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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Schnee fällt, im December oder Januar, beginnt die Wolfsjagd, bei der ihm
die Bauern der Nachbarschaft und die Jäger der anstoßende" Reviere helfen,
Im Februar wird Junker Rcineckeu vors Quartier gerückt. Im Juni hebt
die Hirschfeiste an, die bis zum August dauert, von wo an nur gepirscht wird,
und das letzte Viertel des Jahres füllt die Sauhatz ans. Dazwischen gibt es
Hasenhetzen, Benzen und allerlei Werk der Vogelstellern. Auch ist fleißig nach
den Salzlecken zu sehen und zu sorgen, daß das Wild im Revier bleibe, sowie
daß es sich an bestimmte Orte gewöhne, und wir erfahren jetzt, was es mit
den Flaschen und Töpfen auf dem Fensterbret für eine Bewandtniß hat, von
denen einige unsere Geruchswerkzeuge fast so übel berühren, als die cingethran-
ten Aufschlagsticfcln unseres Freundes, die an einem Faden aufgehangen in
der Ofenhölle trocknen.

Der Förster kann, wie die Mehrzahl seiner Standesgenossen. "mehr als
Brot essen," und sein kecker Gesell draußen bei den Hunden, von dem niemand
recht weiß, von wo er hergelaufen, soll sich bei trunkuem Muth in der Schenke
vermessen haben, noch mehr zu können. Der Meister will ihn darüber mit
guter Manier wegschicken, sobald sichs thun läßt; denn er mag keine Gottlosig¬
keit im Hause haben. Hat doch der sündhafte Bursch -- nun, er wird es uns
erzählen, wenn wir allein sind.

Im Folgenden theilen wir einiges von dem mit, worauf sich unser Förster,
sich zum Nutzen, Andern zu Schaden und Schabernack versteht. Als Menschen
des neunzehnten Jahrhunderts glauben wir an die wenigsten dieser Künste
noch. Wem sie nur zweifelhaft erscheinen, mag sich gelegentlich damit versuchen.

Um vor wilden Schweinen sicher zu sein, hängt sich unser Jägersmann
Krebsscheeren an den Hals; um sich vor Wölfen und Bären sicher zu stellen,
reibt er sich den Leib mit Lömenschmalz ein. wobei wir uns nur fragen, von
wo er sich dieses echt verschafft haben mag. In der Schachtel da auf dem
Sims ist das Mittel, mit dem man das Wildpret in die Gange gewöhnt, in
die man es haben will: Bresenkraut wohl gedörrt, Holluuderlaub vor Pfingsten
gebrochen. Kramweidenstauden und Salz zu gleichen Theilen, alles zu Pulver
gestoßen. streut man dieses bei Sonnenuntergang auf eine bestimmte Stelle,
so zieht sich alles Wild der Nachbarschaft dahin und besucht später täglich
diesen Ort.

Noch wunderbarere Wirkung haben die braunen Kugeln in der Glasbüchse
daneben. Sie sind aus Kümmel gemacht, der durch ein aus Bilsenkrautsamen,
Mohnkörnern und der Wurzel Succesquieum gepreßtes Oel verbunden ist-
Wirft man sie in ein Feuer, so zieht dessen Rauch alle Thiere aus dem Holze
nach der Flamme hin. Nur der Bär findet den Geruch nicht lockend.'

Weniger reinlich und anmuthig ist das am Fenster zum Destillirer auf
gestellte Mittel, mit dem der Förster seinen Feinden das Wild aus ihren Ne-


Schnee fällt, im December oder Januar, beginnt die Wolfsjagd, bei der ihm
die Bauern der Nachbarschaft und die Jäger der anstoßende» Reviere helfen,
Im Februar wird Junker Rcineckeu vors Quartier gerückt. Im Juni hebt
die Hirschfeiste an, die bis zum August dauert, von wo an nur gepirscht wird,
und das letzte Viertel des Jahres füllt die Sauhatz ans. Dazwischen gibt es
Hasenhetzen, Benzen und allerlei Werk der Vogelstellern. Auch ist fleißig nach
den Salzlecken zu sehen und zu sorgen, daß das Wild im Revier bleibe, sowie
daß es sich an bestimmte Orte gewöhne, und wir erfahren jetzt, was es mit
den Flaschen und Töpfen auf dem Fensterbret für eine Bewandtniß hat, von
denen einige unsere Geruchswerkzeuge fast so übel berühren, als die cingethran-
ten Aufschlagsticfcln unseres Freundes, die an einem Faden aufgehangen in
der Ofenhölle trocknen.

Der Förster kann, wie die Mehrzahl seiner Standesgenossen. „mehr als
Brot essen," und sein kecker Gesell draußen bei den Hunden, von dem niemand
recht weiß, von wo er hergelaufen, soll sich bei trunkuem Muth in der Schenke
vermessen haben, noch mehr zu können. Der Meister will ihn darüber mit
guter Manier wegschicken, sobald sichs thun läßt; denn er mag keine Gottlosig¬
keit im Hause haben. Hat doch der sündhafte Bursch — nun, er wird es uns
erzählen, wenn wir allein sind.

Im Folgenden theilen wir einiges von dem mit, worauf sich unser Förster,
sich zum Nutzen, Andern zu Schaden und Schabernack versteht. Als Menschen
des neunzehnten Jahrhunderts glauben wir an die wenigsten dieser Künste
noch. Wem sie nur zweifelhaft erscheinen, mag sich gelegentlich damit versuchen.

Um vor wilden Schweinen sicher zu sein, hängt sich unser Jägersmann
Krebsscheeren an den Hals; um sich vor Wölfen und Bären sicher zu stellen,
reibt er sich den Leib mit Lömenschmalz ein. wobei wir uns nur fragen, von
wo er sich dieses echt verschafft haben mag. In der Schachtel da auf dem
Sims ist das Mittel, mit dem man das Wildpret in die Gange gewöhnt, in
die man es haben will: Bresenkraut wohl gedörrt, Holluuderlaub vor Pfingsten
gebrochen. Kramweidenstauden und Salz zu gleichen Theilen, alles zu Pulver
gestoßen. streut man dieses bei Sonnenuntergang auf eine bestimmte Stelle,
so zieht sich alles Wild der Nachbarschaft dahin und besucht später täglich
diesen Ort.

Noch wunderbarere Wirkung haben die braunen Kugeln in der Glasbüchse
daneben. Sie sind aus Kümmel gemacht, der durch ein aus Bilsenkrautsamen,
Mohnkörnern und der Wurzel Succesquieum gepreßtes Oel verbunden ist-
Wirft man sie in ein Feuer, so zieht dessen Rauch alle Thiere aus dem Holze
nach der Flamme hin. Nur der Bär findet den Geruch nicht lockend.'

Weniger reinlich und anmuthig ist das am Fenster zum Destillirer auf
gestellte Mittel, mit dem der Förster seinen Feinden das Wild aus ihren Ne-


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[0304] Schnee fällt, im December oder Januar, beginnt die Wolfsjagd, bei der ihm die Bauern der Nachbarschaft und die Jäger der anstoßende» Reviere helfen, Im Februar wird Junker Rcineckeu vors Quartier gerückt. Im Juni hebt die Hirschfeiste an, die bis zum August dauert, von wo an nur gepirscht wird, und das letzte Viertel des Jahres füllt die Sauhatz ans. Dazwischen gibt es Hasenhetzen, Benzen und allerlei Werk der Vogelstellern. Auch ist fleißig nach den Salzlecken zu sehen und zu sorgen, daß das Wild im Revier bleibe, sowie daß es sich an bestimmte Orte gewöhne, und wir erfahren jetzt, was es mit den Flaschen und Töpfen auf dem Fensterbret für eine Bewandtniß hat, von denen einige unsere Geruchswerkzeuge fast so übel berühren, als die cingethran- ten Aufschlagsticfcln unseres Freundes, die an einem Faden aufgehangen in der Ofenhölle trocknen. Der Förster kann, wie die Mehrzahl seiner Standesgenossen. „mehr als Brot essen," und sein kecker Gesell draußen bei den Hunden, von dem niemand recht weiß, von wo er hergelaufen, soll sich bei trunkuem Muth in der Schenke vermessen haben, noch mehr zu können. Der Meister will ihn darüber mit guter Manier wegschicken, sobald sichs thun läßt; denn er mag keine Gottlosig¬ keit im Hause haben. Hat doch der sündhafte Bursch — nun, er wird es uns erzählen, wenn wir allein sind. Im Folgenden theilen wir einiges von dem mit, worauf sich unser Förster, sich zum Nutzen, Andern zu Schaden und Schabernack versteht. Als Menschen des neunzehnten Jahrhunderts glauben wir an die wenigsten dieser Künste noch. Wem sie nur zweifelhaft erscheinen, mag sich gelegentlich damit versuchen. Um vor wilden Schweinen sicher zu sein, hängt sich unser Jägersmann Krebsscheeren an den Hals; um sich vor Wölfen und Bären sicher zu stellen, reibt er sich den Leib mit Lömenschmalz ein. wobei wir uns nur fragen, von wo er sich dieses echt verschafft haben mag. In der Schachtel da auf dem Sims ist das Mittel, mit dem man das Wildpret in die Gange gewöhnt, in die man es haben will: Bresenkraut wohl gedörrt, Holluuderlaub vor Pfingsten gebrochen. Kramweidenstauden und Salz zu gleichen Theilen, alles zu Pulver gestoßen. streut man dieses bei Sonnenuntergang auf eine bestimmte Stelle, so zieht sich alles Wild der Nachbarschaft dahin und besucht später täglich diesen Ort. Noch wunderbarere Wirkung haben die braunen Kugeln in der Glasbüchse daneben. Sie sind aus Kümmel gemacht, der durch ein aus Bilsenkrautsamen, Mohnkörnern und der Wurzel Succesquieum gepreßtes Oel verbunden ist- Wirft man sie in ein Feuer, so zieht dessen Rauch alle Thiere aus dem Holze nach der Flamme hin. Nur der Bär findet den Geruch nicht lockend.' Weniger reinlich und anmuthig ist das am Fenster zum Destillirer auf gestellte Mittel, mit dem der Förster seinen Feinden das Wild aus ihren Ne-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/304>, abgerufen am 26.08.2024.