Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.gewisser Stelle so laut und oft als Schirm und Schild Deutschlands preist, Einen zweiten Grund des Mißvergnügens gab die Ergänzung des Landes¬ 47*
gewisser Stelle so laut und oft als Schirm und Schild Deutschlands preist, Einen zweiten Grund des Mißvergnügens gab die Ergänzung des Landes¬ 47*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0381" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111275"/> <p xml:id="ID_1289" prev="#ID_1288"> gewisser Stelle so laut und oft als Schirm und Schild Deutschlands preist,<lb/> gethan, hier das so wichtige deutsche Element zu kräftigen? Hat sie den Ueber¬<lb/> griffen des wälschen Klerus und der mit ihm verbundenen Schule einen Damm<lb/> entgegengesetzt? War sie darauf bedacht, in ihrer amtlichen Praxis bei den<lb/> Gerichten italienischen Gelüsten eine Schranke zu ziehen? Nichts von alledem<lb/> ist geschehen, und wenn Tirol noch nicht bis an den Brenner romanisirt ist,<lb/> so hat sich die östreichische Regierung von allen Betheiligten am wenigsten<lb/> das Verdienst davon zuzuschreiben. Hätten wir eine deutsche Centralgewalt,<lb/> so würden wir von ihr verlangen, daß sie ein Halt gebiete, damit sich<lb/> nicht zur Schande an der Eider die Schmach an der Etsch geselle.</p><lb/> <p xml:id="ID_1290" next="#ID_1291"> Einen zweiten Grund des Mißvergnügens gab die Ergänzung des Landes¬<lb/> jägerregiments. Von Jahr zu Jahr wurde das Contingent gesteigert, während<lb/> zugleich der Anspruch auf die Grenzvertheidigung durch die Schützen fortbestand,<lb/> und statt daß das Regiment, wie es ursprünglich festgestellt war, in Tirol zur<lb/> Verwendung kam, zersplitterte man es bataillonsweise durch die ganze Mo¬<lb/> narchie. Unter den tiroler Bauern, so tapfer sie Haus und Hof gegen jeden<lb/> Angriff vertheidigen, herrscht eine entschiedene Abneigung gegen den Gamaschen¬<lb/> dienst, und wenn einen jungen Mann das Loos zum Militär trifft, trauert die ganze<lb/> Familie mit ihm. Besaß diese Geld genug, um sich einen Ersatzmann zu<lb/> kaufen, so wurde oft der letzte Kreuzer aufgewendet. Als Ersatzmänner boten<lb/> sich meist arme Jünglinge, welche die erhaltene Summe hinterlegten und<lb/> uach vollbrachter Dienstzeit sich damit einen häuslichen Heerd gründeten. Die<lb/> Regierung wußte auch hier für sich eine Finanzquelle anzubohren. Sie nahm<lb/> das Geschäft in ihre Hand, und stellte gegen Erlag einer gewissen Summe<lb/> selbst den Ersatzmann. Dadurch wurden die Reichen frei, und die Armen<lb/> hatten vom Dienst in der Regel keinen Vortheil. Wir lassen es dahin ge¬<lb/> stellt, ob das Geschäft so unredlich betrieben wurde, wie das Volk behauptet,<lb/> und bemerken nur als gewiß, daß dadurch viele hunderttausend Gulden aus<lb/> dem Lande gingen. Große Klagen verursachte ferner die Verwendung des<lb/> Approvisionirungsfonds.- Dieser war von den Ständen Tirols zur Verprovian-<lb/> tirung des Landes angelegt worden und erhielt seinen Zufluß durch einen<lb/> Zuschlag zum Zoll, welcher für die aus Baiern eingeführten Cerealien zu er¬<lb/> legen war. Die Verwendung dieses Fonds hing von der Zustimmung der<lb/> Stände ab. Nachdem die Bach'sche Nivellirung diese mir nichts, dir nichts<lb/> weggeschwemmt hatte, wurde der Zuschlag doch forterhoben und in der will¬<lb/> kürlichsten Weise verwendet, mögen auch die Zwecke an und für sich gut ge¬<lb/> wesen sein. So wurde zu Innsbruck die Anlegung einer neuen Straße aus<lb/> dem Approvisionirungsfond decretirt. — Was soll man endlich zu jener Ver¬<lb/> ordnung sagen, der zufolge Vormünder die Gelder ihrer Pupillen in östrei¬<lb/> chischen Staatspapieren anlegen müssen? Durch das Sinken derselben sind</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 47*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0381]
gewisser Stelle so laut und oft als Schirm und Schild Deutschlands preist,
gethan, hier das so wichtige deutsche Element zu kräftigen? Hat sie den Ueber¬
griffen des wälschen Klerus und der mit ihm verbundenen Schule einen Damm
entgegengesetzt? War sie darauf bedacht, in ihrer amtlichen Praxis bei den
Gerichten italienischen Gelüsten eine Schranke zu ziehen? Nichts von alledem
ist geschehen, und wenn Tirol noch nicht bis an den Brenner romanisirt ist,
so hat sich die östreichische Regierung von allen Betheiligten am wenigsten
das Verdienst davon zuzuschreiben. Hätten wir eine deutsche Centralgewalt,
so würden wir von ihr verlangen, daß sie ein Halt gebiete, damit sich
nicht zur Schande an der Eider die Schmach an der Etsch geselle.
Einen zweiten Grund des Mißvergnügens gab die Ergänzung des Landes¬
jägerregiments. Von Jahr zu Jahr wurde das Contingent gesteigert, während
zugleich der Anspruch auf die Grenzvertheidigung durch die Schützen fortbestand,
und statt daß das Regiment, wie es ursprünglich festgestellt war, in Tirol zur
Verwendung kam, zersplitterte man es bataillonsweise durch die ganze Mo¬
narchie. Unter den tiroler Bauern, so tapfer sie Haus und Hof gegen jeden
Angriff vertheidigen, herrscht eine entschiedene Abneigung gegen den Gamaschen¬
dienst, und wenn einen jungen Mann das Loos zum Militär trifft, trauert die ganze
Familie mit ihm. Besaß diese Geld genug, um sich einen Ersatzmann zu
kaufen, so wurde oft der letzte Kreuzer aufgewendet. Als Ersatzmänner boten
sich meist arme Jünglinge, welche die erhaltene Summe hinterlegten und
uach vollbrachter Dienstzeit sich damit einen häuslichen Heerd gründeten. Die
Regierung wußte auch hier für sich eine Finanzquelle anzubohren. Sie nahm
das Geschäft in ihre Hand, und stellte gegen Erlag einer gewissen Summe
selbst den Ersatzmann. Dadurch wurden die Reichen frei, und die Armen
hatten vom Dienst in der Regel keinen Vortheil. Wir lassen es dahin ge¬
stellt, ob das Geschäft so unredlich betrieben wurde, wie das Volk behauptet,
und bemerken nur als gewiß, daß dadurch viele hunderttausend Gulden aus
dem Lande gingen. Große Klagen verursachte ferner die Verwendung des
Approvisionirungsfonds.- Dieser war von den Ständen Tirols zur Verprovian-
tirung des Landes angelegt worden und erhielt seinen Zufluß durch einen
Zuschlag zum Zoll, welcher für die aus Baiern eingeführten Cerealien zu er¬
legen war. Die Verwendung dieses Fonds hing von der Zustimmung der
Stände ab. Nachdem die Bach'sche Nivellirung diese mir nichts, dir nichts
weggeschwemmt hatte, wurde der Zuschlag doch forterhoben und in der will¬
kürlichsten Weise verwendet, mögen auch die Zwecke an und für sich gut ge¬
wesen sein. So wurde zu Innsbruck die Anlegung einer neuen Straße aus
dem Approvisionirungsfond decretirt. — Was soll man endlich zu jener Ver¬
ordnung sagen, der zufolge Vormünder die Gelder ihrer Pupillen in östrei¬
chischen Staatspapieren anlegen müssen? Durch das Sinken derselben sind
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