Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.Währungen und immer neu ausbrechender Kämpfe, wo Tapferkeit und per¬ **Kaum hatte daher der h. Benedict diesem Hange der Zeit durch Er¬ Währungen und immer neu ausbrechender Kämpfe, wo Tapferkeit und per¬ **Kaum hatte daher der h. Benedict diesem Hange der Zeit durch Er¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0399" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111293"/> <p xml:id="ID_1339" prev="#ID_1338"> Währungen und immer neu ausbrechender Kämpfe, wo Tapferkeit und per¬<lb/> sönlicher Muth als das höchste Verdienst des Mannes galten, und wo keiner<lb/> mehr Recht besaß, als er mit Gewalt zu schirmen verstand. Das Widerspiel<lb/> dieses Wvgens und Schwankens bilden die Klöster. Auch damals gab es<lb/> weiche, beschauliche Gemüther, unfähig sich eine Stelle zu erkämpfen oder zu<lb/> behaupten, voll Sehnsucht nach Sicherheit und Frieden, aber ihre Stimme<lb/> verhallte in dem lauten Treiben ungehört gleich dem Rufe des Schiffbrüchigen<lb/> im Aufruhr der Elemente. Wohin sie sich wendeten, begegnete ihnen der<lb/> Schrecken; hier war es die habgierige Faust eines wilden Nachbars, deren<lb/> Drohen ihnen Hab und Gut, Leib und Leben gefährdete, dort machte sie der<lb/> Gedanke an die einstige Vergeltung der Unthaten, deren Zeugen sie sein<lb/> mußten, schaudern, und je Heller in ihrem eigenen Innern das Licht des<lb/> neuen Glaubens - entbrannte, desto schwärzer gähnte ihnen die umgebende<lb/> Finsterniß entgegen, je brünstiger ihre Sehnsucht nach Frieden rang, desto<lb/> höher stieg ihr Abscheu vor der Unbußfertigkeit der Welt. Solche Stimmungen<lb/> Waren der Boden, in dem der Glaube Wurzel faßte, daß die völlige Abkehr<lb/> von dieser Verlornen Welt, die Entsagung alles Irdischen, das einzige Mittel<lb/> zur Gewinnung der ewigen Seligkeit sei.</p><lb/> <p xml:id="ID_1340" next="#ID_1341"> **Kaum hatte daher der h. Benedict diesem Hange der Zeit durch Er¬<lb/> richtung des Klosters auf dem Monte Cassino und die Ausstellung einer be¬<lb/> sonderen Regel für das klösterliche Leben eine bestimmte Richtung gegeben,<lb/> so folgte man allerwärts dem gegebenen Beispiele, durch das ganze Abend¬<lb/> land erhoben sich Klöster als Zufluchtsstätten für die. welche den ersehnten<lb/> Frieden in der Welt nicht fanden, als Heiligthümer, in deren geweihten<lb/> Kreis der Lärm des Lebens nur vou fern und in gedämpften Tönen zu<lb/> dringen vermochte. Der ganze Gedanke entsprang so sehr dem eigentlichen<lb/> Geiste der Zeit, daß er, obendrein von der Geistlichkeit fleißig genährt, schnell<lb/> ZU einem herrschenden wurde. Die Zahl der Klosterbewohner stieg von Jahr<lb/> ZU Jahr, Personen aus den höchsten wie aus den untersten Schichten der<lb/> bürgerlichen Gesellschaft. Männer wie Frauen, Jünglinge wie Greise empfan¬<lb/> den die süßeste Befriedigung in dem demüthigen Stande des Mönches oder<lb/> der Nonne, und mehr als ein rauher Krregsmann, der sonst die Klostermauern<lb/> nur mit spöttischem Lächeln betrachtet hatte, klopfte miegt selbst Einlaß be¬<lb/> gehrend an die Pforte. Wenn das alte Schlachtschwert anfing seinem Arm<lb/> SU schwer zu werden und der ergraute Bart an das schwindende Leben mahnte,<lb/> da tauchten wol oft Bilder vor seiner Seele auf, ungerufen und doch nicht<lb/> wegzubannen: die Dörfer, die er in Aschenhaufen verwandelt, Eide, die er<lb/> geschworen und gebrochen, Kirchen, die er beraubt, und Weiber, die er gemi߬<lb/> handelt, sie alle traten vor den Spiegel seines Gewissens und riefen nach<lb/> Vergeltung. Da legte er in frommer Zerknirschung den Harnisch ab und zog</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0399]
Währungen und immer neu ausbrechender Kämpfe, wo Tapferkeit und per¬
sönlicher Muth als das höchste Verdienst des Mannes galten, und wo keiner
mehr Recht besaß, als er mit Gewalt zu schirmen verstand. Das Widerspiel
dieses Wvgens und Schwankens bilden die Klöster. Auch damals gab es
weiche, beschauliche Gemüther, unfähig sich eine Stelle zu erkämpfen oder zu
behaupten, voll Sehnsucht nach Sicherheit und Frieden, aber ihre Stimme
verhallte in dem lauten Treiben ungehört gleich dem Rufe des Schiffbrüchigen
im Aufruhr der Elemente. Wohin sie sich wendeten, begegnete ihnen der
Schrecken; hier war es die habgierige Faust eines wilden Nachbars, deren
Drohen ihnen Hab und Gut, Leib und Leben gefährdete, dort machte sie der
Gedanke an die einstige Vergeltung der Unthaten, deren Zeugen sie sein
mußten, schaudern, und je Heller in ihrem eigenen Innern das Licht des
neuen Glaubens - entbrannte, desto schwärzer gähnte ihnen die umgebende
Finsterniß entgegen, je brünstiger ihre Sehnsucht nach Frieden rang, desto
höher stieg ihr Abscheu vor der Unbußfertigkeit der Welt. Solche Stimmungen
Waren der Boden, in dem der Glaube Wurzel faßte, daß die völlige Abkehr
von dieser Verlornen Welt, die Entsagung alles Irdischen, das einzige Mittel
zur Gewinnung der ewigen Seligkeit sei.
**Kaum hatte daher der h. Benedict diesem Hange der Zeit durch Er¬
richtung des Klosters auf dem Monte Cassino und die Ausstellung einer be¬
sonderen Regel für das klösterliche Leben eine bestimmte Richtung gegeben,
so folgte man allerwärts dem gegebenen Beispiele, durch das ganze Abend¬
land erhoben sich Klöster als Zufluchtsstätten für die. welche den ersehnten
Frieden in der Welt nicht fanden, als Heiligthümer, in deren geweihten
Kreis der Lärm des Lebens nur vou fern und in gedämpften Tönen zu
dringen vermochte. Der ganze Gedanke entsprang so sehr dem eigentlichen
Geiste der Zeit, daß er, obendrein von der Geistlichkeit fleißig genährt, schnell
ZU einem herrschenden wurde. Die Zahl der Klosterbewohner stieg von Jahr
ZU Jahr, Personen aus den höchsten wie aus den untersten Schichten der
bürgerlichen Gesellschaft. Männer wie Frauen, Jünglinge wie Greise empfan¬
den die süßeste Befriedigung in dem demüthigen Stande des Mönches oder
der Nonne, und mehr als ein rauher Krregsmann, der sonst die Klostermauern
nur mit spöttischem Lächeln betrachtet hatte, klopfte miegt selbst Einlaß be¬
gehrend an die Pforte. Wenn das alte Schlachtschwert anfing seinem Arm
SU schwer zu werden und der ergraute Bart an das schwindende Leben mahnte,
da tauchten wol oft Bilder vor seiner Seele auf, ungerufen und doch nicht
wegzubannen: die Dörfer, die er in Aschenhaufen verwandelt, Eide, die er
geschworen und gebrochen, Kirchen, die er beraubt, und Weiber, die er gemi߬
handelt, sie alle traten vor den Spiegel seines Gewissens und riefen nach
Vergeltung. Da legte er in frommer Zerknirschung den Harnisch ab und zog
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