Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.hier im Römischen Schauspielhäuser, welche sich sowol an Größe wie an Nächst dem Theater nimmt in den kleinen Städten des Kirchenstaats du ") Aehnliches ist in Deutschland der Fall, unter Anderm in Mannheim, wo sich auch d>e
untern Stände sehr lebhaft für das Theater interessiren. hier im Römischen Schauspielhäuser, welche sich sowol an Größe wie an Nächst dem Theater nimmt in den kleinen Städten des Kirchenstaats du ") Aehnliches ist in Deutschland der Fall, unter Anderm in Mannheim, wo sich auch d>e
untern Stände sehr lebhaft für das Theater interessiren. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0274" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111168"/> <p xml:id="ID_928" prev="#ID_927"> hier im Römischen Schauspielhäuser, welche sich sowol an Größe wie an<lb/> äußerm Schmuck mit den stattlichsten der deutschen Stadttheater messen können.<lb/> Von Rentabilität ist natürlich keine Rede; denn das Theater ist hier nickt<lb/> Unternehmen einer Gesellschaft oder eines Einzelnen, sondern wird aus den<lb/> städtischen Einnahmen verwaltet*), und jeder nicht ganz arme Ort findet eine<lb/> Ehre darin, ein schönes Haus zu besitzen. Mit Ausnahme der Bühnenan¬<lb/> stalten in den Hauptstädten Italiens kennt man keine stehenden Schauspiel-,<lb/> Opern- und Ballgesellschaften. Alle ander» Orte engagiren sich je nach dem<lb/> Bedürfniß des Jahres .el» oder zwei Mal eine dramatiscke oder eine Opern-<lb/> gesellschnft zusammen. Eine Theatersaison hat 24 — 30 Vorstellungen. Das<lb/> Repertoir ist immer sehr arm: eine Schauspielsaison bringt höchstens 5 — 6 Dra¬<lb/> men, eine Opernsaison in der Regel 3 Opern, von denen jede 8 — 10 Mai<lb/> hintereinander gegeben wird. Das Publikum zeigt sich stets sehr dankbar.<lb/> Vom Drama versteht man in der Regel nicht viel, und so ist von Kritik nicht<lb/> die Rede. Lustspiele sind besonders beliebt, doch folgt auch im ernsten Drama<lb/> jedem Monolog und jeder Scene lautschallendes Bravo. Bunte Scenerie und<lb/> Decoration werden einfacher Ausstattung vorgezogen. In Betreff der Oper<lb/> haben sie mehr Urtheil und Geschmack, d. h. für die italienische Oper; denn<lb/> eine deutsche kommt hier sehr selten, und dann gewöhnlich verunstaltet zur<lb/> Aufführung. Das Publikum verlangt, wenn es zufrieden sein soll, eine gute<lb/> Primadonna, einen tüchtigen Tenor, die in Italien häufiger sind als bei uns.<lb/> und einen guten Baßbusfo. ' Das Uebrige ist gleichgültig. Jede Arie wird<lb/> applaudirt, daß das Haus in heulen Grundfesten erzittert. Am Ende jedes<lb/> Acres werden die Haupthelden herausgerufen, am Ende der Vorstellung überschüttet<lb/> man sie mit Blumen, Gedichten und oft mit werthvollen Geschenken. Das gerin¬<lb/> gere Personal, die Sänger zweiter und dritter Rollen haben dabei in der Regel<lb/> die unglückliche Stellung, daß sie, gleichviel ob brav oder schlecht,'»olens volens<lb/> dem Publikum zum Spott und Hohn, zum Auszischen und Auspfeifen dienen<lb/> müssen. Selten sind die Kostüme und Decorationen der Zeit, in der die Oper<lb/> oder das Drama spielt, angepaßt, sehr selten ist in der Oper von Spiel die Rede:<lb/> wer eine Arie zu singen hat, tritt, um besser gehört zu werden, vorn an die<lb/> Lampen. Der Souffleur sitzt ohne Häuschen frei und offen da. Das Orche¬<lb/> ster ist dagegen meist recht gut besetzt, und die jungen Löwen der Stadt be¬<lb/> mühen sich während der Saison, durch ein Sonett, welches an allen Ecke»<lb/> der Straßen angeschlagen wird, die Primadonna zu verherrlichen. Boshafte<lb/> Kritik der Manier der Sänger ist geradezu unerhört.'</p><lb/> <p xml:id="ID_929" next="#ID_930"> Nächst dem Theater nimmt in den kleinen Städten des Kirchenstaats du<lb/> Tombola den ersten Rang unter den Volksvergnügungen ein. Diese ist f^</p><lb/> <note xml:id="FID_16" place="foot"> ") Aehnliches ist in Deutschland der Fall, unter Anderm in Mannheim, wo sich auch d>e<lb/> untern Stände sehr lebhaft für das Theater interessiren.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0274]
hier im Römischen Schauspielhäuser, welche sich sowol an Größe wie an
äußerm Schmuck mit den stattlichsten der deutschen Stadttheater messen können.
Von Rentabilität ist natürlich keine Rede; denn das Theater ist hier nickt
Unternehmen einer Gesellschaft oder eines Einzelnen, sondern wird aus den
städtischen Einnahmen verwaltet*), und jeder nicht ganz arme Ort findet eine
Ehre darin, ein schönes Haus zu besitzen. Mit Ausnahme der Bühnenan¬
stalten in den Hauptstädten Italiens kennt man keine stehenden Schauspiel-,
Opern- und Ballgesellschaften. Alle ander» Orte engagiren sich je nach dem
Bedürfniß des Jahres .el» oder zwei Mal eine dramatiscke oder eine Opern-
gesellschnft zusammen. Eine Theatersaison hat 24 — 30 Vorstellungen. Das
Repertoir ist immer sehr arm: eine Schauspielsaison bringt höchstens 5 — 6 Dra¬
men, eine Opernsaison in der Regel 3 Opern, von denen jede 8 — 10 Mai
hintereinander gegeben wird. Das Publikum zeigt sich stets sehr dankbar.
Vom Drama versteht man in der Regel nicht viel, und so ist von Kritik nicht
die Rede. Lustspiele sind besonders beliebt, doch folgt auch im ernsten Drama
jedem Monolog und jeder Scene lautschallendes Bravo. Bunte Scenerie und
Decoration werden einfacher Ausstattung vorgezogen. In Betreff der Oper
haben sie mehr Urtheil und Geschmack, d. h. für die italienische Oper; denn
eine deutsche kommt hier sehr selten, und dann gewöhnlich verunstaltet zur
Aufführung. Das Publikum verlangt, wenn es zufrieden sein soll, eine gute
Primadonna, einen tüchtigen Tenor, die in Italien häufiger sind als bei uns.
und einen guten Baßbusfo. ' Das Uebrige ist gleichgültig. Jede Arie wird
applaudirt, daß das Haus in heulen Grundfesten erzittert. Am Ende jedes
Acres werden die Haupthelden herausgerufen, am Ende der Vorstellung überschüttet
man sie mit Blumen, Gedichten und oft mit werthvollen Geschenken. Das gerin¬
gere Personal, die Sänger zweiter und dritter Rollen haben dabei in der Regel
die unglückliche Stellung, daß sie, gleichviel ob brav oder schlecht,'»olens volens
dem Publikum zum Spott und Hohn, zum Auszischen und Auspfeifen dienen
müssen. Selten sind die Kostüme und Decorationen der Zeit, in der die Oper
oder das Drama spielt, angepaßt, sehr selten ist in der Oper von Spiel die Rede:
wer eine Arie zu singen hat, tritt, um besser gehört zu werden, vorn an die
Lampen. Der Souffleur sitzt ohne Häuschen frei und offen da. Das Orche¬
ster ist dagegen meist recht gut besetzt, und die jungen Löwen der Stadt be¬
mühen sich während der Saison, durch ein Sonett, welches an allen Ecke»
der Straßen angeschlagen wird, die Primadonna zu verherrlichen. Boshafte
Kritik der Manier der Sänger ist geradezu unerhört.'
Nächst dem Theater nimmt in den kleinen Städten des Kirchenstaats du
Tombola den ersten Rang unter den Volksvergnügungen ein. Diese ist f^
") Aehnliches ist in Deutschland der Fall, unter Anderm in Mannheim, wo sich auch d>e
untern Stände sehr lebhaft für das Theater interessiren.
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Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
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