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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Das neue Königreich Ztlilien.

Bei der Eröffnung des neuen Parlaments in Turin hat der preußische
Gesandte gewissermaßen die Ehren der Sitzung gehabt, und der Beifall, den
er davon getragen, wird der preußischen Negierung doch nicht ganz unbequem
sein. Wir stimmen in diesen Beifall auf das Lebhafteste ein. Das Verhalten
Preußens war in diesem Fall so, wie es der Freund des Vaterlandes mir
wünschen konnte. Nur einen Wunsch können wir nicht unterdrücken. Um ihre
Unparteilichkeit zu wahren, pflegt die preußische Regierung, wenn sie ein Zu-
geständniß nach links gemacht, auf ein entsprechendes nach rechts zu sinnen;
möchte sie sich doch diesmal dieser ängstlichen Allseitigfeit entschlagen! Graf
Perporcher geht nach Rom, wahrscheinlich um dem Souverain in xeu'lions,
bei welchem er beglaubigt ist und der gegenwärtig in Rom residirt, seine Hul¬
digungen darzubringen. An sich ist dagegen nichts einzuwenden; nur hat dieser
Souverain. wie wir hören, in den Abruzzen einige lebhafte Parteigänger, mit
denen er vielleicht zu correspondiren wünscht; Graf Perporcher hat die un¬
glückliche Neigung, diese Correspondenz zu vermitteln. Die Geschichte mit der
Loreley mag nun in Frieden ruhn: sie war sehr ernsthaft, als die preußische
Zeitung erklärte, Graf Perporcher habe vollkommen correct gehandelt; der Ernst
hat aber aufgehört, sobald der Minister der auswärtigen Angelegenheiten, der
es doch besser wissen muß als die preußische Zeitung, das'Ganze als ein Miß'
Verständniß bezeichnet, an dem nur die schlechte Telegraphenleitung schuld sei-
Aber nun kein zweites Mißverständniß mehr! Das eine genügt vollkommen,
und diesmal könnte die Sache bedenklicher werden. Denn der Commandant
von Messina war doch etwas Anderes als die Fru-Diavolos der Abruzzen,
und Gaeta war noch immer ein bequemerer Ort der Correspondenz als Rom.
Also einige Aufmerksamkeit auf die Telegraphen, ihr Herrn in Berlin! wenn
wir bitten dürfen.

Noch einmal, wir freuen uns, daß die preußische Regierung begriffen hat,
die Eröffnung des italienischen Parlaments sei ein welthistorischer Act. Viel'
leicht wird die Nachwelt sagen, einer der wichtigsten in der Geschichte.

Wir verkennen die großen Schwierigkeiten nicht, die sich noch immer der
Vollendung des unternommenen Werks in den Weg stellen. Noch immer fehlt
das Centrum des neuen Baus, so lange Rom in den Händen der Gegner ist,
und wie es ihnen entzogen werden soll, ist noch nicht recht zu begreifen. Noch
immer lastet der Alp des französischen Schutzes auf Italien; noch immer muß


Das neue Königreich Ztlilien.

Bei der Eröffnung des neuen Parlaments in Turin hat der preußische
Gesandte gewissermaßen die Ehren der Sitzung gehabt, und der Beifall, den
er davon getragen, wird der preußischen Negierung doch nicht ganz unbequem
sein. Wir stimmen in diesen Beifall auf das Lebhafteste ein. Das Verhalten
Preußens war in diesem Fall so, wie es der Freund des Vaterlandes mir
wünschen konnte. Nur einen Wunsch können wir nicht unterdrücken. Um ihre
Unparteilichkeit zu wahren, pflegt die preußische Regierung, wenn sie ein Zu-
geständniß nach links gemacht, auf ein entsprechendes nach rechts zu sinnen;
möchte sie sich doch diesmal dieser ängstlichen Allseitigfeit entschlagen! Graf
Perporcher geht nach Rom, wahrscheinlich um dem Souverain in xeu'lions,
bei welchem er beglaubigt ist und der gegenwärtig in Rom residirt, seine Hul¬
digungen darzubringen. An sich ist dagegen nichts einzuwenden; nur hat dieser
Souverain. wie wir hören, in den Abruzzen einige lebhafte Parteigänger, mit
denen er vielleicht zu correspondiren wünscht; Graf Perporcher hat die un¬
glückliche Neigung, diese Correspondenz zu vermitteln. Die Geschichte mit der
Loreley mag nun in Frieden ruhn: sie war sehr ernsthaft, als die preußische
Zeitung erklärte, Graf Perporcher habe vollkommen correct gehandelt; der Ernst
hat aber aufgehört, sobald der Minister der auswärtigen Angelegenheiten, der
es doch besser wissen muß als die preußische Zeitung, das'Ganze als ein Miß'
Verständniß bezeichnet, an dem nur die schlechte Telegraphenleitung schuld sei-
Aber nun kein zweites Mißverständniß mehr! Das eine genügt vollkommen,
und diesmal könnte die Sache bedenklicher werden. Denn der Commandant
von Messina war doch etwas Anderes als die Fru-Diavolos der Abruzzen,
und Gaeta war noch immer ein bequemerer Ort der Correspondenz als Rom.
Also einige Aufmerksamkeit auf die Telegraphen, ihr Herrn in Berlin! wenn
wir bitten dürfen.

Noch einmal, wir freuen uns, daß die preußische Regierung begriffen hat,
die Eröffnung des italienischen Parlaments sei ein welthistorischer Act. Viel'
leicht wird die Nachwelt sagen, einer der wichtigsten in der Geschichte.

Wir verkennen die großen Schwierigkeiten nicht, die sich noch immer der
Vollendung des unternommenen Werks in den Weg stellen. Noch immer fehlt
das Centrum des neuen Baus, so lange Rom in den Händen der Gegner ist,
und wie es ihnen entzogen werden soll, ist noch nicht recht zu begreifen. Noch
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[0392] Das neue Königreich Ztlilien. Bei der Eröffnung des neuen Parlaments in Turin hat der preußische Gesandte gewissermaßen die Ehren der Sitzung gehabt, und der Beifall, den er davon getragen, wird der preußischen Negierung doch nicht ganz unbequem sein. Wir stimmen in diesen Beifall auf das Lebhafteste ein. Das Verhalten Preußens war in diesem Fall so, wie es der Freund des Vaterlandes mir wünschen konnte. Nur einen Wunsch können wir nicht unterdrücken. Um ihre Unparteilichkeit zu wahren, pflegt die preußische Regierung, wenn sie ein Zu- geständniß nach links gemacht, auf ein entsprechendes nach rechts zu sinnen; möchte sie sich doch diesmal dieser ängstlichen Allseitigfeit entschlagen! Graf Perporcher geht nach Rom, wahrscheinlich um dem Souverain in xeu'lions, bei welchem er beglaubigt ist und der gegenwärtig in Rom residirt, seine Hul¬ digungen darzubringen. An sich ist dagegen nichts einzuwenden; nur hat dieser Souverain. wie wir hören, in den Abruzzen einige lebhafte Parteigänger, mit denen er vielleicht zu correspondiren wünscht; Graf Perporcher hat die un¬ glückliche Neigung, diese Correspondenz zu vermitteln. Die Geschichte mit der Loreley mag nun in Frieden ruhn: sie war sehr ernsthaft, als die preußische Zeitung erklärte, Graf Perporcher habe vollkommen correct gehandelt; der Ernst hat aber aufgehört, sobald der Minister der auswärtigen Angelegenheiten, der es doch besser wissen muß als die preußische Zeitung, das'Ganze als ein Miß' Verständniß bezeichnet, an dem nur die schlechte Telegraphenleitung schuld sei- Aber nun kein zweites Mißverständniß mehr! Das eine genügt vollkommen, und diesmal könnte die Sache bedenklicher werden. Denn der Commandant von Messina war doch etwas Anderes als die Fru-Diavolos der Abruzzen, und Gaeta war noch immer ein bequemerer Ort der Correspondenz als Rom. Also einige Aufmerksamkeit auf die Telegraphen, ihr Herrn in Berlin! wenn wir bitten dürfen. Noch einmal, wir freuen uns, daß die preußische Regierung begriffen hat, die Eröffnung des italienischen Parlaments sei ein welthistorischer Act. Viel' leicht wird die Nachwelt sagen, einer der wichtigsten in der Geschichte. Wir verkennen die großen Schwierigkeiten nicht, die sich noch immer der Vollendung des unternommenen Werks in den Weg stellen. Noch immer fehlt das Centrum des neuen Baus, so lange Rom in den Händen der Gegner ist, und wie es ihnen entzogen werden soll, ist noch nicht recht zu begreifen. Noch immer lastet der Alp des französischen Schutzes auf Italien; noch immer muß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/392>, abgerufen am 15.01.2025.