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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Artikel in der Augsburger Allgemeinen Zeitung -- selbst diese war nicht östrei¬
chisch genug! -- amtlich befragt, und so schickte die Statthalterei zu Innsbruck
sogar einen Beamten in das Ausland, welcher sich bei gewissen Redactionen
erkundigen sollte, wer diesen oder jenen Aufsatz eingesendet habe.

Schließlich wurde man durch das Concordat überrascht. Als ob es nicht
genug wär".-, daß die gegenwärtige Generation durch den Druck entmannt und
verdorben würde, sollte auch noch die Jugend in der Schule dem Klerus zu
völliger Knechtung ausgeliefert und die friedlichen Verhältnisse der Familie,
der einzige Hort, welcher manchem wackern Manne noch geblieben war, durch
die Herrschsucht bigotter Priester verwirrt werden. Nicht einmal im ultramon¬
tanen Tirol hatte man von diesem Staatsact einen Gewinn. Die Gebildeten
nahmen ihn mit verbissener Entrüstung auf, dem gemeinen Volke, welches längst
dazu dressirt war, das Joch der Geistlichkeit als heilig zu tragen, war er gleich-
giltig. Zunächst wurde nun der Lehrerstand der niedern und höhern Schulen
in eine noch tiefere Abhängigkeit von Pfarrer und Bischof gestoßen und was das
heißen wollte, mögen einige Beispiele zeigen. Zu Feldkirch predigte ein Jesuit
vor den Schülern des Obergymnasiums: "Humboldt habe den Herrgott nir¬
gends angetroffen, so wenig ihn die milchgebender Thiere antreffen, welche
auch Kräuter sammeln und recht gut botanisiren. Der Unterschied zwischen
ihm und einer Kuh bestehe zuletzt nur darin, daß diese den Menschen durch
ihre Milch nütze, jener sie durch seine Bücher verderbt." -- An einem Ordens¬
gymnasium in Südtirol gab der Professor folgende Einleitung zu Göthes
Iphigenie: "Eigentlich weiß ich gar nicht, was die Leute Schönes daran fin¬
den; die ganze Geschichte läuft halt am Ende darauf hinaus, daß der Thoas
die Iphigenie gern gehabt hätte und sie wollte ihn nicht. Ist denn das etwas
so Schönes?" An einem dritten Gymnasium wurde den Schülern bedeutet:
"Göthe und Schiller sind eigentlich mittelmäßige Köpfe; denn der heilige Geist
hat sie nicht erleuchtet." Die Tendenz der klerikalen Partei ist leicht aus
den Worten des Kardinals Rauscher, welche er einem Staatsmann sagte, zu
entnehmen: "Die Sünde der Zeit ist, daß man zu viel lernt!" Welches wird
nun das Resultat einer Erziehung auf solcher Grundlage sei"? Ein freier männ¬
licher Sinn und ächte Religiosität gewiß nicht, sondern Kriecherei und Heuche¬
lei wie überall, wo sich Hierarchie und Polizei verbinden. Besonders ,geni
rühmt man sich der Universitäten und ihrer neuen Einrichtung durch zahlreiche
Berufungen. Nur Schade, daß die von den Berufenen, deren Name jeder An¬
stalt zur Zierde gereicht hätte, bereits wieder den Abschied nahmen. W"s
zmückblieb, sind großentheils Leute, welche ihre Lehrkanzel nur der Protection
verdanken. An der Hochschule zu Innsbruck haben nur Ficker und Hlasiwecz
einen Namen, die anderen müssen sich ihre Sporen erst noch verdienen. Ode>
genügt es, wenn Herr Zingerle ein paar Bände Tirolcrsagen drucken läßt? Wenn


Artikel in der Augsburger Allgemeinen Zeitung — selbst diese war nicht östrei¬
chisch genug! — amtlich befragt, und so schickte die Statthalterei zu Innsbruck
sogar einen Beamten in das Ausland, welcher sich bei gewissen Redactionen
erkundigen sollte, wer diesen oder jenen Aufsatz eingesendet habe.

Schließlich wurde man durch das Concordat überrascht. Als ob es nicht
genug wär«.-, daß die gegenwärtige Generation durch den Druck entmannt und
verdorben würde, sollte auch noch die Jugend in der Schule dem Klerus zu
völliger Knechtung ausgeliefert und die friedlichen Verhältnisse der Familie,
der einzige Hort, welcher manchem wackern Manne noch geblieben war, durch
die Herrschsucht bigotter Priester verwirrt werden. Nicht einmal im ultramon¬
tanen Tirol hatte man von diesem Staatsact einen Gewinn. Die Gebildeten
nahmen ihn mit verbissener Entrüstung auf, dem gemeinen Volke, welches längst
dazu dressirt war, das Joch der Geistlichkeit als heilig zu tragen, war er gleich-
giltig. Zunächst wurde nun der Lehrerstand der niedern und höhern Schulen
in eine noch tiefere Abhängigkeit von Pfarrer und Bischof gestoßen und was das
heißen wollte, mögen einige Beispiele zeigen. Zu Feldkirch predigte ein Jesuit
vor den Schülern des Obergymnasiums: „Humboldt habe den Herrgott nir¬
gends angetroffen, so wenig ihn die milchgebender Thiere antreffen, welche
auch Kräuter sammeln und recht gut botanisiren. Der Unterschied zwischen
ihm und einer Kuh bestehe zuletzt nur darin, daß diese den Menschen durch
ihre Milch nütze, jener sie durch seine Bücher verderbt." — An einem Ordens¬
gymnasium in Südtirol gab der Professor folgende Einleitung zu Göthes
Iphigenie: „Eigentlich weiß ich gar nicht, was die Leute Schönes daran fin¬
den; die ganze Geschichte läuft halt am Ende darauf hinaus, daß der Thoas
die Iphigenie gern gehabt hätte und sie wollte ihn nicht. Ist denn das etwas
so Schönes?" An einem dritten Gymnasium wurde den Schülern bedeutet:
„Göthe und Schiller sind eigentlich mittelmäßige Köpfe; denn der heilige Geist
hat sie nicht erleuchtet." Die Tendenz der klerikalen Partei ist leicht aus
den Worten des Kardinals Rauscher, welche er einem Staatsmann sagte, zu
entnehmen: „Die Sünde der Zeit ist, daß man zu viel lernt!" Welches wird
nun das Resultat einer Erziehung auf solcher Grundlage sei»? Ein freier männ¬
licher Sinn und ächte Religiosität gewiß nicht, sondern Kriecherei und Heuche¬
lei wie überall, wo sich Hierarchie und Polizei verbinden. Besonders ,geni
rühmt man sich der Universitäten und ihrer neuen Einrichtung durch zahlreiche
Berufungen. Nur Schade, daß die von den Berufenen, deren Name jeder An¬
stalt zur Zierde gereicht hätte, bereits wieder den Abschied nahmen. W"s
zmückblieb, sind großentheils Leute, welche ihre Lehrkanzel nur der Protection
verdanken. An der Hochschule zu Innsbruck haben nur Ficker und Hlasiwecz
einen Namen, die anderen müssen sich ihre Sporen erst noch verdienen. Ode>
genügt es, wenn Herr Zingerle ein paar Bände Tirolcrsagen drucken läßt? Wenn


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[0386] Artikel in der Augsburger Allgemeinen Zeitung — selbst diese war nicht östrei¬ chisch genug! — amtlich befragt, und so schickte die Statthalterei zu Innsbruck sogar einen Beamten in das Ausland, welcher sich bei gewissen Redactionen erkundigen sollte, wer diesen oder jenen Aufsatz eingesendet habe. Schließlich wurde man durch das Concordat überrascht. Als ob es nicht genug wär«.-, daß die gegenwärtige Generation durch den Druck entmannt und verdorben würde, sollte auch noch die Jugend in der Schule dem Klerus zu völliger Knechtung ausgeliefert und die friedlichen Verhältnisse der Familie, der einzige Hort, welcher manchem wackern Manne noch geblieben war, durch die Herrschsucht bigotter Priester verwirrt werden. Nicht einmal im ultramon¬ tanen Tirol hatte man von diesem Staatsact einen Gewinn. Die Gebildeten nahmen ihn mit verbissener Entrüstung auf, dem gemeinen Volke, welches längst dazu dressirt war, das Joch der Geistlichkeit als heilig zu tragen, war er gleich- giltig. Zunächst wurde nun der Lehrerstand der niedern und höhern Schulen in eine noch tiefere Abhängigkeit von Pfarrer und Bischof gestoßen und was das heißen wollte, mögen einige Beispiele zeigen. Zu Feldkirch predigte ein Jesuit vor den Schülern des Obergymnasiums: „Humboldt habe den Herrgott nir¬ gends angetroffen, so wenig ihn die milchgebender Thiere antreffen, welche auch Kräuter sammeln und recht gut botanisiren. Der Unterschied zwischen ihm und einer Kuh bestehe zuletzt nur darin, daß diese den Menschen durch ihre Milch nütze, jener sie durch seine Bücher verderbt." — An einem Ordens¬ gymnasium in Südtirol gab der Professor folgende Einleitung zu Göthes Iphigenie: „Eigentlich weiß ich gar nicht, was die Leute Schönes daran fin¬ den; die ganze Geschichte läuft halt am Ende darauf hinaus, daß der Thoas die Iphigenie gern gehabt hätte und sie wollte ihn nicht. Ist denn das etwas so Schönes?" An einem dritten Gymnasium wurde den Schülern bedeutet: „Göthe und Schiller sind eigentlich mittelmäßige Köpfe; denn der heilige Geist hat sie nicht erleuchtet." Die Tendenz der klerikalen Partei ist leicht aus den Worten des Kardinals Rauscher, welche er einem Staatsmann sagte, zu entnehmen: „Die Sünde der Zeit ist, daß man zu viel lernt!" Welches wird nun das Resultat einer Erziehung auf solcher Grundlage sei»? Ein freier männ¬ licher Sinn und ächte Religiosität gewiß nicht, sondern Kriecherei und Heuche¬ lei wie überall, wo sich Hierarchie und Polizei verbinden. Besonders ,geni rühmt man sich der Universitäten und ihrer neuen Einrichtung durch zahlreiche Berufungen. Nur Schade, daß die von den Berufenen, deren Name jeder An¬ stalt zur Zierde gereicht hätte, bereits wieder den Abschied nahmen. W"s zmückblieb, sind großentheils Leute, welche ihre Lehrkanzel nur der Protection verdanken. An der Hochschule zu Innsbruck haben nur Ficker und Hlasiwecz einen Namen, die anderen müssen sich ihre Sporen erst noch verdienen. Ode> genügt es, wenn Herr Zingerle ein paar Bände Tirolcrsagen drucken läßt? Wenn

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/386>, abgerufen am 16.01.2025.