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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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An sich ist der Gedanke, die deutsche Einheit nicht durch innern Streit,
sondern durch gemeinsame Erhebung gegen das Ausland zu erwerben, ein
sehr glücklicher. Und unter allen Angelegenheiten, in der sich diese Einheit
entfalten könnte, ist keine eines subjectiven Erfolgs so gewiß als die Schles-
wig-holsteinische: wie sehr auch sonst die Meinungen und Sympathien aus
einandergehn, in dieser Sache schlägt jedes deutsche Herz mit gleicher Stärke,
Könnten wir darauf rechnen, vier oder sechs Wochen nach der Kriegserklärung
oder allenfalls auch ein Vierteljahr danach, Kopenhagen zu bomvardircn, die
Dänen zum Frieden zu zwingen und ihnen die beiden Herzogthümer zu neh¬
men, so wären wir damit ohne weitere Umstände eine Nation, und das an¬
dere würde sich von selbst finde".

Wie das aber geschehen soll -- wenn nicht etwa unsere Truppen mit
dem Gewehr im Munde nach Seeland schwimmen -- ist uns völlig unklar.
Denn wohlgemerkt, es handelt sich hier um einen schnellen Erfolg; um einen
Erfolg, der den Großmächten eine vollendete Thatsache entgegenstellt. Der
Plan, die Dänen auszuhungern durch Besetzung der ganzen cimbrischen Halbinsel,
läßt sich nicht durchführen. Wir reden nicht von dem Schaden, den die Dänen uns
zufügen können, wir können es jedenfalls länger aushalten; aber leider haben
wir in dieser Sache alle Großmächte gegen uns, eine Intervention von
Frankreich, vielleicht auch von Rußland wäre unvermeidlich, und die nächste
sichere Folge wäre die, daß wir unsere Truppen aus der Halbinsel wieder
zurückziehen müßten.

War es ernstlich Preußens Absicht die Schleswig-holsteinische Sache jetzt
zum Austrag zu bringen, so mußte es sich vorher 1) eine Flotte verschaffen, die
der dänischen gewachsen war. Da aber kein Staat über sein Vermögen hinaus
kann, so mußte diese Ausgabe durch eine anderweitige Ersparnis; gutgemacht
werden. Wie man in Militärsachen sparen kann, darüber hat ein kundiger
Militär in diesen Blättern sein Gutachten gegeben. Statt dessen' ist man
daran, das Militärbudget in ungeheurem Maaßstabe zu erhöhen. 2) hätte man
ein Bündniß mit England schließen müssen, um eine maritnne Intervention Frank¬
reichs zu verhindern. Die Engländer sind Kaufleute, sie verschenken nichts; was
man von ihnen haben will, muß man ihnen abkaufen. Es ist für die Engländer
bequemer, daß Kiel in dänischen Händen als in deutschen ist. Sollen sie es
zulassen oder gar befördern, daß es in deutsche Hände übergeht, so müssen sie
wissen, wofür? Ehe wir nicht einen Kaufpreis gesunden haben, den wir ihnen
bieten können, ist aus ihre Hilfe nicht zu rechnen, und die Voraussetzung, daß
ihre Hilfe uns nicht fehlen wird, sobald wir einmal engagirt sind, ist mehr
als kühn.

Wenn also im gegenwärtigen Augenblick die gange legitimistische Parte"
eine bei ihr bisher unerhörte Theilnahme sür die Sache der Herzogthümer


An sich ist der Gedanke, die deutsche Einheit nicht durch innern Streit,
sondern durch gemeinsame Erhebung gegen das Ausland zu erwerben, ein
sehr glücklicher. Und unter allen Angelegenheiten, in der sich diese Einheit
entfalten könnte, ist keine eines subjectiven Erfolgs so gewiß als die Schles-
wig-holsteinische: wie sehr auch sonst die Meinungen und Sympathien aus
einandergehn, in dieser Sache schlägt jedes deutsche Herz mit gleicher Stärke,
Könnten wir darauf rechnen, vier oder sechs Wochen nach der Kriegserklärung
oder allenfalls auch ein Vierteljahr danach, Kopenhagen zu bomvardircn, die
Dänen zum Frieden zu zwingen und ihnen die beiden Herzogthümer zu neh¬
men, so wären wir damit ohne weitere Umstände eine Nation, und das an¬
dere würde sich von selbst finde».

Wie das aber geschehen soll — wenn nicht etwa unsere Truppen mit
dem Gewehr im Munde nach Seeland schwimmen — ist uns völlig unklar.
Denn wohlgemerkt, es handelt sich hier um einen schnellen Erfolg; um einen
Erfolg, der den Großmächten eine vollendete Thatsache entgegenstellt. Der
Plan, die Dänen auszuhungern durch Besetzung der ganzen cimbrischen Halbinsel,
läßt sich nicht durchführen. Wir reden nicht von dem Schaden, den die Dänen uns
zufügen können, wir können es jedenfalls länger aushalten; aber leider haben
wir in dieser Sache alle Großmächte gegen uns, eine Intervention von
Frankreich, vielleicht auch von Rußland wäre unvermeidlich, und die nächste
sichere Folge wäre die, daß wir unsere Truppen aus der Halbinsel wieder
zurückziehen müßten.

War es ernstlich Preußens Absicht die Schleswig-holsteinische Sache jetzt
zum Austrag zu bringen, so mußte es sich vorher 1) eine Flotte verschaffen, die
der dänischen gewachsen war. Da aber kein Staat über sein Vermögen hinaus
kann, so mußte diese Ausgabe durch eine anderweitige Ersparnis; gutgemacht
werden. Wie man in Militärsachen sparen kann, darüber hat ein kundiger
Militär in diesen Blättern sein Gutachten gegeben. Statt dessen' ist man
daran, das Militärbudget in ungeheurem Maaßstabe zu erhöhen. 2) hätte man
ein Bündniß mit England schließen müssen, um eine maritnne Intervention Frank¬
reichs zu verhindern. Die Engländer sind Kaufleute, sie verschenken nichts; was
man von ihnen haben will, muß man ihnen abkaufen. Es ist für die Engländer
bequemer, daß Kiel in dänischen Händen als in deutschen ist. Sollen sie es
zulassen oder gar befördern, daß es in deutsche Hände übergeht, so müssen sie
wissen, wofür? Ehe wir nicht einen Kaufpreis gesunden haben, den wir ihnen
bieten können, ist aus ihre Hilfe nicht zu rechnen, und die Voraussetzung, daß
ihre Hilfe uns nicht fehlen wird, sobald wir einmal engagirt sind, ist mehr
als kühn.

Wenn also im gegenwärtigen Augenblick die gange legitimistische Parte«
eine bei ihr bisher unerhörte Theilnahme sür die Sache der Herzogthümer


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[0358] An sich ist der Gedanke, die deutsche Einheit nicht durch innern Streit, sondern durch gemeinsame Erhebung gegen das Ausland zu erwerben, ein sehr glücklicher. Und unter allen Angelegenheiten, in der sich diese Einheit entfalten könnte, ist keine eines subjectiven Erfolgs so gewiß als die Schles- wig-holsteinische: wie sehr auch sonst die Meinungen und Sympathien aus einandergehn, in dieser Sache schlägt jedes deutsche Herz mit gleicher Stärke, Könnten wir darauf rechnen, vier oder sechs Wochen nach der Kriegserklärung oder allenfalls auch ein Vierteljahr danach, Kopenhagen zu bomvardircn, die Dänen zum Frieden zu zwingen und ihnen die beiden Herzogthümer zu neh¬ men, so wären wir damit ohne weitere Umstände eine Nation, und das an¬ dere würde sich von selbst finde». Wie das aber geschehen soll — wenn nicht etwa unsere Truppen mit dem Gewehr im Munde nach Seeland schwimmen — ist uns völlig unklar. Denn wohlgemerkt, es handelt sich hier um einen schnellen Erfolg; um einen Erfolg, der den Großmächten eine vollendete Thatsache entgegenstellt. Der Plan, die Dänen auszuhungern durch Besetzung der ganzen cimbrischen Halbinsel, läßt sich nicht durchführen. Wir reden nicht von dem Schaden, den die Dänen uns zufügen können, wir können es jedenfalls länger aushalten; aber leider haben wir in dieser Sache alle Großmächte gegen uns, eine Intervention von Frankreich, vielleicht auch von Rußland wäre unvermeidlich, und die nächste sichere Folge wäre die, daß wir unsere Truppen aus der Halbinsel wieder zurückziehen müßten. War es ernstlich Preußens Absicht die Schleswig-holsteinische Sache jetzt zum Austrag zu bringen, so mußte es sich vorher 1) eine Flotte verschaffen, die der dänischen gewachsen war. Da aber kein Staat über sein Vermögen hinaus kann, so mußte diese Ausgabe durch eine anderweitige Ersparnis; gutgemacht werden. Wie man in Militärsachen sparen kann, darüber hat ein kundiger Militär in diesen Blättern sein Gutachten gegeben. Statt dessen' ist man daran, das Militärbudget in ungeheurem Maaßstabe zu erhöhen. 2) hätte man ein Bündniß mit England schließen müssen, um eine maritnne Intervention Frank¬ reichs zu verhindern. Die Engländer sind Kaufleute, sie verschenken nichts; was man von ihnen haben will, muß man ihnen abkaufen. Es ist für die Engländer bequemer, daß Kiel in dänischen Händen als in deutschen ist. Sollen sie es zulassen oder gar befördern, daß es in deutsche Hände übergeht, so müssen sie wissen, wofür? Ehe wir nicht einen Kaufpreis gesunden haben, den wir ihnen bieten können, ist aus ihre Hilfe nicht zu rechnen, und die Voraussetzung, daß ihre Hilfe uns nicht fehlen wird, sobald wir einmal engagirt sind, ist mehr als kühn. Wenn also im gegenwärtigen Augenblick die gange legitimistische Parte« eine bei ihr bisher unerhörte Theilnahme sür die Sache der Herzogthümer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/358>, abgerufen am 22.07.2024.