Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.tutionalismus begrüßt, sein Rundschreiben zu Innsbruck, Hall und Botzen, tutionalismus begrüßt, sein Rundschreiben zu Innsbruck, Hall und Botzen, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0390" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111284"/> <p xml:id="ID_1304" prev="#ID_1303" next="#ID_1305"> tutionalismus begrüßt, sein Rundschreiben zu Innsbruck, Hall und Botzen,<lb/> wo die Freude leider durch plumpes Zutappen eines Magistratsrathes gestört<lb/> wurde, durch freiwillige Beleuchtung und Fakelzügc gefeiert. Seit langer Zeit<lb/> war kein Fest so froh begangen, seit Langen, dem Kaiser kein so aufrichtiges<lb/> Hoch gebracht worden, wie diesesmal. Der Jubel war der Ausdruck der Zu¬<lb/> stimmung zu den Grundsätzen, welche Schmerling in dem Rundschreiben nieder¬<lb/> gelegt; man erwartet von seiner Ehrenhaftigkeit, daß er sich durch Camarilla<lb/> und Klerus kein Haarbreit davon abdrängen lasse. Sein Wiedereintritt in<lb/> das Amt bezeichnete für Tirol zugleich den Augenblick eines wieder erwachen¬<lb/> den politischen Lebens. Dieses gab sich zunächst bei der Bewegung, welche<lb/> die Neuwahlen des Gemeindeausschusses hervorriefen, kund. Es thut noth,<lb/> hier die Parteien, welche auf die Zukunft des Landes Einfluß zu gewinnen<lb/> trachten, kurz zu charakterisiren. Am mächtigsten, wenn auch nicht am zahl¬<lb/> reichsten, weil sich Viele nur des Vortheiles wegen zum Schein anhängten,<lb/> waren bisher die Ultramontanen. Ihre Tendenzen brauchen wir nicht näher<lb/> auseinander zu setzen: Der Staat und das Individuum sollen nur hierarchischen<lb/> Zwecken, die oft sehr weltlicher Natur sind, dienen; ständische Privilegien<lb/> und Ausschließung Andersgläubiger sind ihre Parole. In Südtirol ist ihr<lb/> rührigster Klopffechter ein gewisser Dipauli, welcher die Welt von Zeit zu<lb/> Zeit durch ergötzliche Broschüren belehrt. In Nordtirol reihte sie sich um den<lb/> aus Baiern importirten Baron Moi, einen Gesinnungsgenossen Abels. Sein<lb/> Organ ist das Innsbrucker Tageblatt, welches nach Form und Inhalt<lb/> dem Wiener „Volksfreunde" und „Vaterlande" an die Seite tritt. Jetzt<lb/> hat ihn seine Partei verlassen; er duftete ihr zu sehr von Parfüm des<lb/> Salons und war auch nicht ohne Bildung; an seine Stelle trat der Pfarrer<lb/> von Se. Nikolaus, der mit seinem Fanatismus wie mit einer Stange in<lb/> den Nebel führt, und dessen Reden den spezifischen Kirchengeruch ver¬<lb/> breiten, welcher unsere Klerikalen so entzückt. Die zweite Partei zählt<lb/> viele sehr ehrenwerthe Männer, die entweder in ihrem politischen Denken<lb/> das letzte Wort noch nicht gefunden haben, oder es nicht auszusprechen<lb/> wagen, weil es ihnen zu früh scheint. An diese schließt sich wie bei jeder<lb/> Partei, welche über einigen Einfluß verfügt, noch eine Menge Leute der ver¬<lb/> schiedensten Art, welche weder Fisch noch Fleisch sind, in neuester Zeit be¬<lb/> sonders aus dem Beamtenstande. Im Ganzen genommen steht sie den<lb/> Ultramontanen viel naher, als den Liberalen. Sie hält noch am ständischen<lb/> Principe fest und wäre zufrieden, wenn Bürger und Bauern auf dem Land¬<lb/> tage eine größere Stimmenzahl erhielten. Als ihr Organ kann die „Schützen'<lb/> zeitung" gelten, ein Blatt, welches seine günstige Aufnahme zunächst den<lb/> „Tirolischen Gedanken" von Johannes Schuler verdankt, der jedoch vor zwei<lb/> Jahren starb. Jetzt verhält sich dieses Blatt bei den wichtigsten Landes-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0390]
tutionalismus begrüßt, sein Rundschreiben zu Innsbruck, Hall und Botzen,
wo die Freude leider durch plumpes Zutappen eines Magistratsrathes gestört
wurde, durch freiwillige Beleuchtung und Fakelzügc gefeiert. Seit langer Zeit
war kein Fest so froh begangen, seit Langen, dem Kaiser kein so aufrichtiges
Hoch gebracht worden, wie diesesmal. Der Jubel war der Ausdruck der Zu¬
stimmung zu den Grundsätzen, welche Schmerling in dem Rundschreiben nieder¬
gelegt; man erwartet von seiner Ehrenhaftigkeit, daß er sich durch Camarilla
und Klerus kein Haarbreit davon abdrängen lasse. Sein Wiedereintritt in
das Amt bezeichnete für Tirol zugleich den Augenblick eines wieder erwachen¬
den politischen Lebens. Dieses gab sich zunächst bei der Bewegung, welche
die Neuwahlen des Gemeindeausschusses hervorriefen, kund. Es thut noth,
hier die Parteien, welche auf die Zukunft des Landes Einfluß zu gewinnen
trachten, kurz zu charakterisiren. Am mächtigsten, wenn auch nicht am zahl¬
reichsten, weil sich Viele nur des Vortheiles wegen zum Schein anhängten,
waren bisher die Ultramontanen. Ihre Tendenzen brauchen wir nicht näher
auseinander zu setzen: Der Staat und das Individuum sollen nur hierarchischen
Zwecken, die oft sehr weltlicher Natur sind, dienen; ständische Privilegien
und Ausschließung Andersgläubiger sind ihre Parole. In Südtirol ist ihr
rührigster Klopffechter ein gewisser Dipauli, welcher die Welt von Zeit zu
Zeit durch ergötzliche Broschüren belehrt. In Nordtirol reihte sie sich um den
aus Baiern importirten Baron Moi, einen Gesinnungsgenossen Abels. Sein
Organ ist das Innsbrucker Tageblatt, welches nach Form und Inhalt
dem Wiener „Volksfreunde" und „Vaterlande" an die Seite tritt. Jetzt
hat ihn seine Partei verlassen; er duftete ihr zu sehr von Parfüm des
Salons und war auch nicht ohne Bildung; an seine Stelle trat der Pfarrer
von Se. Nikolaus, der mit seinem Fanatismus wie mit einer Stange in
den Nebel führt, und dessen Reden den spezifischen Kirchengeruch ver¬
breiten, welcher unsere Klerikalen so entzückt. Die zweite Partei zählt
viele sehr ehrenwerthe Männer, die entweder in ihrem politischen Denken
das letzte Wort noch nicht gefunden haben, oder es nicht auszusprechen
wagen, weil es ihnen zu früh scheint. An diese schließt sich wie bei jeder
Partei, welche über einigen Einfluß verfügt, noch eine Menge Leute der ver¬
schiedensten Art, welche weder Fisch noch Fleisch sind, in neuester Zeit be¬
sonders aus dem Beamtenstande. Im Ganzen genommen steht sie den
Ultramontanen viel naher, als den Liberalen. Sie hält noch am ständischen
Principe fest und wäre zufrieden, wenn Bürger und Bauern auf dem Land¬
tage eine größere Stimmenzahl erhielten. Als ihr Organ kann die „Schützen'
zeitung" gelten, ein Blatt, welches seine günstige Aufnahme zunächst den
„Tirolischen Gedanken" von Johannes Schuler verdankt, der jedoch vor zwei
Jahren starb. Jetzt verhält sich dieses Blatt bei den wichtigsten Landes-
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