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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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kam derselben war von ihren Stiftern ausdrücklich die Pflicht auferlegt, vor¬
überkommende Reisende ohne Entgeld zu beherbergen. Fürsten und Herren mit
ihrem Troß so gut wie der ärmste Fußwanderer suchten und fanden hier ihrem
Stande angemessen Nachtlager und Kost und einen Becher kühlen Kloster¬
weins. Einer der Mönche, der Hospitalarius. führte die Aufsicht über ihre
Bewirthung, ein besonderes Gebäude, das Hospiz oder Gasthaus, war zu
diesem Zwecke bestimmt, und auf dein Petersberge war es geräumig genug,
um zwei Jahre lang dem ganzen Convente Unterkommen zu gewähren, nach¬
dem im Jahre 1199 ein Theil des Klosters abgebrannt war. Ein besonderer
Theil der Einkünfte floß dem Hospiz zu und diente auf solche Weise, statt dem
Wohlleben der Mönche, einem höchst nützlichen Zwecke. Ja wenn wir vom
Kloster Zelle lesen, daß es binnen drei Jahren nicht weniger als 14000 Rei¬
sende zu Pferd und 20000 zu Fuß aufgenommen habe, also im Durchschnitt
täglich L0 Personen und 12 Pferde, so nimmt es uns nicht Wunder, wenn
es darüber verarmte und der Abt sein Unvermögen zur Fortsetzung solcher
Gastfreiheit erklärte.

Oder es erschienen Kranke und Prcßhafte, Pflege und Heilung bei den
frommen Vätern begehrend, und als ein Werk christlicher Barmherzigkeit wurde
sie gewährt. Denn so lange alle gelehrte Bildung oder was dafür galt, sich
im ausschließlichen Besitz der Geistlichen befand, wurde auch die Arzneikunst
in den Klöstern geübt. Dazu war ein eigenes Siechhaus bestimmt, welches
demnach keineswegs bloß den Mönchen selbst in Krankheitsfällen diente. Fand
es ja die Markgräfin Luitgard um sich zur Ader zu lassen für nöthig, dazu
auf deu Petersberg zu reisen, und wenn wir weiter lesen, daß Markgraf
Dietrich von Eilenburg. der auf dem Reichstag zu Mainz erkrankt war, sich
in das Siechhaus des nämlichen Klosters bringen ließ und darin starb, daß
im Jahre 1170 der Bischof Gerung von Meißen ebendaselbst sein Leben' be¬
endigte, so berechtigt uns das zu dem Schluß, daß eine weit größere Zahl
solcher, die es genesen wieder verließen, oder die nicht bedeutend genug waren,
um besonders genannt zu werden, hier Aufnahme und Heilung fanden.

Selbst Geldgeschäfte blieben den Klöstern nicht fremd, da man die ver¬
hältnißmäßige Sicherheit derselben benutzte, um ihnen Geldsummen zur Auf¬
bewahrung zu übergeben. Wir wissen dies aus zwei Fällen, welche von dem
Chronisten deshalb besonders erwähnt werden, weil in ihnen die Absicht nicht
erreicht wurde. Graf Ulrich von Wettin hatte für seine Hinterlassenen 200
Mark Silber auf den Petersberge niedergelegt, aber sobald der Bormund
seines Sohnes, Graf Dietrich von Sommerschenburg. Kunde davon erhalten
hatte, erschien er in Person in dein Kloster, um es nach dem Schatze zu durch¬
suchen; den hatte aber Probst Rudolf, im Voraus gewarnt, so gut verbor¬
gen, daß der Graf unverrichteter Sache abgezogen sein würde, hätten acht


kam derselben war von ihren Stiftern ausdrücklich die Pflicht auferlegt, vor¬
überkommende Reisende ohne Entgeld zu beherbergen. Fürsten und Herren mit
ihrem Troß so gut wie der ärmste Fußwanderer suchten und fanden hier ihrem
Stande angemessen Nachtlager und Kost und einen Becher kühlen Kloster¬
weins. Einer der Mönche, der Hospitalarius. führte die Aufsicht über ihre
Bewirthung, ein besonderes Gebäude, das Hospiz oder Gasthaus, war zu
diesem Zwecke bestimmt, und auf dein Petersberge war es geräumig genug,
um zwei Jahre lang dem ganzen Convente Unterkommen zu gewähren, nach¬
dem im Jahre 1199 ein Theil des Klosters abgebrannt war. Ein besonderer
Theil der Einkünfte floß dem Hospiz zu und diente auf solche Weise, statt dem
Wohlleben der Mönche, einem höchst nützlichen Zwecke. Ja wenn wir vom
Kloster Zelle lesen, daß es binnen drei Jahren nicht weniger als 14000 Rei¬
sende zu Pferd und 20000 zu Fuß aufgenommen habe, also im Durchschnitt
täglich L0 Personen und 12 Pferde, so nimmt es uns nicht Wunder, wenn
es darüber verarmte und der Abt sein Unvermögen zur Fortsetzung solcher
Gastfreiheit erklärte.

Oder es erschienen Kranke und Prcßhafte, Pflege und Heilung bei den
frommen Vätern begehrend, und als ein Werk christlicher Barmherzigkeit wurde
sie gewährt. Denn so lange alle gelehrte Bildung oder was dafür galt, sich
im ausschließlichen Besitz der Geistlichen befand, wurde auch die Arzneikunst
in den Klöstern geübt. Dazu war ein eigenes Siechhaus bestimmt, welches
demnach keineswegs bloß den Mönchen selbst in Krankheitsfällen diente. Fand
es ja die Markgräfin Luitgard um sich zur Ader zu lassen für nöthig, dazu
auf deu Petersberg zu reisen, und wenn wir weiter lesen, daß Markgraf
Dietrich von Eilenburg. der auf dem Reichstag zu Mainz erkrankt war, sich
in das Siechhaus des nämlichen Klosters bringen ließ und darin starb, daß
im Jahre 1170 der Bischof Gerung von Meißen ebendaselbst sein Leben' be¬
endigte, so berechtigt uns das zu dem Schluß, daß eine weit größere Zahl
solcher, die es genesen wieder verließen, oder die nicht bedeutend genug waren,
um besonders genannt zu werden, hier Aufnahme und Heilung fanden.

Selbst Geldgeschäfte blieben den Klöstern nicht fremd, da man die ver¬
hältnißmäßige Sicherheit derselben benutzte, um ihnen Geldsummen zur Auf¬
bewahrung zu übergeben. Wir wissen dies aus zwei Fällen, welche von dem
Chronisten deshalb besonders erwähnt werden, weil in ihnen die Absicht nicht
erreicht wurde. Graf Ulrich von Wettin hatte für seine Hinterlassenen 200
Mark Silber auf den Petersberge niedergelegt, aber sobald der Bormund
seines Sohnes, Graf Dietrich von Sommerschenburg. Kunde davon erhalten
hatte, erschien er in Person in dein Kloster, um es nach dem Schatze zu durch¬
suchen; den hatte aber Probst Rudolf, im Voraus gewarnt, so gut verbor¬
gen, daß der Graf unverrichteter Sache abgezogen sein würde, hätten acht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/408>, abgerufen am 16.01.2025.