Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

und Martian (452) das Geldstreuen der Consuln ab und verwandelten es
in eine feste Abgabe von 100 Pfund Gold zum Besten der Wasserleitungen.
Allein schon in den nächsten 70 Jahren gaben nur die Aermsten und Geizig¬
sten nichts, während fast Alle Dispens erbaten und erhielten, bis Justinian
im Jahre 536 das Verbot wieder aufhob. Sein Neffe Justin der Zweite
ließ beim Antritt seines Consulats aus dem Markte zu Constantinopel ein
vier Stockwerke hohes Gerüste bauen, auf welchem das Volk den Geldregcn
auffing. Sein Zug ging übrigens in die Sophienkirche. Die Senatssitz¬
ung am ersten Januar wird auch in der Kaiserzeit vielfach erwähnt und er¬
hielt dadurch noch mehr Bedeutung, daß die neuen Consuln einen Eid auf
Aufrechterhaltung der Gesetze ablegten (was sie früher innerhalb der ersten
fünf Tage vor dem Volke thaten) und dem Senate den Eid der Treue gegen
den Kaiser abnahmen und daß einer von ihnen dem Kaiser im Namen des
Staates und seinem eigenen zu danken hatte. Diese Reden waren meist ge¬
schraubt und aus Effect berechnet, knechtische und geschmacklose Machwerke der
Schmeichelei. Endlich übten auch die Consuln an diesem Tage stets eine
amtliche Handlung, die später beinahe den einzigen Rest ihrer frühern Gewalt
bildete: sie schenkten einigen Sklaven die Freiheit und zwar nach der ältesten
feierlichen Weise, wobei ein Lictor dem Herrn die Gewalt über seinen Skla¬
ven absprach, indem er mit einem Stäbchen letztern auf den Kopf schlug,
worauf der Herr den Freizulassenden herumdrehte und losließ und der Con-
sul ihn für frei erklärte.

Bei Privatleuten füllte den übrigen Theil des Tages ein allgemeiner
Austausch von Geschenken, die ebenfalls eine gute Vorbedeutung haben sollten.
Sie hießen strenae und bestanden ursprünglich aus sehr einfachen Dingen.
Einen Zweig vom Lorbeerbaum, dem Symbol der unzerstörbaren Lebens-
fnsche. soll man schon unter dem König Tatius aus dem auf dem Esquilin
gelegenen Haine der Göttin Strenia (einer Personification der Rüstigkeit, Ge¬
sundheit) geholt und einander als glückverheißendes Zeichen geschenkt haben.
Hierzu kamen später als Gaben, die so gewöhnlich waren, wie unsere ver¬
goldeten Nüsse. Aepfel und Lebkuchen zu Weihnachten: Datteln an ihrem Zweige
hängend und mit Goldschaum überzogen; karische getrocknete Feigen oder Da-
mascenerpflaumcn. die in gewundenen, spitzen Düten aus gebranntem Thone
verkauft und übersandt wurden, und Honigscheiben. Alles dies sollte nach
Ovid bedeuten, daß das neue Jahr seinem süßen Anfänge gemäß verlaufen
Möchte. Auch ein Geldstück gehörte zu diesen Süßigkeiten und zwar ursprüng¬
lich ein Aß. eine Kupfermünze, die den'Januskopf auf ihrem Gepräge führte.
Allein schon Ovid sagt von seiner Zeit: "Eine bessere Vorbedeutung liegt jetzt
im Golde, und besiegt ist die alte Münze der neuen gewichen;" und später
suchte nur der Arme und der Geizhals zu seinen vergoldeten Datteln einen


und Martian (452) das Geldstreuen der Consuln ab und verwandelten es
in eine feste Abgabe von 100 Pfund Gold zum Besten der Wasserleitungen.
Allein schon in den nächsten 70 Jahren gaben nur die Aermsten und Geizig¬
sten nichts, während fast Alle Dispens erbaten und erhielten, bis Justinian
im Jahre 536 das Verbot wieder aufhob. Sein Neffe Justin der Zweite
ließ beim Antritt seines Consulats aus dem Markte zu Constantinopel ein
vier Stockwerke hohes Gerüste bauen, auf welchem das Volk den Geldregcn
auffing. Sein Zug ging übrigens in die Sophienkirche. Die Senatssitz¬
ung am ersten Januar wird auch in der Kaiserzeit vielfach erwähnt und er¬
hielt dadurch noch mehr Bedeutung, daß die neuen Consuln einen Eid auf
Aufrechterhaltung der Gesetze ablegten (was sie früher innerhalb der ersten
fünf Tage vor dem Volke thaten) und dem Senate den Eid der Treue gegen
den Kaiser abnahmen und daß einer von ihnen dem Kaiser im Namen des
Staates und seinem eigenen zu danken hatte. Diese Reden waren meist ge¬
schraubt und aus Effect berechnet, knechtische und geschmacklose Machwerke der
Schmeichelei. Endlich übten auch die Consuln an diesem Tage stets eine
amtliche Handlung, die später beinahe den einzigen Rest ihrer frühern Gewalt
bildete: sie schenkten einigen Sklaven die Freiheit und zwar nach der ältesten
feierlichen Weise, wobei ein Lictor dem Herrn die Gewalt über seinen Skla¬
ven absprach, indem er mit einem Stäbchen letztern auf den Kopf schlug,
worauf der Herr den Freizulassenden herumdrehte und losließ und der Con-
sul ihn für frei erklärte.

Bei Privatleuten füllte den übrigen Theil des Tages ein allgemeiner
Austausch von Geschenken, die ebenfalls eine gute Vorbedeutung haben sollten.
Sie hießen strenae und bestanden ursprünglich aus sehr einfachen Dingen.
Einen Zweig vom Lorbeerbaum, dem Symbol der unzerstörbaren Lebens-
fnsche. soll man schon unter dem König Tatius aus dem auf dem Esquilin
gelegenen Haine der Göttin Strenia (einer Personification der Rüstigkeit, Ge¬
sundheit) geholt und einander als glückverheißendes Zeichen geschenkt haben.
Hierzu kamen später als Gaben, die so gewöhnlich waren, wie unsere ver¬
goldeten Nüsse. Aepfel und Lebkuchen zu Weihnachten: Datteln an ihrem Zweige
hängend und mit Goldschaum überzogen; karische getrocknete Feigen oder Da-
mascenerpflaumcn. die in gewundenen, spitzen Düten aus gebranntem Thone
verkauft und übersandt wurden, und Honigscheiben. Alles dies sollte nach
Ovid bedeuten, daß das neue Jahr seinem süßen Anfänge gemäß verlaufen
Möchte. Auch ein Geldstück gehörte zu diesen Süßigkeiten und zwar ursprüng¬
lich ein Aß. eine Kupfermünze, die den'Januskopf auf ihrem Gepräge führte.
Allein schon Ovid sagt von seiner Zeit: „Eine bessere Vorbedeutung liegt jetzt
im Golde, und besiegt ist die alte Münze der neuen gewichen;" und später
suchte nur der Arme und der Geizhals zu seinen vergoldeten Datteln einen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0041" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110935"/>
          <p xml:id="ID_61" prev="#ID_60"> und Martian (452) das Geldstreuen der Consuln ab und verwandelten es<lb/>
in eine feste Abgabe von 100 Pfund Gold zum Besten der Wasserleitungen.<lb/>
Allein schon in den nächsten 70 Jahren gaben nur die Aermsten und Geizig¬<lb/>
sten nichts, während fast Alle Dispens erbaten und erhielten, bis Justinian<lb/>
im Jahre 536 das Verbot wieder aufhob. Sein Neffe Justin der Zweite<lb/>
ließ beim Antritt seines Consulats aus dem Markte zu Constantinopel ein<lb/>
vier Stockwerke hohes Gerüste bauen, auf welchem das Volk den Geldregcn<lb/>
auffing. Sein Zug ging übrigens in die Sophienkirche. Die Senatssitz¬<lb/>
ung am ersten Januar wird auch in der Kaiserzeit vielfach erwähnt und er¬<lb/>
hielt dadurch noch mehr Bedeutung, daß die neuen Consuln einen Eid auf<lb/>
Aufrechterhaltung der Gesetze ablegten (was sie früher innerhalb der ersten<lb/>
fünf Tage vor dem Volke thaten) und dem Senate den Eid der Treue gegen<lb/>
den Kaiser abnahmen und daß einer von ihnen dem Kaiser im Namen des<lb/>
Staates und seinem eigenen zu danken hatte. Diese Reden waren meist ge¬<lb/>
schraubt und aus Effect berechnet, knechtische und geschmacklose Machwerke der<lb/>
Schmeichelei. Endlich übten auch die Consuln an diesem Tage stets eine<lb/>
amtliche Handlung, die später beinahe den einzigen Rest ihrer frühern Gewalt<lb/>
bildete: sie schenkten einigen Sklaven die Freiheit und zwar nach der ältesten<lb/>
feierlichen Weise, wobei ein Lictor dem Herrn die Gewalt über seinen Skla¬<lb/>
ven absprach, indem er mit einem Stäbchen letztern auf den Kopf schlug,<lb/>
worauf der Herr den Freizulassenden herumdrehte und losließ und der Con-<lb/>
sul ihn für frei erklärte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_62" next="#ID_63"> Bei Privatleuten füllte den übrigen Theil des Tages ein allgemeiner<lb/>
Austausch von Geschenken, die ebenfalls eine gute Vorbedeutung haben sollten.<lb/>
Sie hießen strenae und bestanden ursprünglich aus sehr einfachen Dingen.<lb/>
Einen Zweig vom Lorbeerbaum, dem Symbol der unzerstörbaren Lebens-<lb/>
fnsche. soll man schon unter dem König Tatius aus dem auf dem Esquilin<lb/>
gelegenen Haine der Göttin Strenia (einer Personification der Rüstigkeit, Ge¬<lb/>
sundheit) geholt und einander als glückverheißendes Zeichen geschenkt haben.<lb/>
Hierzu kamen später als Gaben, die so gewöhnlich waren, wie unsere ver¬<lb/>
goldeten Nüsse. Aepfel und Lebkuchen zu Weihnachten: Datteln an ihrem Zweige<lb/>
hängend und mit Goldschaum überzogen; karische getrocknete Feigen oder Da-<lb/>
mascenerpflaumcn. die in gewundenen, spitzen Düten aus gebranntem Thone<lb/>
verkauft und übersandt wurden, und Honigscheiben. Alles dies sollte nach<lb/>
Ovid bedeuten, daß das neue Jahr seinem süßen Anfänge gemäß verlaufen<lb/>
Möchte. Auch ein Geldstück gehörte zu diesen Süßigkeiten und zwar ursprüng¬<lb/>
lich ein Aß. eine Kupfermünze, die den'Januskopf auf ihrem Gepräge führte.<lb/>
Allein schon Ovid sagt von seiner Zeit: &#x201E;Eine bessere Vorbedeutung liegt jetzt<lb/>
im Golde, und besiegt ist die alte Münze der neuen gewichen;" und später<lb/>
suchte nur der Arme und der Geizhals zu seinen vergoldeten Datteln einen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0041] und Martian (452) das Geldstreuen der Consuln ab und verwandelten es in eine feste Abgabe von 100 Pfund Gold zum Besten der Wasserleitungen. Allein schon in den nächsten 70 Jahren gaben nur die Aermsten und Geizig¬ sten nichts, während fast Alle Dispens erbaten und erhielten, bis Justinian im Jahre 536 das Verbot wieder aufhob. Sein Neffe Justin der Zweite ließ beim Antritt seines Consulats aus dem Markte zu Constantinopel ein vier Stockwerke hohes Gerüste bauen, auf welchem das Volk den Geldregcn auffing. Sein Zug ging übrigens in die Sophienkirche. Die Senatssitz¬ ung am ersten Januar wird auch in der Kaiserzeit vielfach erwähnt und er¬ hielt dadurch noch mehr Bedeutung, daß die neuen Consuln einen Eid auf Aufrechterhaltung der Gesetze ablegten (was sie früher innerhalb der ersten fünf Tage vor dem Volke thaten) und dem Senate den Eid der Treue gegen den Kaiser abnahmen und daß einer von ihnen dem Kaiser im Namen des Staates und seinem eigenen zu danken hatte. Diese Reden waren meist ge¬ schraubt und aus Effect berechnet, knechtische und geschmacklose Machwerke der Schmeichelei. Endlich übten auch die Consuln an diesem Tage stets eine amtliche Handlung, die später beinahe den einzigen Rest ihrer frühern Gewalt bildete: sie schenkten einigen Sklaven die Freiheit und zwar nach der ältesten feierlichen Weise, wobei ein Lictor dem Herrn die Gewalt über seinen Skla¬ ven absprach, indem er mit einem Stäbchen letztern auf den Kopf schlug, worauf der Herr den Freizulassenden herumdrehte und losließ und der Con- sul ihn für frei erklärte. Bei Privatleuten füllte den übrigen Theil des Tages ein allgemeiner Austausch von Geschenken, die ebenfalls eine gute Vorbedeutung haben sollten. Sie hießen strenae und bestanden ursprünglich aus sehr einfachen Dingen. Einen Zweig vom Lorbeerbaum, dem Symbol der unzerstörbaren Lebens- fnsche. soll man schon unter dem König Tatius aus dem auf dem Esquilin gelegenen Haine der Göttin Strenia (einer Personification der Rüstigkeit, Ge¬ sundheit) geholt und einander als glückverheißendes Zeichen geschenkt haben. Hierzu kamen später als Gaben, die so gewöhnlich waren, wie unsere ver¬ goldeten Nüsse. Aepfel und Lebkuchen zu Weihnachten: Datteln an ihrem Zweige hängend und mit Goldschaum überzogen; karische getrocknete Feigen oder Da- mascenerpflaumcn. die in gewundenen, spitzen Düten aus gebranntem Thone verkauft und übersandt wurden, und Honigscheiben. Alles dies sollte nach Ovid bedeuten, daß das neue Jahr seinem süßen Anfänge gemäß verlaufen Möchte. Auch ein Geldstück gehörte zu diesen Süßigkeiten und zwar ursprüng¬ lich ein Aß. eine Kupfermünze, die den'Januskopf auf ihrem Gepräge führte. Allein schon Ovid sagt von seiner Zeit: „Eine bessere Vorbedeutung liegt jetzt im Golde, und besiegt ist die alte Münze der neuen gewichen;" und später suchte nur der Arme und der Geizhals zu seinen vergoldeten Datteln einen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/41
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/41>, abgerufen am 23.07.2024.