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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Gelagen/ Ein paar Beispiele von den besten mögen zeigen. weß Geistes
Kinder diese Sprößlinge von Nord und Witz sind.

War einmal einer im Walde, um Wildpret zu schießen. Da begegnete
ihm ein großes Schwein, das. vor Alter blind geworden, sich von einem
Frischling in der Weise führen ließ, daß es dessen Schwänzchen im Maule
hielt. Der Jäger besann sich nicht lange, was zu thun, schoß den Frischling
nieder, schnitt ihm den Schwanz am Hintern ab und führte daran das Alte
ruhig fort, über fünf Meilen weit zum Verkauf auf den Markt, worauf er
zurückkehrte, um sich auch das Junge zu holen.

Derselbe Lügenschmied stieß ein andermal auf einen starken Euer, mit
Zähnen, die wol eine halbe Elle aus dem Rachen hervorstanden. Erschrocken
flüchtete er sich und kroch vor dem Grimm des Thieres in einen hohlen Elch"
dann. Als das Schwein ihn darin entdeckte, hieb es mit den Hauern so
gewaltig in die Rinde, daß es sich selbst darin vernietete und nun von dem
Jäger, nachdem er herausgestiegen, erlegt wurde.

In Tirol gab es einen Schützen, der so viel Glück hatte, daß er einmal
sogar schon traf, ehe er abgeschossen hatte. Er hieß von seinem sichern
Schießen in der ganzen Nachbarschaft der Trcffkönig oder der Trcffnazi. Da
thut sich einmal ein Auerhahn. die in Tirol besonders schwer zu schießen sind,
vor ihm auf und fällt aus den höchsten Gipfel eines Zirbelbanms ein. Der
Schütz geht etwas näher hin. nimmt die Flinte und schlägt an. In dem
Augenblick aber guckt der Hahn aus den Zweigen heraus und ruft: "Seid
Ihr nicht der Treffuazi?" -- "Ja wol." sagt der. "der bin ich. Was soll's?"
"Na." erwiderte darauf der Hahn, "dann ist es schon gut. Ihr braucht
nicht zu schießen; ich komme schon von selber hinunter." Man könnte sich
uun freilich fragen, in welcher Sprache der Hahn das zu dem Nazi gesagt.
Das ^ann aber nur dem Nichtjäger einfallen. Der Jäger weiß, daß er Jä¬
gerlatein gesprochen hat.

Wolbekannt sind die Thaten und Abenteuer Münchhausens, wie er, als
eben der Stein aus dem Hahn gesprungen, sein Gewehr dadurch zum Los-
Aehen brachte, daß er sich durch einen derben Schlag Funken aus dem Auge
"Uf die Pfanne schlug; wie er mit einem zugespitzten Ladestock eine ganze
'^ete Rebhühner von sieben Stück auf einen Schuß erlegte; wie er mit einem
w sein Gewehr geladenen Bretnagel den schwarzen Fuchs mit der Lunte
(Schweif) an einen Baum nagelte und ihn dann mit kräftigen Karbatschen-
hiebcn aus seinem Pelz herauspeitschte; wie er dem Wolf seinen Arm in den
Aufgesperrten Rachen stieß, ihn beim Eingeweide packte und ihn durch einen
^haften Zug wie einen Handschuh umwendete. In Aller Gedächtniß ist
sein denkwürdiger Entenfang und die Art, wie er sich von den an die Leine
^reihten Thieren durch die Luft nach Hause führen ließ. sein jagdeifriges


Gelagen/ Ein paar Beispiele von den besten mögen zeigen. weß Geistes
Kinder diese Sprößlinge von Nord und Witz sind.

War einmal einer im Walde, um Wildpret zu schießen. Da begegnete
ihm ein großes Schwein, das. vor Alter blind geworden, sich von einem
Frischling in der Weise führen ließ, daß es dessen Schwänzchen im Maule
hielt. Der Jäger besann sich nicht lange, was zu thun, schoß den Frischling
nieder, schnitt ihm den Schwanz am Hintern ab und führte daran das Alte
ruhig fort, über fünf Meilen weit zum Verkauf auf den Markt, worauf er
zurückkehrte, um sich auch das Junge zu holen.

Derselbe Lügenschmied stieß ein andermal auf einen starken Euer, mit
Zähnen, die wol eine halbe Elle aus dem Rachen hervorstanden. Erschrocken
flüchtete er sich und kroch vor dem Grimm des Thieres in einen hohlen Elch«
dann. Als das Schwein ihn darin entdeckte, hieb es mit den Hauern so
gewaltig in die Rinde, daß es sich selbst darin vernietete und nun von dem
Jäger, nachdem er herausgestiegen, erlegt wurde.

In Tirol gab es einen Schützen, der so viel Glück hatte, daß er einmal
sogar schon traf, ehe er abgeschossen hatte. Er hieß von seinem sichern
Schießen in der ganzen Nachbarschaft der Trcffkönig oder der Trcffnazi. Da
thut sich einmal ein Auerhahn. die in Tirol besonders schwer zu schießen sind,
vor ihm auf und fällt aus den höchsten Gipfel eines Zirbelbanms ein. Der
Schütz geht etwas näher hin. nimmt die Flinte und schlägt an. In dem
Augenblick aber guckt der Hahn aus den Zweigen heraus und ruft: „Seid
Ihr nicht der Treffuazi?" — „Ja wol." sagt der. „der bin ich. Was soll's?"
„Na." erwiderte darauf der Hahn, „dann ist es schon gut. Ihr braucht
nicht zu schießen; ich komme schon von selber hinunter." Man könnte sich
uun freilich fragen, in welcher Sprache der Hahn das zu dem Nazi gesagt.
Das ^ann aber nur dem Nichtjäger einfallen. Der Jäger weiß, daß er Jä¬
gerlatein gesprochen hat.

Wolbekannt sind die Thaten und Abenteuer Münchhausens, wie er, als
eben der Stein aus dem Hahn gesprungen, sein Gewehr dadurch zum Los-
Aehen brachte, daß er sich durch einen derben Schlag Funken aus dem Auge
"Uf die Pfanne schlug; wie er mit einem zugespitzten Ladestock eine ganze
'^ete Rebhühner von sieben Stück auf einen Schuß erlegte; wie er mit einem
w sein Gewehr geladenen Bretnagel den schwarzen Fuchs mit der Lunte
(Schweif) an einen Baum nagelte und ihn dann mit kräftigen Karbatschen-
hiebcn aus seinem Pelz herauspeitschte; wie er dem Wolf seinen Arm in den
Aufgesperrten Rachen stieß, ihn beim Eingeweide packte und ihn durch einen
^haften Zug wie einen Handschuh umwendete. In Aller Gedächtniß ist
sein denkwürdiger Entenfang und die Art, wie er sich von den an die Leine
^reihten Thieren durch die Luft nach Hause führen ließ. sein jagdeifriges


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[0345] Gelagen/ Ein paar Beispiele von den besten mögen zeigen. weß Geistes Kinder diese Sprößlinge von Nord und Witz sind. War einmal einer im Walde, um Wildpret zu schießen. Da begegnete ihm ein großes Schwein, das. vor Alter blind geworden, sich von einem Frischling in der Weise führen ließ, daß es dessen Schwänzchen im Maule hielt. Der Jäger besann sich nicht lange, was zu thun, schoß den Frischling nieder, schnitt ihm den Schwanz am Hintern ab und führte daran das Alte ruhig fort, über fünf Meilen weit zum Verkauf auf den Markt, worauf er zurückkehrte, um sich auch das Junge zu holen. Derselbe Lügenschmied stieß ein andermal auf einen starken Euer, mit Zähnen, die wol eine halbe Elle aus dem Rachen hervorstanden. Erschrocken flüchtete er sich und kroch vor dem Grimm des Thieres in einen hohlen Elch« dann. Als das Schwein ihn darin entdeckte, hieb es mit den Hauern so gewaltig in die Rinde, daß es sich selbst darin vernietete und nun von dem Jäger, nachdem er herausgestiegen, erlegt wurde. In Tirol gab es einen Schützen, der so viel Glück hatte, daß er einmal sogar schon traf, ehe er abgeschossen hatte. Er hieß von seinem sichern Schießen in der ganzen Nachbarschaft der Trcffkönig oder der Trcffnazi. Da thut sich einmal ein Auerhahn. die in Tirol besonders schwer zu schießen sind, vor ihm auf und fällt aus den höchsten Gipfel eines Zirbelbanms ein. Der Schütz geht etwas näher hin. nimmt die Flinte und schlägt an. In dem Augenblick aber guckt der Hahn aus den Zweigen heraus und ruft: „Seid Ihr nicht der Treffuazi?" — „Ja wol." sagt der. „der bin ich. Was soll's?" „Na." erwiderte darauf der Hahn, „dann ist es schon gut. Ihr braucht nicht zu schießen; ich komme schon von selber hinunter." Man könnte sich uun freilich fragen, in welcher Sprache der Hahn das zu dem Nazi gesagt. Das ^ann aber nur dem Nichtjäger einfallen. Der Jäger weiß, daß er Jä¬ gerlatein gesprochen hat. Wolbekannt sind die Thaten und Abenteuer Münchhausens, wie er, als eben der Stein aus dem Hahn gesprungen, sein Gewehr dadurch zum Los- Aehen brachte, daß er sich durch einen derben Schlag Funken aus dem Auge "Uf die Pfanne schlug; wie er mit einem zugespitzten Ladestock eine ganze '^ete Rebhühner von sieben Stück auf einen Schuß erlegte; wie er mit einem w sein Gewehr geladenen Bretnagel den schwarzen Fuchs mit der Lunte (Schweif) an einen Baum nagelte und ihn dann mit kräftigen Karbatschen- hiebcn aus seinem Pelz herauspeitschte; wie er dem Wolf seinen Arm in den Aufgesperrten Rachen stieß, ihn beim Eingeweide packte und ihn durch einen ^haften Zug wie einen Handschuh umwendete. In Aller Gedächtniß ist sein denkwürdiger Entenfang und die Art, wie er sich von den an die Leine ^reihten Thieren durch die Luft nach Hause führen ließ. sein jagdeifriges

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/345>, abgerufen am 22.07.2024.