Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.Städten Bern, Zürich und Luzern; schwere Lastwagen schleppten das eidge¬ Städten Bern, Zürich und Luzern; schwere Lastwagen schleppten das eidge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0332" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111226"/> <p xml:id="ID_1112" prev="#ID_1111" next="#ID_1113"> Städten Bern, Zürich und Luzern; schwere Lastwagen schleppten das eidge¬<lb/> nössische Archiv mit Acten und Allem von einer Stadt zur andern. Die Re¬<lb/> gierung des Cuntons, an welchem die Tngsatznng sich aufhielt, war „Vorort",<lb/> das heißt, geschüftsführende Regierung, eine Executive für die Beschlüsse der<lb/> Tagsatzung. Von den Attributen einer Centralgewalt hatte der Vorort die Vertre¬<lb/> tung der Eidgenossenschaft nach außen und die Verfügung über die Streit-<lb/> krüfte zum eidgenössischen Dienst; der Soldat fühlte sich mit dem nationalen<lb/> Abzeichen, der rothen Armbinde mit dem weißen Kreuze, als schweizerischer<lb/> Krieger. Dies ist mehr als der deutsche Bundestag hat. dem eine geschäfts¬<lb/> führende Regierung fehlt. Eigene Finanzen hatte das Bundesorgan in der<lb/> Schweiz' so wenig wie in Deutschland, beide waren auf Beiträge der Mit¬<lb/> glieder augewiesen. Die Cantone waren in .Klassen eingetheilt, so daß die<lb/> reicheren mehr zahlten als die ärmere»; neben der Bevölkerung bildete der<lb/> Wohlstand eine» Factor für die Anlage der Beiträge, so daß z. B. Basel<lb/> und Ge»f 5 bis 6 mal so viel im Verhältniß zur Bevölkerung auszubringen<lb/> hatten als Uri oder Unterwalden. Bern fiel unter zwei Klassen: unter eine<lb/> höhere für den deutschen Landestheil, und eine niedere für den ärmeren fran¬<lb/> zösischen. Die deutsche Bundesmatrikel scheert- Alle über Einen Kamm, die<lb/> reichen Hanseaten und Frankfurter wie die armen Gebirgsbewohner in den<lb/> böhmischen Wäldern. Die Bundesverfassung von 1848 hat der Schweiz ge¬<lb/> geben, was dem Bundesvertrag vom 7. August 181^5 fehlte. Bis wir in<lb/> Deutschland so weit kommen, wäre es vielleicht zuträglich, den Bundestag<lb/> eben so wie die ehemalige Tngsatznng in periodische Bewegung zu setzen, eine»<lb/> Turnus zwischen Wien, Berlin und München einzuführen und die betreffende<lb/> Regierung als Vorort walten zu lassen. Der Umzug könnte, um die Arbeiten<lb/> nicht zu stören, in den Ferien geschehen und diese könnten auf zehn bis elf<lb/> Monate im Jahre verlängert werden. Aus der Permanenz der Bundesver-<lb/> sammlung ist Deutschland noch kein Heil erwachsen; die Tagsatzung war or¬<lb/> dentlicher Weise nur wenige Wochen im Jahre versammelt und fand' daher<lb/> keine Muße, in die inneren Angelegenheiten der „Stände" maßregelnd ein¬<lb/> zugreifen. Ihr äußeres Erscheinen imponirte, obgleich die Gesandten andern<lb/> europäischen Frack keine Sterne und Kreuze trugen; dafür folgte einem Jeden<lb/> der „Standesweibel", ein Bote, dessen Mantel in den Farben des Cantons<lb/> gestreift war. Wie in Frankfurt, so stimmten in Bern, Zürich oder Luzern<lb/> die Gesandten nach Jnstructionen; aber es fanden hier förmliche öffentliche<lb/> Verhandlungen' statt. Nöthig waren diese gerade nicht, denn die Gegenstände,<lb/> welche auf die Tagesordnung kamen — die Tractanden — waren vorher be¬<lb/> kannt, ebenso die Jnstructionen. die jeder Canton seinem Gesandten ertheilt<lb/> hatte; die Beschlüsse zu finden, bevor die Sitzungen begonnen hatten, war ein<lb/> einfaches Rechenexempel, und die Debatten selbst hatten nur einen dramatische"</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0332]
Städten Bern, Zürich und Luzern; schwere Lastwagen schleppten das eidge¬
nössische Archiv mit Acten und Allem von einer Stadt zur andern. Die Re¬
gierung des Cuntons, an welchem die Tngsatznng sich aufhielt, war „Vorort",
das heißt, geschüftsführende Regierung, eine Executive für die Beschlüsse der
Tagsatzung. Von den Attributen einer Centralgewalt hatte der Vorort die Vertre¬
tung der Eidgenossenschaft nach außen und die Verfügung über die Streit-
krüfte zum eidgenössischen Dienst; der Soldat fühlte sich mit dem nationalen
Abzeichen, der rothen Armbinde mit dem weißen Kreuze, als schweizerischer
Krieger. Dies ist mehr als der deutsche Bundestag hat. dem eine geschäfts¬
führende Regierung fehlt. Eigene Finanzen hatte das Bundesorgan in der
Schweiz' so wenig wie in Deutschland, beide waren auf Beiträge der Mit¬
glieder augewiesen. Die Cantone waren in .Klassen eingetheilt, so daß die
reicheren mehr zahlten als die ärmere»; neben der Bevölkerung bildete der
Wohlstand eine» Factor für die Anlage der Beiträge, so daß z. B. Basel
und Ge»f 5 bis 6 mal so viel im Verhältniß zur Bevölkerung auszubringen
hatten als Uri oder Unterwalden. Bern fiel unter zwei Klassen: unter eine
höhere für den deutschen Landestheil, und eine niedere für den ärmeren fran¬
zösischen. Die deutsche Bundesmatrikel scheert- Alle über Einen Kamm, die
reichen Hanseaten und Frankfurter wie die armen Gebirgsbewohner in den
böhmischen Wäldern. Die Bundesverfassung von 1848 hat der Schweiz ge¬
geben, was dem Bundesvertrag vom 7. August 181^5 fehlte. Bis wir in
Deutschland so weit kommen, wäre es vielleicht zuträglich, den Bundestag
eben so wie die ehemalige Tngsatznng in periodische Bewegung zu setzen, eine»
Turnus zwischen Wien, Berlin und München einzuführen und die betreffende
Regierung als Vorort walten zu lassen. Der Umzug könnte, um die Arbeiten
nicht zu stören, in den Ferien geschehen und diese könnten auf zehn bis elf
Monate im Jahre verlängert werden. Aus der Permanenz der Bundesver-
sammlung ist Deutschland noch kein Heil erwachsen; die Tagsatzung war or¬
dentlicher Weise nur wenige Wochen im Jahre versammelt und fand' daher
keine Muße, in die inneren Angelegenheiten der „Stände" maßregelnd ein¬
zugreifen. Ihr äußeres Erscheinen imponirte, obgleich die Gesandten andern
europäischen Frack keine Sterne und Kreuze trugen; dafür folgte einem Jeden
der „Standesweibel", ein Bote, dessen Mantel in den Farben des Cantons
gestreift war. Wie in Frankfurt, so stimmten in Bern, Zürich oder Luzern
die Gesandten nach Jnstructionen; aber es fanden hier förmliche öffentliche
Verhandlungen' statt. Nöthig waren diese gerade nicht, denn die Gegenstände,
welche auf die Tagesordnung kamen — die Tractanden — waren vorher be¬
kannt, ebenso die Jnstructionen. die jeder Canton seinem Gesandten ertheilt
hatte; die Beschlüsse zu finden, bevor die Sitzungen begonnen hatten, war ein
einfaches Rechenexempel, und die Debatten selbst hatten nur einen dramatische"
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