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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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solchen gottlosen Menschen seine Bosheit auf folgende Art heimzahlen. Er
wischt das Innere des Laufs mit Werg rein aus, streut ein von römischem
oder cyprischen Vitriol und Gummi Tragant bereitetes sympathetisches Pulver
hinein, nimmt die Schwanzschraube heraus und stellt das Rohr auf den
Küchenhcerd. wo er ein Feuer von Haaren, Schwcinekoth und Ochsenklanen
anmacht. Hat der übelriechende Rauch desselben das sympathetische Pulver
im Rohr berührt, so empfindet der Zauberer sogleich durch die Antipathie
Schmerzen in den Augen und Gestank in der Nase, und er mag wollen oder
nicht, er muß über Hals über.Kopf herbeilausen und bei dem Beschädigtem
beichten und Hülfe suchen. Soll er Reißen im Leibe haben, so schüttet man
in den nassen Lauf etwas von dem sympathetischen Pulver, gießt recht scharfen
rothen Weinessig darauf, stopft die Flinte zu und setzt sie in einen Winkel,
worauf der Uebelthäter ebenfalls bald herbeieile, um sich von seinen Schmer¬
zen zu befreien. Will man ihn, als hinreichend gezüchtigt, aus dem Zauber
entlassen, so braucht man nur das Rohr in fließendes Wasser zu werfen, und
sofort empfindet er Linderung.

Das Zubehör zu dem sympathetischen Pulver wird im Juni, wenn die
Sonne im Löwen wirkt, bei heißem Sonnenschein destillirt, in einem steiner¬
nen Mörser klar gestoßen, nachdem die einzelnen Ingredienzien für sich vier
Wochen getrocknet sind, gemischt und dann in einer Holzschachtel an einem
temperirten Orte, der nicht zu trocken 'und nicht zu feucht, nicht zu wann
und nicht zu kalt ist, zum Gebrauch aufbewahrt.

Alles das gehört zur weißen Magie, deren man sich bedienen darf, ohne
sich der Sünde befürchten zu müssen. Schon für zweifelhaft gilt unserm
Förster, wenn einer, um sicher tödtende Kugeln zu erhalten, Stückchen vom
Donnerkeil in die Form wirft und das Blei darauf gießt; denn der Donner
soll in der Heidenzeit ein Gott gewesen sein. Ganz unchristlich ist dann be¬
reits die Gewohnheit mancher Schützen, beim Losdrücken einen gewissen Fluch
zu brauchen, der freilich helfen soll, aber so gottlos klingt, daß ihn unser
Freund nicht einmal nachsagen mag. Vollkommen zur schwarzen Zauber¬
kunst endlich gehört Alles, was mit den sogenannten Freikugeln zusammen¬
hängt. Der Bursch des Försters scheint deren zu haben, und da er sie nur
durch einen Pakt mit dem Teufel oder sonst auf frevelhafte Weise erlangt
haben kann, soll er, sobald sichs erweist, daß er nicht blos geprahlthat. Knall
und Fall aus dem Hause.

Freikugeln verschafft man sich auf verschiedene Art. Die gewöhnlichste
ist indeß, daß man in heiligen, Nächten, vom Donnerstag auf den Charftei-
tag oder in den Zwölften aus einen Kreuzweg geht und den Teufel um Farn¬
samen bittet, von dem man sodann beim Gießen in jede Kugel ein Körnchen
fallen läßt. Man schießt mit solchen Zauberkugcln, wenn man will, um die


solchen gottlosen Menschen seine Bosheit auf folgende Art heimzahlen. Er
wischt das Innere des Laufs mit Werg rein aus, streut ein von römischem
oder cyprischen Vitriol und Gummi Tragant bereitetes sympathetisches Pulver
hinein, nimmt die Schwanzschraube heraus und stellt das Rohr auf den
Küchenhcerd. wo er ein Feuer von Haaren, Schwcinekoth und Ochsenklanen
anmacht. Hat der übelriechende Rauch desselben das sympathetische Pulver
im Rohr berührt, so empfindet der Zauberer sogleich durch die Antipathie
Schmerzen in den Augen und Gestank in der Nase, und er mag wollen oder
nicht, er muß über Hals über.Kopf herbeilausen und bei dem Beschädigtem
beichten und Hülfe suchen. Soll er Reißen im Leibe haben, so schüttet man
in den nassen Lauf etwas von dem sympathetischen Pulver, gießt recht scharfen
rothen Weinessig darauf, stopft die Flinte zu und setzt sie in einen Winkel,
worauf der Uebelthäter ebenfalls bald herbeieile, um sich von seinen Schmer¬
zen zu befreien. Will man ihn, als hinreichend gezüchtigt, aus dem Zauber
entlassen, so braucht man nur das Rohr in fließendes Wasser zu werfen, und
sofort empfindet er Linderung.

Das Zubehör zu dem sympathetischen Pulver wird im Juni, wenn die
Sonne im Löwen wirkt, bei heißem Sonnenschein destillirt, in einem steiner¬
nen Mörser klar gestoßen, nachdem die einzelnen Ingredienzien für sich vier
Wochen getrocknet sind, gemischt und dann in einer Holzschachtel an einem
temperirten Orte, der nicht zu trocken 'und nicht zu feucht, nicht zu wann
und nicht zu kalt ist, zum Gebrauch aufbewahrt.

Alles das gehört zur weißen Magie, deren man sich bedienen darf, ohne
sich der Sünde befürchten zu müssen. Schon für zweifelhaft gilt unserm
Förster, wenn einer, um sicher tödtende Kugeln zu erhalten, Stückchen vom
Donnerkeil in die Form wirft und das Blei darauf gießt; denn der Donner
soll in der Heidenzeit ein Gott gewesen sein. Ganz unchristlich ist dann be¬
reits die Gewohnheit mancher Schützen, beim Losdrücken einen gewissen Fluch
zu brauchen, der freilich helfen soll, aber so gottlos klingt, daß ihn unser
Freund nicht einmal nachsagen mag. Vollkommen zur schwarzen Zauber¬
kunst endlich gehört Alles, was mit den sogenannten Freikugeln zusammen¬
hängt. Der Bursch des Försters scheint deren zu haben, und da er sie nur
durch einen Pakt mit dem Teufel oder sonst auf frevelhafte Weise erlangt
haben kann, soll er, sobald sichs erweist, daß er nicht blos geprahlthat. Knall
und Fall aus dem Hause.

Freikugeln verschafft man sich auf verschiedene Art. Die gewöhnlichste
ist indeß, daß man in heiligen, Nächten, vom Donnerstag auf den Charftei-
tag oder in den Zwölften aus einen Kreuzweg geht und den Teufel um Farn¬
samen bittet, von dem man sodann beim Gießen in jede Kugel ein Körnchen
fallen läßt. Man schießt mit solchen Zauberkugcln, wenn man will, um die


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[0310] solchen gottlosen Menschen seine Bosheit auf folgende Art heimzahlen. Er wischt das Innere des Laufs mit Werg rein aus, streut ein von römischem oder cyprischen Vitriol und Gummi Tragant bereitetes sympathetisches Pulver hinein, nimmt die Schwanzschraube heraus und stellt das Rohr auf den Küchenhcerd. wo er ein Feuer von Haaren, Schwcinekoth und Ochsenklanen anmacht. Hat der übelriechende Rauch desselben das sympathetische Pulver im Rohr berührt, so empfindet der Zauberer sogleich durch die Antipathie Schmerzen in den Augen und Gestank in der Nase, und er mag wollen oder nicht, er muß über Hals über.Kopf herbeilausen und bei dem Beschädigtem beichten und Hülfe suchen. Soll er Reißen im Leibe haben, so schüttet man in den nassen Lauf etwas von dem sympathetischen Pulver, gießt recht scharfen rothen Weinessig darauf, stopft die Flinte zu und setzt sie in einen Winkel, worauf der Uebelthäter ebenfalls bald herbeieile, um sich von seinen Schmer¬ zen zu befreien. Will man ihn, als hinreichend gezüchtigt, aus dem Zauber entlassen, so braucht man nur das Rohr in fließendes Wasser zu werfen, und sofort empfindet er Linderung. Das Zubehör zu dem sympathetischen Pulver wird im Juni, wenn die Sonne im Löwen wirkt, bei heißem Sonnenschein destillirt, in einem steiner¬ nen Mörser klar gestoßen, nachdem die einzelnen Ingredienzien für sich vier Wochen getrocknet sind, gemischt und dann in einer Holzschachtel an einem temperirten Orte, der nicht zu trocken 'und nicht zu feucht, nicht zu wann und nicht zu kalt ist, zum Gebrauch aufbewahrt. Alles das gehört zur weißen Magie, deren man sich bedienen darf, ohne sich der Sünde befürchten zu müssen. Schon für zweifelhaft gilt unserm Förster, wenn einer, um sicher tödtende Kugeln zu erhalten, Stückchen vom Donnerkeil in die Form wirft und das Blei darauf gießt; denn der Donner soll in der Heidenzeit ein Gott gewesen sein. Ganz unchristlich ist dann be¬ reits die Gewohnheit mancher Schützen, beim Losdrücken einen gewissen Fluch zu brauchen, der freilich helfen soll, aber so gottlos klingt, daß ihn unser Freund nicht einmal nachsagen mag. Vollkommen zur schwarzen Zauber¬ kunst endlich gehört Alles, was mit den sogenannten Freikugeln zusammen¬ hängt. Der Bursch des Försters scheint deren zu haben, und da er sie nur durch einen Pakt mit dem Teufel oder sonst auf frevelhafte Weise erlangt haben kann, soll er, sobald sichs erweist, daß er nicht blos geprahlthat. Knall und Fall aus dem Hause. Freikugeln verschafft man sich auf verschiedene Art. Die gewöhnlichste ist indeß, daß man in heiligen, Nächten, vom Donnerstag auf den Charftei- tag oder in den Zwölften aus einen Kreuzweg geht und den Teufel um Farn¬ samen bittet, von dem man sodann beim Gießen in jede Kugel ein Körnchen fallen läßt. Man schießt mit solchen Zauberkugcln, wenn man will, um die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/310>, abgerufen am 27.08.2024.