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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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die Weiden hinunter, werde aber von den Enten verwindet und habe von
Glück zu sagen, daß ich eine herunter kriege, da sie schon in der Ferne von
wenigstens vierhundert Gängen aufgestanden waren. Die Ente war nur ge¬
flügelt und hatte sich im Gcröhrig unter einer hohlen Weide so gut versteckt,
daß ich ihr nicht beikommen konnte. So blieb mir nichts übrig, als meine
Hasen, .Hühner und Amseln in die Waidtasche zu packen und nach Hause zu
laufen, um meinen Feldmann zu holen, den ich nicht mitgenommen hatte,
weil er am Tage vorher einen von mir angeschweißten Spießbock durch fünf
Reviere gejagt und über acht Meilen weit apportirt hatte, wobei er zweimal
über die Donau schwimmen mußte. andre Flüsse und Bäche gar nicht zu
rechnen. Mich dauerte es, den müden Hund plagen zu müssen, aber kaum
hab' ich ihm zu verstehen gegeben, daß es einer Stockente gilt, als das Vieh,
hast du nicht gesehen, mit einem Satz über das Haus springt und um drei
Minuten früher an dem Flusse ankommt, als der Wind, der sich gerade er¬
hoben hatte, als er von meinem Hofe wegrannte. Ich war noch ein gutes
Stück von der Weide entfernt, wo die Ente sich verkrochen, da höre ich diese
jämmerlich schreien. Ich denke gleich, daß es ein Fuchs ist. und es ist richtig
so. Wie ich näher komme, sehe ich die Ente so flink, als sie mit dem lah¬
men Flügel kann, aus dem Geröhrig nach dem offnen Wasser hinaus trachten
und hinter ihr her den Meister Reinecke fahren. der sie beim Sturz saßt.
Rascher als ein Blitz ist mein Feldmann im Flusse und schnapp! hat er den
Fuchs an der Ruthe. Nun denken Sie sich, was jetzt geschieht! Schießt
Ihnen ein Hecht von so ein drei Ellen Länge aus einem Tümpel herauf und
packt wieder meinen Hund an der Fahne, und kaum hab' ich mich von meiner
Verwunderung darüber erholt, so stößt ein Fischgeier herab auf den Hecht
und verfängt sich mit seinen Klauen in dessen Rücken. Die Ente rudert aus
allen Kräften und zieht den Fuchs hinter sich her, dieser den Feldmann und
der Feldmann den Hecht mit dem Geier -- der sonderbarste Postzug. den ich'
Mein Lebtag gesehen!

Ich lege schon meine Flinte an den Backen, um den Hecht zu schießen,
da Ente. Fuchs und Geier meinem Hunde gewiß sind, da fällt mir ein: wie
wär's, wenn wir die ganze verbissene Gesellschaft lebendig singen. Es geht
nichts über die Geistesgegenwart bei der Jagd. und ein alter Waidmann,
wie ich. muß sich in allen Lagen zu helfen wissen. Es war mir bekannt,
daß weiter oberhalb eine große Fischreuße eingelegt war. Ich laufe, so rasch
Mich meine Beine tragen, hin, ziehe sie aus dem Grunde, gebe ihr eine solche
^ge, daß die Einkehle gerade auf der Wasserfläche zu ruhen kommt, und
Mache sie mit meiner Leine an einem Pfahl fest. Dann schnell zu meinem
^°stsug und vor der Ente hergestiegen und Malzköruer gestreut, die ich zum
Kirrmachcn bei mir hatte, immer auf die Reuße hin. Die Ente, die über


Grenzboten I, 1861. 43

die Weiden hinunter, werde aber von den Enten verwindet und habe von
Glück zu sagen, daß ich eine herunter kriege, da sie schon in der Ferne von
wenigstens vierhundert Gängen aufgestanden waren. Die Ente war nur ge¬
flügelt und hatte sich im Gcröhrig unter einer hohlen Weide so gut versteckt,
daß ich ihr nicht beikommen konnte. So blieb mir nichts übrig, als meine
Hasen, .Hühner und Amseln in die Waidtasche zu packen und nach Hause zu
laufen, um meinen Feldmann zu holen, den ich nicht mitgenommen hatte,
weil er am Tage vorher einen von mir angeschweißten Spießbock durch fünf
Reviere gejagt und über acht Meilen weit apportirt hatte, wobei er zweimal
über die Donau schwimmen mußte. andre Flüsse und Bäche gar nicht zu
rechnen. Mich dauerte es, den müden Hund plagen zu müssen, aber kaum
hab' ich ihm zu verstehen gegeben, daß es einer Stockente gilt, als das Vieh,
hast du nicht gesehen, mit einem Satz über das Haus springt und um drei
Minuten früher an dem Flusse ankommt, als der Wind, der sich gerade er¬
hoben hatte, als er von meinem Hofe wegrannte. Ich war noch ein gutes
Stück von der Weide entfernt, wo die Ente sich verkrochen, da höre ich diese
jämmerlich schreien. Ich denke gleich, daß es ein Fuchs ist. und es ist richtig
so. Wie ich näher komme, sehe ich die Ente so flink, als sie mit dem lah¬
men Flügel kann, aus dem Geröhrig nach dem offnen Wasser hinaus trachten
und hinter ihr her den Meister Reinecke fahren. der sie beim Sturz saßt.
Rascher als ein Blitz ist mein Feldmann im Flusse und schnapp! hat er den
Fuchs an der Ruthe. Nun denken Sie sich, was jetzt geschieht! Schießt
Ihnen ein Hecht von so ein drei Ellen Länge aus einem Tümpel herauf und
packt wieder meinen Hund an der Fahne, und kaum hab' ich mich von meiner
Verwunderung darüber erholt, so stößt ein Fischgeier herab auf den Hecht
und verfängt sich mit seinen Klauen in dessen Rücken. Die Ente rudert aus
allen Kräften und zieht den Fuchs hinter sich her, dieser den Feldmann und
der Feldmann den Hecht mit dem Geier — der sonderbarste Postzug. den ich'
Mein Lebtag gesehen!

Ich lege schon meine Flinte an den Backen, um den Hecht zu schießen,
da Ente. Fuchs und Geier meinem Hunde gewiß sind, da fällt mir ein: wie
wär's, wenn wir die ganze verbissene Gesellschaft lebendig singen. Es geht
nichts über die Geistesgegenwart bei der Jagd. und ein alter Waidmann,
wie ich. muß sich in allen Lagen zu helfen wissen. Es war mir bekannt,
daß weiter oberhalb eine große Fischreuße eingelegt war. Ich laufe, so rasch
Mich meine Beine tragen, hin, ziehe sie aus dem Grunde, gebe ihr eine solche
^ge, daß die Einkehle gerade auf der Wasserfläche zu ruhen kommt, und
Mache sie mit meiner Leine an einem Pfahl fest. Dann schnell zu meinem
^°stsug und vor der Ente hergestiegen und Malzköruer gestreut, die ich zum
Kirrmachcn bei mir hatte, immer auf die Reuße hin. Die Ente, die über


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[0347] die Weiden hinunter, werde aber von den Enten verwindet und habe von Glück zu sagen, daß ich eine herunter kriege, da sie schon in der Ferne von wenigstens vierhundert Gängen aufgestanden waren. Die Ente war nur ge¬ flügelt und hatte sich im Gcröhrig unter einer hohlen Weide so gut versteckt, daß ich ihr nicht beikommen konnte. So blieb mir nichts übrig, als meine Hasen, .Hühner und Amseln in die Waidtasche zu packen und nach Hause zu laufen, um meinen Feldmann zu holen, den ich nicht mitgenommen hatte, weil er am Tage vorher einen von mir angeschweißten Spießbock durch fünf Reviere gejagt und über acht Meilen weit apportirt hatte, wobei er zweimal über die Donau schwimmen mußte. andre Flüsse und Bäche gar nicht zu rechnen. Mich dauerte es, den müden Hund plagen zu müssen, aber kaum hab' ich ihm zu verstehen gegeben, daß es einer Stockente gilt, als das Vieh, hast du nicht gesehen, mit einem Satz über das Haus springt und um drei Minuten früher an dem Flusse ankommt, als der Wind, der sich gerade er¬ hoben hatte, als er von meinem Hofe wegrannte. Ich war noch ein gutes Stück von der Weide entfernt, wo die Ente sich verkrochen, da höre ich diese jämmerlich schreien. Ich denke gleich, daß es ein Fuchs ist. und es ist richtig so. Wie ich näher komme, sehe ich die Ente so flink, als sie mit dem lah¬ men Flügel kann, aus dem Geröhrig nach dem offnen Wasser hinaus trachten und hinter ihr her den Meister Reinecke fahren. der sie beim Sturz saßt. Rascher als ein Blitz ist mein Feldmann im Flusse und schnapp! hat er den Fuchs an der Ruthe. Nun denken Sie sich, was jetzt geschieht! Schießt Ihnen ein Hecht von so ein drei Ellen Länge aus einem Tümpel herauf und packt wieder meinen Hund an der Fahne, und kaum hab' ich mich von meiner Verwunderung darüber erholt, so stößt ein Fischgeier herab auf den Hecht und verfängt sich mit seinen Klauen in dessen Rücken. Die Ente rudert aus allen Kräften und zieht den Fuchs hinter sich her, dieser den Feldmann und der Feldmann den Hecht mit dem Geier — der sonderbarste Postzug. den ich' Mein Lebtag gesehen! Ich lege schon meine Flinte an den Backen, um den Hecht zu schießen, da Ente. Fuchs und Geier meinem Hunde gewiß sind, da fällt mir ein: wie wär's, wenn wir die ganze verbissene Gesellschaft lebendig singen. Es geht nichts über die Geistesgegenwart bei der Jagd. und ein alter Waidmann, wie ich. muß sich in allen Lagen zu helfen wissen. Es war mir bekannt, daß weiter oberhalb eine große Fischreuße eingelegt war. Ich laufe, so rasch Mich meine Beine tragen, hin, ziehe sie aus dem Grunde, gebe ihr eine solche ^ge, daß die Einkehle gerade auf der Wasserfläche zu ruhen kommt, und Mache sie mit meiner Leine an einem Pfahl fest. Dann schnell zu meinem ^°stsug und vor der Ente hergestiegen und Malzköruer gestreut, die ich zum Kirrmachcn bei mir hatte, immer auf die Reuße hin. Die Ente, die über Grenzboten I, 1861. 43

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/347>, abgerufen am 22.07.2024.