer Gegengabe erwidert werden mußte.
In der älteren Zeit hatten wol ein den Saturnalien und wahrscheinlich auch
am Neujnhrstage die Patrone von den Clienten als ihren Schutzgenossen
allerhand ansehnliche Gaben an Geld oder Naturalien erpreßt, und dieser Mi߬
brauch hatte sogar ein Gesetz veranlaßt, das die Saturnaliengeschenke der
Clienten auf Wachskerzen beschränkte; allein in der Kaiserzeit, wo die Clienten
ganz und gar von den Patronen unterhalten wurden, trat grade das umge¬
kehrte Verhältniß ein: die Ncujcchrsbettelei wurde bereits eine Qual für die
Wohlhabenden; die Wurst wurde nach der Speckseite geworfen, oder wie Mar¬
tins sagt:

Ebendeshalb schreibt derselbe an seinen Freund Stella:

Das Hauptgeschenk ni den Saturnalien, die sigilla, kleine Figuren aus
Terracotta, aber auch aus Silber und Gold. Wachs und Glas, spielte auch
am Neujahrstage eine Hauptrolle. Mit diesen Spielereien beschenkten die
Aeltern ihre Kinder und diese erhielten Geld, um sich wieder einander zu über¬
raschen. Auch die Erwachsenen neckten sich durch solche Attvapen, welche die
Kunstfertigkeit der römischen Plastiker in großer Vollkommenheit lieferte. He-
liogabal ließ zuweilen seinen Gästen alle Gerichte, die er aß, in Wachs oder
Glas nachgebildet, vorsetzen, und nach Plinius Zeugniß gab es Aepfel und
Trauben aus Wachs, die von den natürlichen nicht zu unterscheiden waren.
Auch die Kuchenbäcker und Conditorcn lieferten ihre Beiträge aus Honigteig
in tausenderlei zierlichen Formen und bildeten wahrscheinlich auch die irdenen
Menschensigürchen in Marzipan nach (Narei p-mis bekanntlich aus der in Ve¬
nedig üblichen Darstellung des Evangelisten Marcus in Honigteig entstanden).
Alle diese Gegenstände kaufte man nach den eigentlichen Saturnalien aus der
Sigillanuesse ein. welche vielleicht eine ganze Woche dauerte und theils in
der Nähe des Pantheon auf dem Marsfelde. theils bei den Thermen Trajans
ans dein Esquilin abgehalten wurde. Dort fand man aber in den weißen


alten Aß zu bekommen, da die Kaiser auch den Kupfermünzen ihre eigenen
Köpfe octroyirten. Da nun aber auch sehr bald jene conventionellen Lecke¬
reien, wie bei unserem Weihnachtsfeste, Nebensache wurden und der Anstand
werthvollere Geschenke verlangte, wurde durch das Neujahrsfest der ohnehin
durch die kurz vorhergegangenen Saturnaliengeschenke geschwächte Geldbeutel
wieder bedeutend in Anspruch genommen. Das Schlimmste dabei war, das;
jedes Geschenk der Sitte gemäß mit einer Gegengabe erwidert werden mußte.
In der älteren Zeit hatten wol ein den Saturnalien und wahrscheinlich auch
am Neujnhrstage die Patrone von den Clienten als ihren Schutzgenossen
allerhand ansehnliche Gaben an Geld oder Naturalien erpreßt, und dieser Mi߬
brauch hatte sogar ein Gesetz veranlaßt, das die Saturnaliengeschenke der
Clienten auf Wachskerzen beschränkte; allein in der Kaiserzeit, wo die Clienten
ganz und gar von den Patronen unterhalten wurden, trat grade das umge¬
kehrte Verhältniß ein: die Ncujcchrsbettelei wurde bereits eine Qual für die
Wohlhabenden; die Wurst wurde nach der Speckseite geworfen, oder wie Mar¬
tins sagt:

Ebendeshalb schreibt derselbe an seinen Freund Stella:

Das Hauptgeschenk ni den Saturnalien, die sigilla, kleine Figuren aus
Terracotta, aber auch aus Silber und Gold. Wachs und Glas, spielte auch
am Neujahrstage eine Hauptrolle. Mit diesen Spielereien beschenkten die
Aeltern ihre Kinder und diese erhielten Geld, um sich wieder einander zu über¬
raschen. Auch die Erwachsenen neckten sich durch solche Attvapen, welche die
Kunstfertigkeit der römischen Plastiker in großer Vollkommenheit lieferte. He-
liogabal ließ zuweilen seinen Gästen alle Gerichte, die er aß, in Wachs oder
Glas nachgebildet, vorsetzen, und nach Plinius Zeugniß gab es Aepfel und
Trauben aus Wachs, die von den natürlichen nicht zu unterscheiden waren.
Auch die Kuchenbäcker und Conditorcn lieferten ihre Beiträge aus Honigteig
in tausenderlei zierlichen Formen und bildeten wahrscheinlich auch die irdenen
Menschensigürchen in Marzipan nach (Narei p-mis bekanntlich aus der in Ve¬
nedig üblichen Darstellung des Evangelisten Marcus in Honigteig entstanden).
Alle diese Gegenstände kaufte man nach den eigentlichen Saturnalien aus der
Sigillanuesse ein. welche vielleicht eine ganze Woche dauerte und theils in
der Nähe des Pantheon auf dem Marsfelde. theils bei den Thermen Trajans
ans dein Esquilin abgehalten wurde. Dort fand man aber in den weißen


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[0042] alten Aß zu bekommen, da die Kaiser auch den Kupfermünzen ihre eigenen Köpfe octroyirten. Da nun aber auch sehr bald jene conventionellen Lecke¬ reien, wie bei unserem Weihnachtsfeste, Nebensache wurden und der Anstand werthvollere Geschenke verlangte, wurde durch das Neujahrsfest der ohnehin durch die kurz vorhergegangenen Saturnaliengeschenke geschwächte Geldbeutel wieder bedeutend in Anspruch genommen. Das Schlimmste dabei war, das; jedes Geschenk der Sitte gemäß mit einer Gegengabe erwidert werden mußte. In der älteren Zeit hatten wol ein den Saturnalien und wahrscheinlich auch am Neujnhrstage die Patrone von den Clienten als ihren Schutzgenossen allerhand ansehnliche Gaben an Geld oder Naturalien erpreßt, und dieser Mi߬ brauch hatte sogar ein Gesetz veranlaßt, das die Saturnaliengeschenke der Clienten auf Wachskerzen beschränkte; allein in der Kaiserzeit, wo die Clienten ganz und gar von den Patronen unterhalten wurden, trat grade das umge¬ kehrte Verhältniß ein: die Ncujcchrsbettelei wurde bereits eine Qual für die Wohlhabenden; die Wurst wurde nach der Speckseite geworfen, oder wie Mar¬ tins sagt: Ebendeshalb schreibt derselbe an seinen Freund Stella: Das Hauptgeschenk ni den Saturnalien, die sigilla, kleine Figuren aus Terracotta, aber auch aus Silber und Gold. Wachs und Glas, spielte auch am Neujahrstage eine Hauptrolle. Mit diesen Spielereien beschenkten die Aeltern ihre Kinder und diese erhielten Geld, um sich wieder einander zu über¬ raschen. Auch die Erwachsenen neckten sich durch solche Attvapen, welche die Kunstfertigkeit der römischen Plastiker in großer Vollkommenheit lieferte. He- liogabal ließ zuweilen seinen Gästen alle Gerichte, die er aß, in Wachs oder Glas nachgebildet, vorsetzen, und nach Plinius Zeugniß gab es Aepfel und Trauben aus Wachs, die von den natürlichen nicht zu unterscheiden waren. Auch die Kuchenbäcker und Conditorcn lieferten ihre Beiträge aus Honigteig in tausenderlei zierlichen Formen und bildeten wahrscheinlich auch die irdenen Menschensigürchen in Marzipan nach (Narei p-mis bekanntlich aus der in Ve¬ nedig üblichen Darstellung des Evangelisten Marcus in Honigteig entstanden). Alle diese Gegenstände kaufte man nach den eigentlichen Saturnalien aus der Sigillanuesse ein. welche vielleicht eine ganze Woche dauerte und theils in der Nähe des Pantheon auf dem Marsfelde. theils bei den Thermen Trajans ans dein Esquilin abgehalten wurde. Dort fand man aber in den weißen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/42>, abgerufen am 23.07.2024.