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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Frage, in der Frage über Beamtenentlassung, in ihrer Arbeit für größere Con-
centration der deutschen Kraft, dem Stolz und den Ueberzeugungen eines großen
Theiles der Preußen, einer starken Mehrheit der liberalen Partei, nicht völlig
Genüge gethan. Es war im Innern des Landes bereits viel Groll, eine
große Entmuthigung zu erkennen, die Meinung des Auslandes. -- wir meinen
hier nicht zumeist England -- bezweifelte bereits die Fähigkeit der Preußen,
in der Gegenwart eine würdige Rolle zu spielen. Die Adreßdebatte hat diese
Stimmung wie mit einem Schlage umgewandelt. Die Redlichkeit und
Loyalität der Minister wird jetzt nach Gebühr gewürdigt; die Tüchtigkeit
und Energie der parlamentarischen Majorität hat überall mit Respect er¬
füllt. Und, o Wunder! sogar die Times ist zum Lobredner Preußens gewor¬
den und tritt sür unser Recht in Schleswig-Holstein auf. Die liberale Opposition
gegen die Minister hat in zweien der Hauptpunkte, in der Bcamtenfrage und
der italienischen Frage, dem Ministerium gegenüber ihre Ueberzeugungen
mit Energie geltend gemacht; sie hat sich begnügt, in der deutschen
Frage warirlen Ueberzeugungen. einen gemäßigten Ausdruck zu geben,
weil eine zweite Niederlage des Herrn v. Schleinitz das Ministerium zu
einem bedenklichen Entschluß zu treiben drohte. Und wir meinen, die
Kammermajorität hatte Recht, nicht weiter zu gehen, denn durch die Kämpfe
einer Woche war Alles erreicht, was im Augenblick zu erreichen war.
Einige unentschlossene und halbe Maßregeln des Ministeriums waren vor
Europa und der Empfindung der Preußen wieder gut gemacht worden, das
Ministerium war trotz der kleinen Wunden, welche es in der Debatte erhalten
hatte, in der öffentlichen Achtung höher gestellt, es war so viel Freimuth,
Ehrlichkeit, Gewissenhaftigkeit und politisches Urtheil zu Tage gekommen,
daß das Verfassungsleben Preußens selbst durch die Debatte neue Befestigungen
"halten hat.

Wie peinlich den Ministern diese Tage gewesen sein mögen, sie vor allen
wogen damit zufrieden sein? sie sind durch die Angriffe, die sie erfahren haben,
wie durch die Antworten, die sie selbst gegeben, von manchem Mißverständnis?
und Zweifel gereinigt worden, der sich auch an ihre reinen Namen gehängt
hatte. Von Herzen wünschen wir, daß kein Stachel in ihrer Seele zurück¬
bleiben möge. Niemand verlangt von ihnen, daß sie Sclaven der öffentlichen
Meinung sein sollen, aber sie hatten sicher zu wenig auf die starke und
hvchbcrcchtigte Empfindung des Volkes geachtet, welche in den Stimmungen
der Intelligenten und in ihrer Presse laut wurde, deren einzelne Aeußerungen
wol immer durch kluge Argumente widerlegt werden können, die alle zusam-
we" aber den Beginn einer starken Strömung ausdrücken, welche ein Staats-
Wann mit Achtung zu beobachten alle Ursache hat.

Der größte Dank aber gebührt der liberalen Opposition. Man hat ihrem


Frage, in der Frage über Beamtenentlassung, in ihrer Arbeit für größere Con-
centration der deutschen Kraft, dem Stolz und den Ueberzeugungen eines großen
Theiles der Preußen, einer starken Mehrheit der liberalen Partei, nicht völlig
Genüge gethan. Es war im Innern des Landes bereits viel Groll, eine
große Entmuthigung zu erkennen, die Meinung des Auslandes. — wir meinen
hier nicht zumeist England — bezweifelte bereits die Fähigkeit der Preußen,
in der Gegenwart eine würdige Rolle zu spielen. Die Adreßdebatte hat diese
Stimmung wie mit einem Schlage umgewandelt. Die Redlichkeit und
Loyalität der Minister wird jetzt nach Gebühr gewürdigt; die Tüchtigkeit
und Energie der parlamentarischen Majorität hat überall mit Respect er¬
füllt. Und, o Wunder! sogar die Times ist zum Lobredner Preußens gewor¬
den und tritt sür unser Recht in Schleswig-Holstein auf. Die liberale Opposition
gegen die Minister hat in zweien der Hauptpunkte, in der Bcamtenfrage und
der italienischen Frage, dem Ministerium gegenüber ihre Ueberzeugungen
mit Energie geltend gemacht; sie hat sich begnügt, in der deutschen
Frage warirlen Ueberzeugungen. einen gemäßigten Ausdruck zu geben,
weil eine zweite Niederlage des Herrn v. Schleinitz das Ministerium zu
einem bedenklichen Entschluß zu treiben drohte. Und wir meinen, die
Kammermajorität hatte Recht, nicht weiter zu gehen, denn durch die Kämpfe
einer Woche war Alles erreicht, was im Augenblick zu erreichen war.
Einige unentschlossene und halbe Maßregeln des Ministeriums waren vor
Europa und der Empfindung der Preußen wieder gut gemacht worden, das
Ministerium war trotz der kleinen Wunden, welche es in der Debatte erhalten
hatte, in der öffentlichen Achtung höher gestellt, es war so viel Freimuth,
Ehrlichkeit, Gewissenhaftigkeit und politisches Urtheil zu Tage gekommen,
daß das Verfassungsleben Preußens selbst durch die Debatte neue Befestigungen
"halten hat.

Wie peinlich den Ministern diese Tage gewesen sein mögen, sie vor allen
wogen damit zufrieden sein? sie sind durch die Angriffe, die sie erfahren haben,
wie durch die Antworten, die sie selbst gegeben, von manchem Mißverständnis?
und Zweifel gereinigt worden, der sich auch an ihre reinen Namen gehängt
hatte. Von Herzen wünschen wir, daß kein Stachel in ihrer Seele zurück¬
bleiben möge. Niemand verlangt von ihnen, daß sie Sclaven der öffentlichen
Meinung sein sollen, aber sie hatten sicher zu wenig auf die starke und
hvchbcrcchtigte Empfindung des Volkes geachtet, welche in den Stimmungen
der Intelligenten und in ihrer Presse laut wurde, deren einzelne Aeußerungen
wol immer durch kluge Argumente widerlegt werden können, die alle zusam-
we» aber den Beginn einer starken Strömung ausdrücken, welche ein Staats-
Wann mit Achtung zu beobachten alle Ursache hat.

Der größte Dank aber gebührt der liberalen Opposition. Man hat ihrem


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[0297] Frage, in der Frage über Beamtenentlassung, in ihrer Arbeit für größere Con- centration der deutschen Kraft, dem Stolz und den Ueberzeugungen eines großen Theiles der Preußen, einer starken Mehrheit der liberalen Partei, nicht völlig Genüge gethan. Es war im Innern des Landes bereits viel Groll, eine große Entmuthigung zu erkennen, die Meinung des Auslandes. — wir meinen hier nicht zumeist England — bezweifelte bereits die Fähigkeit der Preußen, in der Gegenwart eine würdige Rolle zu spielen. Die Adreßdebatte hat diese Stimmung wie mit einem Schlage umgewandelt. Die Redlichkeit und Loyalität der Minister wird jetzt nach Gebühr gewürdigt; die Tüchtigkeit und Energie der parlamentarischen Majorität hat überall mit Respect er¬ füllt. Und, o Wunder! sogar die Times ist zum Lobredner Preußens gewor¬ den und tritt sür unser Recht in Schleswig-Holstein auf. Die liberale Opposition gegen die Minister hat in zweien der Hauptpunkte, in der Bcamtenfrage und der italienischen Frage, dem Ministerium gegenüber ihre Ueberzeugungen mit Energie geltend gemacht; sie hat sich begnügt, in der deutschen Frage warirlen Ueberzeugungen. einen gemäßigten Ausdruck zu geben, weil eine zweite Niederlage des Herrn v. Schleinitz das Ministerium zu einem bedenklichen Entschluß zu treiben drohte. Und wir meinen, die Kammermajorität hatte Recht, nicht weiter zu gehen, denn durch die Kämpfe einer Woche war Alles erreicht, was im Augenblick zu erreichen war. Einige unentschlossene und halbe Maßregeln des Ministeriums waren vor Europa und der Empfindung der Preußen wieder gut gemacht worden, das Ministerium war trotz der kleinen Wunden, welche es in der Debatte erhalten hatte, in der öffentlichen Achtung höher gestellt, es war so viel Freimuth, Ehrlichkeit, Gewissenhaftigkeit und politisches Urtheil zu Tage gekommen, daß das Verfassungsleben Preußens selbst durch die Debatte neue Befestigungen "halten hat. Wie peinlich den Ministern diese Tage gewesen sein mögen, sie vor allen wogen damit zufrieden sein? sie sind durch die Angriffe, die sie erfahren haben, wie durch die Antworten, die sie selbst gegeben, von manchem Mißverständnis? und Zweifel gereinigt worden, der sich auch an ihre reinen Namen gehängt hatte. Von Herzen wünschen wir, daß kein Stachel in ihrer Seele zurück¬ bleiben möge. Niemand verlangt von ihnen, daß sie Sclaven der öffentlichen Meinung sein sollen, aber sie hatten sicher zu wenig auf die starke und hvchbcrcchtigte Empfindung des Volkes geachtet, welche in den Stimmungen der Intelligenten und in ihrer Presse laut wurde, deren einzelne Aeußerungen wol immer durch kluge Argumente widerlegt werden können, die alle zusam- we» aber den Beginn einer starken Strömung ausdrücken, welche ein Staats- Wann mit Achtung zu beobachten alle Ursache hat. Der größte Dank aber gebührt der liberalen Opposition. Man hat ihrem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/297>, abgerufen am 26.08.2024.