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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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in ihren Aemtern stehen, sondern er liegt schon zum großen Theil in der
Intelligenz und dem Gewissen des Volkes und seiner Vertreter. Und dieser
erste Fortschritt ist Preußens Bürgschaft für größere. Vieles ist dort noch zu
thun, mancher herbe Streit wird noch durchgefochten werden, ehe der Staat
aus den alten Formen herauswächst und die Lebenskraft sich auszudehnen
und anzuziehen gewinnt, die Kraft, auf welcher die Zukunft Deutschlands
beruht; aber wir alle, die wir um dem jungen Staat der Hohenzollern hängen,
wir vertrauen fest, diese Zeit wird it>in und uns kommen. Und die Bürgschaft
dafür sehen wir darin, daß dreizehn Jahr nach den Debatten des vereinigten
Landtags Verhandlungen möglich waren, wie die Adreßdebattcn im Hause
P der Abgeordneten.




Alter Waidmannsbrauch.
>

Die Jagd ist nicht mehr, was sie war. Leider nicht mehr, was sie in
der alten guten Zeit war! seufzt das Echo aus den Schlössern, wo die nobel"
Passionen zu Hause sind. Gott sei's gedankt, nicht mehr, was sie in der
alten bösen Zeit war, meinen die Bauern, die sich von ihren Großvätern er¬
zählen ließen, was die Waidmannslust ihrer Landesväter für sie zu bedeuten
hatte.

Die naiven alten Zeiten sind vorbei, wo Landgraf Philipp von Hessen
^ "zum Erbarmen" fand, daß "grobe filzige Bauern sich weigerten, seine
Kühe (die Hirsche) in ihr Feld gehen zu lassen, da er doch ihre Kühe in
seinen Wald lasse." Vergangen sind die ebenso gerechten als verständigen
alten Zeiten, wo durch Verordnungen dem Landmann untersagt war,
seine Aecker durch Zäune gegen Wildfraß zu schützen, andere Verord¬
nungen ihn zur Verstümmelung und Lähmung seiner Hunde nöthigten, wieder
andere ihn zu jeder Jagd als Treiber preßten. Mit Betrübmß lesen unsre
Junker von den prächtigen alten Zeiten, wo der Herr Großvater mit Sere-
"issimo zur Parforcejagd ritten und kein Recht so unartig war, ihnen den
Weg durch die Kornfelder und die Kohlgarten des Bauernvolks zu sperren;
schweren Herzens von den anmuthigen muntern Zeiten, wo die selige Frau


Grenjboten I. 1861. 37

in ihren Aemtern stehen, sondern er liegt schon zum großen Theil in der
Intelligenz und dem Gewissen des Volkes und seiner Vertreter. Und dieser
erste Fortschritt ist Preußens Bürgschaft für größere. Vieles ist dort noch zu
thun, mancher herbe Streit wird noch durchgefochten werden, ehe der Staat
aus den alten Formen herauswächst und die Lebenskraft sich auszudehnen
und anzuziehen gewinnt, die Kraft, auf welcher die Zukunft Deutschlands
beruht; aber wir alle, die wir um dem jungen Staat der Hohenzollern hängen,
wir vertrauen fest, diese Zeit wird it>in und uns kommen. Und die Bürgschaft
dafür sehen wir darin, daß dreizehn Jahr nach den Debatten des vereinigten
Landtags Verhandlungen möglich waren, wie die Adreßdebattcn im Hause
P der Abgeordneten.




Alter Waidmannsbrauch.
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Die Jagd ist nicht mehr, was sie war. Leider nicht mehr, was sie in
der alten guten Zeit war! seufzt das Echo aus den Schlössern, wo die nobel»
Passionen zu Hause sind. Gott sei's gedankt, nicht mehr, was sie in der
alten bösen Zeit war, meinen die Bauern, die sich von ihren Großvätern er¬
zählen ließen, was die Waidmannslust ihrer Landesväter für sie zu bedeuten
hatte.

Die naiven alten Zeiten sind vorbei, wo Landgraf Philipp von Hessen
^ „zum Erbarmen" fand, daß „grobe filzige Bauern sich weigerten, seine
Kühe (die Hirsche) in ihr Feld gehen zu lassen, da er doch ihre Kühe in
seinen Wald lasse." Vergangen sind die ebenso gerechten als verständigen
alten Zeiten, wo durch Verordnungen dem Landmann untersagt war,
seine Aecker durch Zäune gegen Wildfraß zu schützen, andere Verord¬
nungen ihn zur Verstümmelung und Lähmung seiner Hunde nöthigten, wieder
andere ihn zu jeder Jagd als Treiber preßten. Mit Betrübmß lesen unsre
Junker von den prächtigen alten Zeiten, wo der Herr Großvater mit Sere-
"issimo zur Parforcejagd ritten und kein Recht so unartig war, ihnen den
Weg durch die Kornfelder und die Kohlgarten des Bauernvolks zu sperren;
schweren Herzens von den anmuthigen muntern Zeiten, wo die selige Frau


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/299>, abgerufen am 26.08.2024.