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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Der Jäger hat Neider und Feinde. Er hat bei der letzten hohen Jagd
vorzüglich geschossen, nud der Nachbar gönnt ihm das nicht. Er hat einen
Bauer im Holze gepfändet oder ihm seinen Hund weggeblasen, weil er ih"
ohne den vorschriftsmäßigen Knüppel am Halse im Felde traf, und der Bauer
hat gedroht, ihm das gedenken zu wollen. Der Förster hat einem nichts'
nutzigen Burschen den Dienst gekündigt, und der Schlingel sinnt darauf, wie
er dem Meister einen Possen spielen kann. So hat dieser sich sorgsam zu
hüten, daß ihm nicht Verdrießliches geschehe. Es kommt z. B. vor, daß böse
Leute es so einzurichten wissen, daß ihm sein Gewehr nicht losgeht, was sie
einfach dadurch bewirken, daß sie Messer und Gabel aus der Scheide ziehen
und die letztere an den Ort des Messers verkehrt einstecken. Es geschieht
ferner bisweilen, daß sie ihm auf seiner Schießstätte heimlich eine Sperrkette
überzwerch vor der Scheibe eingraben, wo er dann niemals die Scheibe zu
treffen im Stande ist. Das Gewöhnlichste aber in solchen Fällen ist, daß
ihm der Nebenbuhler oder Gegner "einen Waidmann zu setzen" sucht. "Wenn
einer ein Nohr ausputzt," erzählt unser Förster, "und ist etwa einer,dabei,
der einem mißgönnt, daß man ein gewisser Schütze sei, so wissen ihrer viele
durch dieses Mittel einem alle Schüsse zu verderben. Sie geben nämlich nur
Achtung, daß sie etwas von den Lumpen bekommen, mit welchen das Rohr
ausgeputzt wordeu ist, bohren hernach ein Loch gegen Morgen in einen Eichen¬
baum, thun die Lumpen hinein und schlagen das Loch mit einem Keil oder
Pflock von Hagedorn gemacht wieder zu, so ist derjenige, von dessen Nohr sie
die Lumpen bekommen, mit Schießen verderbt. Denn wenn er hernach auf
ein Wild anschlägt, fängt er über alle Maßen an zu zittern, auch hält das
Wild ihm keinen Stand, hat auch vor der Scheibe oder sonst niemals keinen
gewissen Schuß, es wäre denn, daß die Lumpen wieder aus dem Baume
genommen würden, und dies nennt man einen Waidmann setzen."

Wer sich davor hüten will, muß, so oft er ein Rohr auswischt, die Lap¬
pen nehmen und sie entweder in fließendes Wasser oder in ein Feuer oder
auch in ein heimlich Gemach werfen. Gut gegen alle Verzauberung der Ge¬
wehre sind auch folgende Mittel: Man zieht, wenn man das Haus verläßt,
den Ladestock heraus, stößt ihn dreimal auf die Erde und dann in den Laus,
steckt ihn wieder an seinen Ort und stampft schließlich dreimal mit der Mün¬
dung des Rohrs auf den Boden. Oder man versieht sich mit Moos, das
auf dem Schädel eines armen Sünders gewachsen ist, und ladet davon jedes
Mal ein Wenig zwischen Pulver und Blei. Oder man füttert den Stein im
Hahn mit Kreuzwurzel ein. Oder man nimmt von dem Lager einer Sau,
die Junge hat, neun Strohhalme und schiebt davon neun Glieder in den
Schaft zwischen die beiden Hefte. Um aller Schelmerei zu entgehen, zieht der
vorsichtige Waidmann, wenw er aus die Jagd oder zum Scheibenschießen geht'


Der Jäger hat Neider und Feinde. Er hat bei der letzten hohen Jagd
vorzüglich geschossen, nud der Nachbar gönnt ihm das nicht. Er hat einen
Bauer im Holze gepfändet oder ihm seinen Hund weggeblasen, weil er ih»
ohne den vorschriftsmäßigen Knüppel am Halse im Felde traf, und der Bauer
hat gedroht, ihm das gedenken zu wollen. Der Förster hat einem nichts'
nutzigen Burschen den Dienst gekündigt, und der Schlingel sinnt darauf, wie
er dem Meister einen Possen spielen kann. So hat dieser sich sorgsam zu
hüten, daß ihm nicht Verdrießliches geschehe. Es kommt z. B. vor, daß böse
Leute es so einzurichten wissen, daß ihm sein Gewehr nicht losgeht, was sie
einfach dadurch bewirken, daß sie Messer und Gabel aus der Scheide ziehen
und die letztere an den Ort des Messers verkehrt einstecken. Es geschieht
ferner bisweilen, daß sie ihm auf seiner Schießstätte heimlich eine Sperrkette
überzwerch vor der Scheibe eingraben, wo er dann niemals die Scheibe zu
treffen im Stande ist. Das Gewöhnlichste aber in solchen Fällen ist, daß
ihm der Nebenbuhler oder Gegner „einen Waidmann zu setzen" sucht. „Wenn
einer ein Nohr ausputzt," erzählt unser Förster, „und ist etwa einer,dabei,
der einem mißgönnt, daß man ein gewisser Schütze sei, so wissen ihrer viele
durch dieses Mittel einem alle Schüsse zu verderben. Sie geben nämlich nur
Achtung, daß sie etwas von den Lumpen bekommen, mit welchen das Rohr
ausgeputzt wordeu ist, bohren hernach ein Loch gegen Morgen in einen Eichen¬
baum, thun die Lumpen hinein und schlagen das Loch mit einem Keil oder
Pflock von Hagedorn gemacht wieder zu, so ist derjenige, von dessen Nohr sie
die Lumpen bekommen, mit Schießen verderbt. Denn wenn er hernach auf
ein Wild anschlägt, fängt er über alle Maßen an zu zittern, auch hält das
Wild ihm keinen Stand, hat auch vor der Scheibe oder sonst niemals keinen
gewissen Schuß, es wäre denn, daß die Lumpen wieder aus dem Baume
genommen würden, und dies nennt man einen Waidmann setzen."

Wer sich davor hüten will, muß, so oft er ein Rohr auswischt, die Lap¬
pen nehmen und sie entweder in fließendes Wasser oder in ein Feuer oder
auch in ein heimlich Gemach werfen. Gut gegen alle Verzauberung der Ge¬
wehre sind auch folgende Mittel: Man zieht, wenn man das Haus verläßt,
den Ladestock heraus, stößt ihn dreimal auf die Erde und dann in den Laus,
steckt ihn wieder an seinen Ort und stampft schließlich dreimal mit der Mün¬
dung des Rohrs auf den Boden. Oder man versieht sich mit Moos, das
auf dem Schädel eines armen Sünders gewachsen ist, und ladet davon jedes
Mal ein Wenig zwischen Pulver und Blei. Oder man füttert den Stein im
Hahn mit Kreuzwurzel ein. Oder man nimmt von dem Lager einer Sau,
die Junge hat, neun Strohhalme und schiebt davon neun Glieder in den
Schaft zwischen die beiden Hefte. Um aller Schelmerei zu entgehen, zieht der
vorsichtige Waidmann, wenw er aus die Jagd oder zum Scheibenschießen geht'


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[0308] Der Jäger hat Neider und Feinde. Er hat bei der letzten hohen Jagd vorzüglich geschossen, nud der Nachbar gönnt ihm das nicht. Er hat einen Bauer im Holze gepfändet oder ihm seinen Hund weggeblasen, weil er ih» ohne den vorschriftsmäßigen Knüppel am Halse im Felde traf, und der Bauer hat gedroht, ihm das gedenken zu wollen. Der Förster hat einem nichts' nutzigen Burschen den Dienst gekündigt, und der Schlingel sinnt darauf, wie er dem Meister einen Possen spielen kann. So hat dieser sich sorgsam zu hüten, daß ihm nicht Verdrießliches geschehe. Es kommt z. B. vor, daß böse Leute es so einzurichten wissen, daß ihm sein Gewehr nicht losgeht, was sie einfach dadurch bewirken, daß sie Messer und Gabel aus der Scheide ziehen und die letztere an den Ort des Messers verkehrt einstecken. Es geschieht ferner bisweilen, daß sie ihm auf seiner Schießstätte heimlich eine Sperrkette überzwerch vor der Scheibe eingraben, wo er dann niemals die Scheibe zu treffen im Stande ist. Das Gewöhnlichste aber in solchen Fällen ist, daß ihm der Nebenbuhler oder Gegner „einen Waidmann zu setzen" sucht. „Wenn einer ein Nohr ausputzt," erzählt unser Förster, „und ist etwa einer,dabei, der einem mißgönnt, daß man ein gewisser Schütze sei, so wissen ihrer viele durch dieses Mittel einem alle Schüsse zu verderben. Sie geben nämlich nur Achtung, daß sie etwas von den Lumpen bekommen, mit welchen das Rohr ausgeputzt wordeu ist, bohren hernach ein Loch gegen Morgen in einen Eichen¬ baum, thun die Lumpen hinein und schlagen das Loch mit einem Keil oder Pflock von Hagedorn gemacht wieder zu, so ist derjenige, von dessen Nohr sie die Lumpen bekommen, mit Schießen verderbt. Denn wenn er hernach auf ein Wild anschlägt, fängt er über alle Maßen an zu zittern, auch hält das Wild ihm keinen Stand, hat auch vor der Scheibe oder sonst niemals keinen gewissen Schuß, es wäre denn, daß die Lumpen wieder aus dem Baume genommen würden, und dies nennt man einen Waidmann setzen." Wer sich davor hüten will, muß, so oft er ein Rohr auswischt, die Lap¬ pen nehmen und sie entweder in fließendes Wasser oder in ein Feuer oder auch in ein heimlich Gemach werfen. Gut gegen alle Verzauberung der Ge¬ wehre sind auch folgende Mittel: Man zieht, wenn man das Haus verläßt, den Ladestock heraus, stößt ihn dreimal auf die Erde und dann in den Laus, steckt ihn wieder an seinen Ort und stampft schließlich dreimal mit der Mün¬ dung des Rohrs auf den Boden. Oder man versieht sich mit Moos, das auf dem Schädel eines armen Sünders gewachsen ist, und ladet davon jedes Mal ein Wenig zwischen Pulver und Blei. Oder man füttert den Stein im Hahn mit Kreuzwurzel ein. Oder man nimmt von dem Lager einer Sau, die Junge hat, neun Strohhalme und schiebt davon neun Glieder in den Schaft zwischen die beiden Hefte. Um aller Schelmerei zu entgehen, zieht der vorsichtige Waidmann, wenw er aus die Jagd oder zum Scheibenschießen geht'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/308>, abgerufen am 27.08.2024.