Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.Im Thorgewölbe tritt uns der Herr Finanziere entgegen und fragt, ob Im Thorgewölbe tritt uns der Herr Finanziere entgegen und fragt, ob <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0266" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111160"/> <p xml:id="ID_911" next="#ID_912"> Im Thorgewölbe tritt uns der Herr Finanziere entgegen und fragt, ob<lb/> wir etwas steuerbares bei uns haben. Kommen wir im Birrocino, so revi-<lb/> dirt er das Korbgeflecht mit seinem Spieß. Haben wir eine Reisetasche oder<lb/> Botanisirtrommel, so läßt er sich deren Inlmlt zeigen. Doch ist er in der<lb/> Regel eine gute Seele, die mit sich reden läßt und die Eigenschaft hat. daß<lb/> sie. wenn nur ihr ein Silberstückchen in die Hand drücke», für alles Steuer¬<lb/> bare im Koffer oder Ranzen blind wird. In Ermangelung von Geld<lb/> kann man ihn auch mit einem kleinen Tribut an Waare abfinden, besonders<lb/> wenn dieselbe eßbar ist. Der Zoll der'Büuerinncn besteht gar nur darin, daß<lb/> sie sich von dem Finanzwachter geduldig einige-kleine Zudringlichkeiten gefallen<lb/> lasse». Vom Thore aus führt eine große, oft zu beiden Seiten mit Arkaden<lb/> geschmückte Straße in krummer Linie bis auf den Marktplatz, und von dort<lb/> nach dem entgegengesetzten Thor; dies ist der sogenannte Corso, oder<lb/> die Strada maggsore, wie die Hauptstraße in den meisten Stadien heißt.<lb/> Hier findet man die vornehmsten Gasthäuser, die ersten Kaffees, die<lb/> schönsten Läden, die modernsten Häuser und mit Ausnahme der für die<lb/> Siesta bestimmten Stunden ein starkes Menschengewühl. Das hereinströ¬<lb/> mende frisch aussehende Bauernvolk in seiner hübschen bunten Tracht gibt des<lb/> Morgens dem Corso ein pittoreskes Aussehen, während gegen Abend die<lb/> Kutschen der Reichen hier paradiren und die schöne Welt beim Lampen- oder<lb/> Mondschein promcnnt. Wir drängen uns durch das Volk nach der Piazz«<lb/> grande, dem Hauptplatz, von wo aus uns ein verworrenes Getöse entgegen¬<lb/> bringt. Derselbe bietet einen imposanten Anblick. Er ist gewöhnlich sehr<lb/> groß und sast immer in der Mitte durch einen mächtigen steinernen Spring-<lb/> brunnen geziert, welcher uuter dem Dreizack seines Neptun und aus den Nüstern<lb/> seiner Rosse und Delphine schon vielen Geschlechtern des Ortes den silberhellen<lb/> Strahl gespendet hat. Nicht weit davon befindet sich auf einer Säule das Standbild<lb/> der Schutzpatronin des Ortes, welche fast immer die Madonna ist. Die den<lb/> Platz umgebenden. mit Arcaden geschmückten Häuser sind meist öffentliche. Die<lb/> eine Seite nimmt der Municipalitätspalast oder die sogenannte Commune el»,<lb/> mit dreißig und mehr Fenstern Front, deren grüne Jalousien eine angenehme<lb/> Unterbrechung im düstern unabgeputzten Mauerwerk bilden. Hier residirt der<lb/> Hochwohlweise Rath, und neben ihm die Sicherheitsorgane: rechts ist das Gen¬<lb/> darmeriegebäude, links die Hauptwache. Visavis bildet eine große Kirche<lb/> die andere Front des Platzes; sie ist von Stein und verschwenderisch "Ut<lb/> Marmor geschmückt, doch läßt ihr Baustyl kalt; sie ist nicht gothisch, nicht by¬<lb/> zantinisch, nicht maurisch, nicht griechisch gebaut, sondern hat von allen diesi'N<lb/> Manieren etwas an sich. Die beiden Ncbenseiten des Platzes werden von dem<lb/> Postgebüude und dem Steueramte, sowie von einigen Kaffees, Apotheken, Gro߬<lb/> handlungen und Gasthäusern eingenommen. Auf einer Seite des Platzes</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0266]
Im Thorgewölbe tritt uns der Herr Finanziere entgegen und fragt, ob
wir etwas steuerbares bei uns haben. Kommen wir im Birrocino, so revi-
dirt er das Korbgeflecht mit seinem Spieß. Haben wir eine Reisetasche oder
Botanisirtrommel, so läßt er sich deren Inlmlt zeigen. Doch ist er in der
Regel eine gute Seele, die mit sich reden läßt und die Eigenschaft hat. daß
sie. wenn nur ihr ein Silberstückchen in die Hand drücke», für alles Steuer¬
bare im Koffer oder Ranzen blind wird. In Ermangelung von Geld
kann man ihn auch mit einem kleinen Tribut an Waare abfinden, besonders
wenn dieselbe eßbar ist. Der Zoll der'Büuerinncn besteht gar nur darin, daß
sie sich von dem Finanzwachter geduldig einige-kleine Zudringlichkeiten gefallen
lasse». Vom Thore aus führt eine große, oft zu beiden Seiten mit Arkaden
geschmückte Straße in krummer Linie bis auf den Marktplatz, und von dort
nach dem entgegengesetzten Thor; dies ist der sogenannte Corso, oder
die Strada maggsore, wie die Hauptstraße in den meisten Stadien heißt.
Hier findet man die vornehmsten Gasthäuser, die ersten Kaffees, die
schönsten Läden, die modernsten Häuser und mit Ausnahme der für die
Siesta bestimmten Stunden ein starkes Menschengewühl. Das hereinströ¬
mende frisch aussehende Bauernvolk in seiner hübschen bunten Tracht gibt des
Morgens dem Corso ein pittoreskes Aussehen, während gegen Abend die
Kutschen der Reichen hier paradiren und die schöne Welt beim Lampen- oder
Mondschein promcnnt. Wir drängen uns durch das Volk nach der Piazz«
grande, dem Hauptplatz, von wo aus uns ein verworrenes Getöse entgegen¬
bringt. Derselbe bietet einen imposanten Anblick. Er ist gewöhnlich sehr
groß und sast immer in der Mitte durch einen mächtigen steinernen Spring-
brunnen geziert, welcher uuter dem Dreizack seines Neptun und aus den Nüstern
seiner Rosse und Delphine schon vielen Geschlechtern des Ortes den silberhellen
Strahl gespendet hat. Nicht weit davon befindet sich auf einer Säule das Standbild
der Schutzpatronin des Ortes, welche fast immer die Madonna ist. Die den
Platz umgebenden. mit Arcaden geschmückten Häuser sind meist öffentliche. Die
eine Seite nimmt der Municipalitätspalast oder die sogenannte Commune el»,
mit dreißig und mehr Fenstern Front, deren grüne Jalousien eine angenehme
Unterbrechung im düstern unabgeputzten Mauerwerk bilden. Hier residirt der
Hochwohlweise Rath, und neben ihm die Sicherheitsorgane: rechts ist das Gen¬
darmeriegebäude, links die Hauptwache. Visavis bildet eine große Kirche
die andere Front des Platzes; sie ist von Stein und verschwenderisch "Ut
Marmor geschmückt, doch läßt ihr Baustyl kalt; sie ist nicht gothisch, nicht by¬
zantinisch, nicht maurisch, nicht griechisch gebaut, sondern hat von allen diesi'N
Manieren etwas an sich. Die beiden Ncbenseiten des Platzes werden von dem
Postgebüude und dem Steueramte, sowie von einigen Kaffees, Apotheken, Gro߬
handlungen und Gasthäusern eingenommen. Auf einer Seite des Platzes
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