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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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durch ein gelindes Wohlwollen zersetzt. Die sehr entschiedene Sympathie für
Oestreichs Volk und Herrschergeschlecht wird durch das nur zu gerechtfertigte
Mißtrauen eingeschränkt, daß Oestreich, einmal aus seiner Verlegenheit. Preu¬
ßen wieder in der alt gewohnten Weise schaden möchte. Die aufrichtige
Theilnahme für die nationale Bewegung Deutschlands wird durch die Be¬
sorgnis, geschwächt, daß irgendwo eine gefährliche Umsturzpnrtei verborgen sei.
Zu England einerseits, zu Rußland andererseits bekennt man eine herzliche
Freundschaft, und würde diese Freundschaft gern in ein Bündniß verwandeln;
nur ist man darüber betroffen, daß die einen wie die andern sich kühl dazu
verhalten, daß weder die Engländer noch die Russen sich an einem conserva-
tiven Kreuzzug betheiligen wollen. Wir sagen conservativ. nicht legiti¬
mist isch: denn die preußische Regierung ist aufrichtig bemüht, die Sache
der Ordnung und die Sache des Fortschritts zu versöhnen. Nur wird es
ihr schwer, den Punkt festzustellen, in welchem sie das eine aufgibt, um das
andere zu erhalten; und dieser Punkt ist doch bei dem sonst ganz ehrenwerthen
Bestreben die Hauptsache. Denn die beiden Forderungen," daß alles beim
Alten bleiben und daß alles verbessert werden soll, schließen, absolut gestellt,
einander aus.

Das Resultat dieser vielseitigen Erwägungen (wir sprechen heute cms-
Ichlicßlich von der auswärtigen Politik) würde nun wol zunächst sein, daß
nichts geschieht. Dies war die Politik des Ministeriums Manntcuffcl. Aber das
gegenwärtige Ministerium hat im Gegentheil das tiefe und ernste Bedürfniß
etwas zu thun; es will Preußen in der öffentlichen Meinung und in seinem
eigenen Selbstgefühl heben. Es wünscht die Action in einer vollkommen
gerechten Sache zu finden, in einer Sache, der es sich unbedingt hingeben
kaun. Es wünscht die italienische Frage zu vertagen, weil es weder an der
Wiederherstellung der alten faulen Zustände noch an deren Beseitigung ar¬
beiten möchte; es wünscht die deutsche Frage zu vertragen, weil es weder
gegen die verbündeten Souveräne Gewalt ausüben, noch ihren dem Interesse
Preußens widersprechenden Bestrebungen Vorschub leisten möchte. Es ist da¬
von überzeugt, daß die Besserung der deutschen Zustände nur aus einer Er¬
höhung des Nationalgefühls, nur durch eine gemeinschaftliche Action gegen
°as Ausland sich ergeben wird, in der Preußen seine Pflicht erfüllt und, wie
>ich von selbst versteht, die erste Rolle spielt. Gegen wen nun aber? Gegen
Italien möchte es nicht, gegen Rußland hat es keine Veranlassung, also bleibt
"ur Frankreich übrig. Aber Frankreich hat sich bis jetzt nicht offensiv ver¬
halten, also muß man auch hier abwarten. Schließlich hat man die schief-
^'g-holsteinische Frage aufgenommen. -- Schließlich: -- schwerlich schon
>n der Zeit, wo man von den paar Schiffen, die wir haben, einige nach Ja¬
pan schickte. -


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durch ein gelindes Wohlwollen zersetzt. Die sehr entschiedene Sympathie für
Oestreichs Volk und Herrschergeschlecht wird durch das nur zu gerechtfertigte
Mißtrauen eingeschränkt, daß Oestreich, einmal aus seiner Verlegenheit. Preu¬
ßen wieder in der alt gewohnten Weise schaden möchte. Die aufrichtige
Theilnahme für die nationale Bewegung Deutschlands wird durch die Be¬
sorgnis, geschwächt, daß irgendwo eine gefährliche Umsturzpnrtei verborgen sei.
Zu England einerseits, zu Rußland andererseits bekennt man eine herzliche
Freundschaft, und würde diese Freundschaft gern in ein Bündniß verwandeln;
nur ist man darüber betroffen, daß die einen wie die andern sich kühl dazu
verhalten, daß weder die Engländer noch die Russen sich an einem conserva-
tiven Kreuzzug betheiligen wollen. Wir sagen conservativ. nicht legiti¬
mist isch: denn die preußische Regierung ist aufrichtig bemüht, die Sache
der Ordnung und die Sache des Fortschritts zu versöhnen. Nur wird es
ihr schwer, den Punkt festzustellen, in welchem sie das eine aufgibt, um das
andere zu erhalten; und dieser Punkt ist doch bei dem sonst ganz ehrenwerthen
Bestreben die Hauptsache. Denn die beiden Forderungen," daß alles beim
Alten bleiben und daß alles verbessert werden soll, schließen, absolut gestellt,
einander aus.

Das Resultat dieser vielseitigen Erwägungen (wir sprechen heute cms-
Ichlicßlich von der auswärtigen Politik) würde nun wol zunächst sein, daß
nichts geschieht. Dies war die Politik des Ministeriums Manntcuffcl. Aber das
gegenwärtige Ministerium hat im Gegentheil das tiefe und ernste Bedürfniß
etwas zu thun; es will Preußen in der öffentlichen Meinung und in seinem
eigenen Selbstgefühl heben. Es wünscht die Action in einer vollkommen
gerechten Sache zu finden, in einer Sache, der es sich unbedingt hingeben
kaun. Es wünscht die italienische Frage zu vertagen, weil es weder an der
Wiederherstellung der alten faulen Zustände noch an deren Beseitigung ar¬
beiten möchte; es wünscht die deutsche Frage zu vertragen, weil es weder
gegen die verbündeten Souveräne Gewalt ausüben, noch ihren dem Interesse
Preußens widersprechenden Bestrebungen Vorschub leisten möchte. Es ist da¬
von überzeugt, daß die Besserung der deutschen Zustände nur aus einer Er¬
höhung des Nationalgefühls, nur durch eine gemeinschaftliche Action gegen
°as Ausland sich ergeben wird, in der Preußen seine Pflicht erfüllt und, wie
>ich von selbst versteht, die erste Rolle spielt. Gegen wen nun aber? Gegen
Italien möchte es nicht, gegen Rußland hat es keine Veranlassung, also bleibt
"ur Frankreich übrig. Aber Frankreich hat sich bis jetzt nicht offensiv ver¬
halten, also muß man auch hier abwarten. Schließlich hat man die schief-
^'g-holsteinische Frage aufgenommen. — Schließlich: — schwerlich schon
>n der Zeit, wo man von den paar Schiffen, die wir haben, einige nach Ja¬
pan schickte. -


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/357>, abgerufen am 22.07.2024.