Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.würde nur ein gemilderter Verlust sein, der einem vollständigen in den Augen würde nur ein gemilderter Verlust sein, der einem vollständigen in den Augen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0376" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111270"/> <p xml:id="ID_1280" prev="#ID_1279" next="#ID_1281"> würde nur ein gemilderter Verlust sein, der einem vollständigen in den Augen<lb/> der päpstlichen Regierung gleichsteht. Was in den Marken vorgeht, ist ein<lb/> Raub, gestützt auf die Revolution; der Papst kann sein Recht einer so unge¬<lb/> rechten Sache gegenüber nicht aufgeben, geschweige denn solche Regierungen<lb/> anerkennen, welche sich in ihrem revolutionären Werke sogar auf die pro¬<lb/> testantische Propaganda stützen! Alle Unterhandlungen können erst anfangen,<lb/> wenn die aufständischen Provinzen sich einfach unterworfen haben; bis da¬<lb/> hin wird der Papst sich, was Reformen betrifft, auf Versprechungen be¬<lb/> schränken, er wird nichts, gar nichts thun. Der Staatssecretär weist die<lb/> Anspielung Grammonts auf den Vertrag von Tolentino zurück; damals habe<lb/> der Papst selbst am Kriege Theil genommen und sich dessen Folgen unterwer¬<lb/> fen müssen, er habe die Legationen abgetreten, wie Oestreich jetzt die Lom¬<lb/> bardei verloren. Der Botschafter antwortet, daraus scheine zu folgen, daß,<lb/> wenn der König von Sardinien dem Papst den Krieg erklärt, das Gewissen<lb/> Sr. Heiligkeit frei gewesen sein würde, die Provinz abzutreten, worauf An-<lb/> tonelli erwidert, ein solcher Krieg hätte legitim sein müssen. — Der Raum<lb/> verstattet nicht die ganze Unterhaltung hier wiederzugeben, die höchst merk¬<lb/> würdig ist; unwillkürlich erinnert die Rolle, die der Cardinal dabei einnimmt,<lb/> an das Wort eines andern französischen Botschafters in Rom, dessen Katholicis¬<lb/> mus nicht verdächtig sein wird. Chateaubriands über den Cardinal Bernetti:<lb/> „Dieser Mann der Geschäfte und Vergnügungen verlangt von andern einen<lb/> Fanatismus, den er selbst nicht hat." — Während die römische Curie die<lb/> Mächte des Himmels anruft, ist sie doch vor Allem auf irdische Mittel bedacht,<lb/> um sich aufs Aeußerste zu vertheidigen; die Sammlungen in der katholische»<lb/> Welt werden mit größter Lebhaftigkeit betrieben, die besten Kräfte gesucht, um<lb/> die päpstliche Armee zu reorganisiren und die verhaßte, aber bis dahin unent¬<lb/> behrliche französische Besatzung unnöthig zu machen. Der Kaiser, der die letztere<lb/> schon länger als eine Verlegenheit fühlte, ging gerne auf Verhandlungen über<lb/> den Abzug seiner Truppen aus Rom ein. Am 23. März richtet Thouvenel ein<lb/> Telegramm an seinen Gesandten in Neapel, daß der Papst Rom mit seinen<lb/> eignen Truppen besetzen will, wenn der König Franz Garnison in Ancona<lb/> und den Marken zu halten verspricht; der König lehnt ab, weil er seine Streitkräfte<lb/> nicht theilen dürfe. Es folgen nun die Verhandlungen mit Lamonciöre, die<lb/> mit dessen Ernennung zum Befehlshaber der päpstlichen Truppen enden, aber<lb/> der Kaiser Napoleon gibt erst die Erlaubniß hierzu, als die erste Ernennung,<lb/> die vor seiner Genehmigung vollzogen ist, cassirt wi,rd. Um den General<lb/> schaaren sich die französischen Legitimisten, namentlich aus der Bretagne und<lb/> Lyonnais, der Empfang derselben beim heiligen Vater wird zu dynastischen<lb/> Demonstrationen ausgebeutet, einem dieser Kreuzritter, dem die Sache zu weit<lb/> geht, wird die heftige Antwort: „man ist Unterthan des Papstes, bevor man</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0376]
würde nur ein gemilderter Verlust sein, der einem vollständigen in den Augen
der päpstlichen Regierung gleichsteht. Was in den Marken vorgeht, ist ein
Raub, gestützt auf die Revolution; der Papst kann sein Recht einer so unge¬
rechten Sache gegenüber nicht aufgeben, geschweige denn solche Regierungen
anerkennen, welche sich in ihrem revolutionären Werke sogar auf die pro¬
testantische Propaganda stützen! Alle Unterhandlungen können erst anfangen,
wenn die aufständischen Provinzen sich einfach unterworfen haben; bis da¬
hin wird der Papst sich, was Reformen betrifft, auf Versprechungen be¬
schränken, er wird nichts, gar nichts thun. Der Staatssecretär weist die
Anspielung Grammonts auf den Vertrag von Tolentino zurück; damals habe
der Papst selbst am Kriege Theil genommen und sich dessen Folgen unterwer¬
fen müssen, er habe die Legationen abgetreten, wie Oestreich jetzt die Lom¬
bardei verloren. Der Botschafter antwortet, daraus scheine zu folgen, daß,
wenn der König von Sardinien dem Papst den Krieg erklärt, das Gewissen
Sr. Heiligkeit frei gewesen sein würde, die Provinz abzutreten, worauf An-
tonelli erwidert, ein solcher Krieg hätte legitim sein müssen. — Der Raum
verstattet nicht die ganze Unterhaltung hier wiederzugeben, die höchst merk¬
würdig ist; unwillkürlich erinnert die Rolle, die der Cardinal dabei einnimmt,
an das Wort eines andern französischen Botschafters in Rom, dessen Katholicis¬
mus nicht verdächtig sein wird. Chateaubriands über den Cardinal Bernetti:
„Dieser Mann der Geschäfte und Vergnügungen verlangt von andern einen
Fanatismus, den er selbst nicht hat." — Während die römische Curie die
Mächte des Himmels anruft, ist sie doch vor Allem auf irdische Mittel bedacht,
um sich aufs Aeußerste zu vertheidigen; die Sammlungen in der katholische»
Welt werden mit größter Lebhaftigkeit betrieben, die besten Kräfte gesucht, um
die päpstliche Armee zu reorganisiren und die verhaßte, aber bis dahin unent¬
behrliche französische Besatzung unnöthig zu machen. Der Kaiser, der die letztere
schon länger als eine Verlegenheit fühlte, ging gerne auf Verhandlungen über
den Abzug seiner Truppen aus Rom ein. Am 23. März richtet Thouvenel ein
Telegramm an seinen Gesandten in Neapel, daß der Papst Rom mit seinen
eignen Truppen besetzen will, wenn der König Franz Garnison in Ancona
und den Marken zu halten verspricht; der König lehnt ab, weil er seine Streitkräfte
nicht theilen dürfe. Es folgen nun die Verhandlungen mit Lamonciöre, die
mit dessen Ernennung zum Befehlshaber der päpstlichen Truppen enden, aber
der Kaiser Napoleon gibt erst die Erlaubniß hierzu, als die erste Ernennung,
die vor seiner Genehmigung vollzogen ist, cassirt wi,rd. Um den General
schaaren sich die französischen Legitimisten, namentlich aus der Bretagne und
Lyonnais, der Empfang derselben beim heiligen Vater wird zu dynastischen
Demonstrationen ausgebeutet, einem dieser Kreuzritter, dem die Sache zu weit
geht, wird die heftige Antwort: „man ist Unterthan des Papstes, bevor man
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