Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Getreideboden und die Gebäude im Hofe als Ställe für Esel und Maulthiere.
Wir betrachten nun den Palast ein wenig näher. Durch das Portal hindurch
kommen wir in eine gewölbte, auf Säulen ruhende Borhalle, welche vom Hofe
durch ein eisernes Gitter getrennt ist. Rechts und links führt eine Treppe, die
sammt ihrem Geländer von Marmor ist, hinauf in den Lorsaal. Die Decke
"des Treppenhauses ist mit Fresken, die Wände sind mit Statuen in Nischen
geschmückt, welche meist mythologische Figuren, Genien, Engel, bisweilen auch
italienische Celebritäten vorstellen. Von diesem Vorsaale aus kann man auf einen
geräumigen Balkon gelangen, welcher unmittelbar über dem Portale angebracht
ist. Rechts und links an den Vorsaal stoßen große Empfangzimmer, die einst den
Glanzpunkt des Palazzo bildeten. Heut sind die Goldverzierungen in ihnen
verblichen, die werthvolle" seidenen Tapeten haben Löcher, Schmutzflecke und
Nisse, die Thüren schließen nicht mehr, die Fenster sind seit Jahrzehnten nicht
gewaschen, und Spinnwebe" hängen von der Decke in solcher Anzahl herunter,
daß man die Frescogcmälde des Plafonds nicht mehr erkennen kann. Der
Kamin ist theilweise zusammengestürzt und die zerbrochenen Sculpturwerkc
seines Simses so mit Staub bedeckt, daß man nicht weiß, ob sie von Marmor
oder von Gyps sind. -- Auf dem steinerne" Fußboden liege" Vorräthe von
Weizen und Mais aufgeschichtet. Dasselbe ist bei den andern Zimmern der
Fall, welche in riesiger Anzahl an diese Säle anstoßen. Der zweite Stock ist
ähnlich beschaffen wie der erste -- überall Staub. Moder und Verfall. Im Hose lie¬
gen Trümmer von Säulen und Statuen, welche Schlingpflanzen mit ihrem Ge¬
webe überwucher". Aus den Ritze" des parquetartigen Pflasters sproßt Gras
hervor. Auch der Garten ist zur Einöde geworden, und nur die Orangerie und einige
Blumentöpfe cri""ern a" das, was er gewesen. Der Springbrunnen ist versiegt,
seine Figuren i" einen dickem Mantel von Unkraut und Gestrüpp gehüllt, sein
Bassin verschüttet und ebenfalls verwachsen, die Gartenmauer und die Säule" der
ehemalige" Pavillons theils eingestürzt, theils ruincaartig mit wildem Wei".
Eybe" überwuchert. Vo" Blumen keine Spur, außer denen, welche auf jedem
Felde wild wachse". Wir wisse" kein treffenderes Sinnbild der Verkommenheit
des heutigen italienischen Adels, als solch einen Palast. Nachdem wir noch einige
fünfzig Schritt durch die stille Gasse zurückgelegt habe", treten wir in die
Osteria. Statt Aushängeschild dient hier eine über der Thür aufgehängte Flasche,
die mit Wein gefüllt ist. und unter der ein kleiner Zettel mit einer einfachen
Nummer den Preis des letzteren anzeigt; oder el" ausgestcckcer grüner Laubast>
Indeß bedarf es dessen kaum, da uns der Dust in Oel gebackner Fische und
ähnlicher Speisen, der aus der Thür des Locals strömt, schon Wegweiser
genug ist. Wir treten in eine niedrige, rauchige, fast ganz dunkle Höhle, in
rvelckcr wir uns erst "ach einigen Minuten Aufenthalt gehörig zu orientiren
im Stande sind. Im Hintergründe steht der Kochherd, an welchem vier


Getreideboden und die Gebäude im Hofe als Ställe für Esel und Maulthiere.
Wir betrachten nun den Palast ein wenig näher. Durch das Portal hindurch
kommen wir in eine gewölbte, auf Säulen ruhende Borhalle, welche vom Hofe
durch ein eisernes Gitter getrennt ist. Rechts und links führt eine Treppe, die
sammt ihrem Geländer von Marmor ist, hinauf in den Lorsaal. Die Decke
»des Treppenhauses ist mit Fresken, die Wände sind mit Statuen in Nischen
geschmückt, welche meist mythologische Figuren, Genien, Engel, bisweilen auch
italienische Celebritäten vorstellen. Von diesem Vorsaale aus kann man auf einen
geräumigen Balkon gelangen, welcher unmittelbar über dem Portale angebracht
ist. Rechts und links an den Vorsaal stoßen große Empfangzimmer, die einst den
Glanzpunkt des Palazzo bildeten. Heut sind die Goldverzierungen in ihnen
verblichen, die werthvolle» seidenen Tapeten haben Löcher, Schmutzflecke und
Nisse, die Thüren schließen nicht mehr, die Fenster sind seit Jahrzehnten nicht
gewaschen, und Spinnwebe» hängen von der Decke in solcher Anzahl herunter,
daß man die Frescogcmälde des Plafonds nicht mehr erkennen kann. Der
Kamin ist theilweise zusammengestürzt und die zerbrochenen Sculpturwerkc
seines Simses so mit Staub bedeckt, daß man nicht weiß, ob sie von Marmor
oder von Gyps sind. — Auf dem steinerne» Fußboden liege» Vorräthe von
Weizen und Mais aufgeschichtet. Dasselbe ist bei den andern Zimmern der
Fall, welche in riesiger Anzahl an diese Säle anstoßen. Der zweite Stock ist
ähnlich beschaffen wie der erste — überall Staub. Moder und Verfall. Im Hose lie¬
gen Trümmer von Säulen und Statuen, welche Schlingpflanzen mit ihrem Ge¬
webe überwucher». Aus den Ritze» des parquetartigen Pflasters sproßt Gras
hervor. Auch der Garten ist zur Einöde geworden, und nur die Orangerie und einige
Blumentöpfe cri»»ern a» das, was er gewesen. Der Springbrunnen ist versiegt,
seine Figuren i» einen dickem Mantel von Unkraut und Gestrüpp gehüllt, sein
Bassin verschüttet und ebenfalls verwachsen, die Gartenmauer und die Säule» der
ehemalige» Pavillons theils eingestürzt, theils ruincaartig mit wildem Wei».
Eybe» überwuchert. Vo» Blumen keine Spur, außer denen, welche auf jedem
Felde wild wachse». Wir wisse» kein treffenderes Sinnbild der Verkommenheit
des heutigen italienischen Adels, als solch einen Palast. Nachdem wir noch einige
fünfzig Schritt durch die stille Gasse zurückgelegt habe», treten wir in die
Osteria. Statt Aushängeschild dient hier eine über der Thür aufgehängte Flasche,
die mit Wein gefüllt ist. und unter der ein kleiner Zettel mit einer einfachen
Nummer den Preis des letzteren anzeigt; oder el» ausgestcckcer grüner Laubast>
Indeß bedarf es dessen kaum, da uns der Dust in Oel gebackner Fische und
ähnlicher Speisen, der aus der Thür des Locals strömt, schon Wegweiser
genug ist. Wir treten in eine niedrige, rauchige, fast ganz dunkle Höhle, in
rvelckcr wir uns erst »ach einigen Minuten Aufenthalt gehörig zu orientiren
im Stande sind. Im Hintergründe steht der Kochherd, an welchem vier


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0272" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111166"/>
          <p xml:id="ID_922" prev="#ID_921" next="#ID_923"> Getreideboden und die Gebäude im Hofe als Ställe für Esel und Maulthiere.<lb/>
Wir betrachten nun den Palast ein wenig näher. Durch das Portal hindurch<lb/>
kommen wir in eine gewölbte, auf Säulen ruhende Borhalle, welche vom Hofe<lb/>
durch ein eisernes Gitter getrennt ist. Rechts und links führt eine Treppe, die<lb/>
sammt ihrem Geländer von Marmor ist, hinauf in den Lorsaal. Die Decke<lb/>
»des Treppenhauses ist mit Fresken, die Wände sind mit Statuen in Nischen<lb/>
geschmückt, welche meist mythologische Figuren, Genien, Engel, bisweilen auch<lb/>
italienische Celebritäten vorstellen. Von diesem Vorsaale aus kann man auf einen<lb/>
geräumigen Balkon gelangen, welcher unmittelbar über dem Portale angebracht<lb/>
ist. Rechts und links an den Vorsaal stoßen große Empfangzimmer, die einst den<lb/>
Glanzpunkt des Palazzo bildeten. Heut sind die Goldverzierungen in ihnen<lb/>
verblichen, die werthvolle» seidenen Tapeten haben Löcher, Schmutzflecke und<lb/>
Nisse, die Thüren schließen nicht mehr, die Fenster sind seit Jahrzehnten nicht<lb/>
gewaschen, und Spinnwebe» hängen von der Decke in solcher Anzahl herunter,<lb/>
daß man die Frescogcmälde des Plafonds nicht mehr erkennen kann. Der<lb/>
Kamin ist theilweise zusammengestürzt und die zerbrochenen Sculpturwerkc<lb/>
seines Simses so mit Staub bedeckt, daß man nicht weiß, ob sie von Marmor<lb/>
oder von Gyps sind. &#x2014; Auf dem steinerne» Fußboden liege» Vorräthe von<lb/>
Weizen und Mais aufgeschichtet. Dasselbe ist bei den andern Zimmern der<lb/>
Fall, welche in riesiger Anzahl an diese Säle anstoßen. Der zweite Stock ist<lb/>
ähnlich beschaffen wie der erste &#x2014; überall Staub. Moder und Verfall. Im Hose lie¬<lb/>
gen Trümmer von Säulen und Statuen, welche Schlingpflanzen mit ihrem Ge¬<lb/>
webe überwucher». Aus den Ritze» des parquetartigen Pflasters sproßt Gras<lb/>
hervor. Auch der Garten ist zur Einöde geworden, und nur die Orangerie und einige<lb/>
Blumentöpfe cri»»ern a» das, was er gewesen. Der Springbrunnen ist versiegt,<lb/>
seine Figuren i» einen dickem Mantel von Unkraut und Gestrüpp gehüllt, sein<lb/>
Bassin verschüttet und ebenfalls verwachsen, die Gartenmauer und die Säule» der<lb/>
ehemalige» Pavillons theils eingestürzt, theils ruincaartig mit wildem Wei».<lb/>
Eybe» überwuchert. Vo» Blumen keine Spur, außer denen, welche auf jedem<lb/>
Felde wild wachse». Wir wisse» kein treffenderes Sinnbild der Verkommenheit<lb/>
des heutigen italienischen Adels, als solch einen Palast. Nachdem wir noch einige<lb/>
fünfzig Schritt durch die stille Gasse zurückgelegt habe», treten wir in die<lb/>
Osteria. Statt Aushängeschild dient hier eine über der Thür aufgehängte Flasche,<lb/>
die mit Wein gefüllt ist. und unter der ein kleiner Zettel mit einer einfachen<lb/>
Nummer den Preis des letzteren anzeigt; oder el» ausgestcckcer grüner Laubast&gt;<lb/>
Indeß bedarf es dessen kaum, da uns der Dust in Oel gebackner Fische und<lb/>
ähnlicher Speisen, der aus der Thür des Locals strömt, schon Wegweiser<lb/>
genug ist. Wir treten in eine niedrige, rauchige, fast ganz dunkle Höhle, in<lb/>
rvelckcr wir uns erst »ach einigen Minuten Aufenthalt gehörig zu orientiren<lb/>
im Stande sind.  Im Hintergründe steht der Kochherd, an welchem vier</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0272] Getreideboden und die Gebäude im Hofe als Ställe für Esel und Maulthiere. Wir betrachten nun den Palast ein wenig näher. Durch das Portal hindurch kommen wir in eine gewölbte, auf Säulen ruhende Borhalle, welche vom Hofe durch ein eisernes Gitter getrennt ist. Rechts und links führt eine Treppe, die sammt ihrem Geländer von Marmor ist, hinauf in den Lorsaal. Die Decke »des Treppenhauses ist mit Fresken, die Wände sind mit Statuen in Nischen geschmückt, welche meist mythologische Figuren, Genien, Engel, bisweilen auch italienische Celebritäten vorstellen. Von diesem Vorsaale aus kann man auf einen geräumigen Balkon gelangen, welcher unmittelbar über dem Portale angebracht ist. Rechts und links an den Vorsaal stoßen große Empfangzimmer, die einst den Glanzpunkt des Palazzo bildeten. Heut sind die Goldverzierungen in ihnen verblichen, die werthvolle» seidenen Tapeten haben Löcher, Schmutzflecke und Nisse, die Thüren schließen nicht mehr, die Fenster sind seit Jahrzehnten nicht gewaschen, und Spinnwebe» hängen von der Decke in solcher Anzahl herunter, daß man die Frescogcmälde des Plafonds nicht mehr erkennen kann. Der Kamin ist theilweise zusammengestürzt und die zerbrochenen Sculpturwerkc seines Simses so mit Staub bedeckt, daß man nicht weiß, ob sie von Marmor oder von Gyps sind. — Auf dem steinerne» Fußboden liege» Vorräthe von Weizen und Mais aufgeschichtet. Dasselbe ist bei den andern Zimmern der Fall, welche in riesiger Anzahl an diese Säle anstoßen. Der zweite Stock ist ähnlich beschaffen wie der erste — überall Staub. Moder und Verfall. Im Hose lie¬ gen Trümmer von Säulen und Statuen, welche Schlingpflanzen mit ihrem Ge¬ webe überwucher». Aus den Ritze» des parquetartigen Pflasters sproßt Gras hervor. Auch der Garten ist zur Einöde geworden, und nur die Orangerie und einige Blumentöpfe cri»»ern a» das, was er gewesen. Der Springbrunnen ist versiegt, seine Figuren i» einen dickem Mantel von Unkraut und Gestrüpp gehüllt, sein Bassin verschüttet und ebenfalls verwachsen, die Gartenmauer und die Säule» der ehemalige» Pavillons theils eingestürzt, theils ruincaartig mit wildem Wei». Eybe» überwuchert. Vo» Blumen keine Spur, außer denen, welche auf jedem Felde wild wachse». Wir wisse» kein treffenderes Sinnbild der Verkommenheit des heutigen italienischen Adels, als solch einen Palast. Nachdem wir noch einige fünfzig Schritt durch die stille Gasse zurückgelegt habe», treten wir in die Osteria. Statt Aushängeschild dient hier eine über der Thür aufgehängte Flasche, die mit Wein gefüllt ist. und unter der ein kleiner Zettel mit einer einfachen Nummer den Preis des letzteren anzeigt; oder el» ausgestcckcer grüner Laubast> Indeß bedarf es dessen kaum, da uns der Dust in Oel gebackner Fische und ähnlicher Speisen, der aus der Thür des Locals strömt, schon Wegweiser genug ist. Wir treten in eine niedrige, rauchige, fast ganz dunkle Höhle, in rvelckcr wir uns erst »ach einigen Minuten Aufenthalt gehörig zu orientiren im Stande sind. Im Hintergründe steht der Kochherd, an welchem vier

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/272
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/272>, abgerufen am 16.01.2025.