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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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wiederholte sich in wenig gemildertem Grad ein vielen Orten das Elend, wo¬
rüber eine Hessen-lasset sehe Verordnung von 1V65 in ergreifender Weise
geklagt hatte.

Es ergingen gelegentlich Befehle zur Abtreibung und Wegschiesmng des
Wildes, aber kurz daraus berichtete man, wie es in jener Verordnung heißt"),
daß dasselbe "dennoch ganz zahm und ohne Scheu im Felde und bis an die
Stadtthore herumzugehen, sein Lager in den besten Fruchtfeldern zu nehmen,
die Kälber auch allerdings hineinzusetzen Pflege, welche sich dann als im Feld
geheckt und erzogen, sogar darin gewohnet, daß sie auch den Wald nicht kennen,
sondern vielmehr scheuen und weder durch der Feldhüter Absetzen, Wehren,
Schrecken, Trommelschläger und anderes Getöne, Geruf oder Geschrei, noch
auf andere Weise daraus und in den Wald zu bringen wären. Wozu sich
dann das Wildpret aus den hohen Gemälden, bevorab im Frühling, häufig
herbeiziehet, deu Samen bis zum ersten schossen zwei oder drei Mal abäset,
"ach der Hand sich in die Wiesen begiebet, dieselben gleichfalls rein auffrißt,
und wenn das Heu gemacht und die Frucht einen süßen Kern zu setzen und
ZU reifen beginnet, alsdann wiederkommet, den Nest vollends abäset und ver¬
kitt, sodaß nichts als das Geströh, Trespen und Spitzen von Aehren dem
Ackersmann anstatt der zu hoffenden reichen Ernte übrig bleibet und ... die
Fütterung für seine Pferde, Nind- und Schafvieh also entzogen wird, daß dan°
nenhero und wegen dessen Mangel das Vieh verhungert und demnach die von
Frucht, Vieh, Wolle und Leder dabevor sonst gehabte gute Nahrung verschwin¬
det und des Ackermanns angewandte Kosten, saure Mühe und Arbeit alle um-
>onst und vergebens, deswegen auch viele seit dem Frieden wohl ausgestellte
Felder in großer Anzahl von Neuem wiederum zu wüstem Recht liegen bleiben
und anders nichts als Wüsteneien von ganzen Dorfschaften erfolgen werden."

Wir halten uns mit keinem Vergleich der Nachtheile und der Vortheile
der alten Jagd auf, sondern gönnen dem Bauer, in sein Gott sei Dank
Anstimmend, einfach die Freude, daß er nicht mehr seine Kühe verhungern zu
^sser braucht, damit die der Fürsten und Edelleute fett werden. Die Jagd
>se heutzutage fast allenthalben so weit beschränkt, als es die Regeln einer er¬
leuchteten Volkswirthschaft und die Interessen der zur Mitherrschaft gelangten
"der heranreifenden mittlern und untern Stände gebieten. Sie hat in ihrer
gegenwärtigen bescheidenen Weise nur noch entfernte Aehnlichkeit mit dem
Unfug von ehedem, und mit ihr hat sich auch der Jäger sehr wesentlich ver¬
wandelt.

Der heutige Forstmann ist vorwiegend Waldwirthschafter, sein Revier nicht
l" sehr Stall, wo Wild gemästet wird, als Feld und Garten, wo Holz wächst.



') Landaus Geschichte der Jagd und der Falknerei, Kassel 1S44. S. 14S.
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wiederholte sich in wenig gemildertem Grad ein vielen Orten das Elend, wo¬
rüber eine Hessen-lasset sehe Verordnung von 1V65 in ergreifender Weise
geklagt hatte.

Es ergingen gelegentlich Befehle zur Abtreibung und Wegschiesmng des
Wildes, aber kurz daraus berichtete man, wie es in jener Verordnung heißt"),
daß dasselbe „dennoch ganz zahm und ohne Scheu im Felde und bis an die
Stadtthore herumzugehen, sein Lager in den besten Fruchtfeldern zu nehmen,
die Kälber auch allerdings hineinzusetzen Pflege, welche sich dann als im Feld
geheckt und erzogen, sogar darin gewohnet, daß sie auch den Wald nicht kennen,
sondern vielmehr scheuen und weder durch der Feldhüter Absetzen, Wehren,
Schrecken, Trommelschläger und anderes Getöne, Geruf oder Geschrei, noch
auf andere Weise daraus und in den Wald zu bringen wären. Wozu sich
dann das Wildpret aus den hohen Gemälden, bevorab im Frühling, häufig
herbeiziehet, deu Samen bis zum ersten schossen zwei oder drei Mal abäset,
"ach der Hand sich in die Wiesen begiebet, dieselben gleichfalls rein auffrißt,
und wenn das Heu gemacht und die Frucht einen süßen Kern zu setzen und
ZU reifen beginnet, alsdann wiederkommet, den Nest vollends abäset und ver¬
kitt, sodaß nichts als das Geströh, Trespen und Spitzen von Aehren dem
Ackersmann anstatt der zu hoffenden reichen Ernte übrig bleibet und ... die
Fütterung für seine Pferde, Nind- und Schafvieh also entzogen wird, daß dan°
nenhero und wegen dessen Mangel das Vieh verhungert und demnach die von
Frucht, Vieh, Wolle und Leder dabevor sonst gehabte gute Nahrung verschwin¬
det und des Ackermanns angewandte Kosten, saure Mühe und Arbeit alle um-
>onst und vergebens, deswegen auch viele seit dem Frieden wohl ausgestellte
Felder in großer Anzahl von Neuem wiederum zu wüstem Recht liegen bleiben
und anders nichts als Wüsteneien von ganzen Dorfschaften erfolgen werden."

Wir halten uns mit keinem Vergleich der Nachtheile und der Vortheile
der alten Jagd auf, sondern gönnen dem Bauer, in sein Gott sei Dank
Anstimmend, einfach die Freude, daß er nicht mehr seine Kühe verhungern zu
^sser braucht, damit die der Fürsten und Edelleute fett werden. Die Jagd
>se heutzutage fast allenthalben so weit beschränkt, als es die Regeln einer er¬
leuchteten Volkswirthschaft und die Interessen der zur Mitherrschaft gelangten
"der heranreifenden mittlern und untern Stände gebieten. Sie hat in ihrer
gegenwärtigen bescheidenen Weise nur noch entfernte Aehnlichkeit mit dem
Unfug von ehedem, und mit ihr hat sich auch der Jäger sehr wesentlich ver¬
wandelt.

Der heutige Forstmann ist vorwiegend Waldwirthschafter, sein Revier nicht
l" sehr Stall, wo Wild gemästet wird, als Feld und Garten, wo Holz wächst.



') Landaus Geschichte der Jagd und der Falknerei, Kassel 1S44. S. 14S.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/301>, abgerufen am 26.08.2024.