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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Sonnabend Nachmittag Exercirschule nach Art der Schwcizereinrichtung. Die
Lehrer dazu sind bald gesunden, mau nimmt später dazu am beste" die älteren
Knaben wie in den Kadettencorps. Gesundheit des Leibes und der Seele
würde bei solcher Einrichtung wesentlich gewinnen.

Nach der Kenntniß der Compagnieschulc ist das Wichtigste, was der In"
fanterist zu lernen hat, der Gebrauch seiner Waffe, vor Allem das Schießen.
Aber auch das kann der Rekrut mitbringen, wenn er im 18., 1". und 20.
Jahre in Schießschulen dazu Anleitung erhält. Wir glauben mit Recht fra¬
gen zu dürfen, ob es selbst den strengsten Anforderungen nöthig erscheinen
würde, so vorgebildete Rekruten bei der Infanterie noch länger als zwei
Sommer und einen Winter bei der Fahne zu halten. Das sogenannte zum
Soldaten machen im dritten Dienstjahre halten wir selbst von denen, welche
immer damit hervortreten, nicht für recht ernsthaft gemeint. In Preußen
hat die allgemeine Dienstpflicht uns allen so viel Kenntniß grade hierüber
gegeben, daß Jeder weiß, wo das eigentlich gefunden wird, was hier ver¬
nünftigerweise gemeint sein kann. Wir wissen, daß es vielmehr ein Produkt
der Gesinnung und des reifern Alters!, des Jünglings, der ein Mann
geworden, als das Ergebniß einer Art bis zur Langweiligkeit fortge¬
setzter Dressur ist. welche sogar, sobald sie Unlust erzeugt, dem Nerv aller
militärischen Kraft, der Disciplin eher nachtheilig als förderlich wird. Die
Freiwilligkeit des Gehorsams ist überall und zu allen Zeiten der sicherste Grund
aller Disciplin gewesen. Jeder Soldat begreift augenblicklich die absolute
Nothwendigkeit des strengsten Gehorsams für die Ehre seiner Truppe, und
wie nun erst der Gebildete und der, dem es von Kindheit an so vorgetragen
worden.

Wir haben hier also einen sehr bestimmten Punkt, wo die Freiwilligkeit
bei uns dem Bedürfnisse des Staats auf das wirksamste entgegen kommen
könnte: man sorge für militärische Uebungen der Schulen und für Schießein-
richtungcn der jungen Leute vor ihrem Eintreten. Das kann der Einzelne
allerdings nicht ausrichten, hier heißt es Association, das große Wort, womit
England so Ungeheures erreicht hat, und wofür der Sinn uns in Deutschland
mit den freieren Perfnssnngen eben erst aufgeht. Es ist nichts für die Ent¬
wicklung der wahren Freiheit zu hoffen, wenn wir nicht wie die Engländer
lernen aus uns selbst heraus uns zu fördern, nicht immer Alles und Jedes von der
Regierung zu> erwarten und zu fordern. Marsche sich solche Verhandlungen an,
wie die, welche nach der Times vom 31. Dec. in Preston in Lancashire statt¬
gefunden haben, um die Mittel ausfindig zu machen, der gegenwärtigen groß'
eigen Freiwilligenbewegung, auf welche ganz England mit Recht stolz ist. ouch
für die Zeiten geringerer Besorgniß Dauer zu verschaffen; da ist zu lernen, wie
dergleichen anzufangen ist. Da tritt auf die Einladung des Lordlieutenants


Sonnabend Nachmittag Exercirschule nach Art der Schwcizereinrichtung. Die
Lehrer dazu sind bald gesunden, mau nimmt später dazu am beste» die älteren
Knaben wie in den Kadettencorps. Gesundheit des Leibes und der Seele
würde bei solcher Einrichtung wesentlich gewinnen.

Nach der Kenntniß der Compagnieschulc ist das Wichtigste, was der In»
fanterist zu lernen hat, der Gebrauch seiner Waffe, vor Allem das Schießen.
Aber auch das kann der Rekrut mitbringen, wenn er im 18., 1». und 20.
Jahre in Schießschulen dazu Anleitung erhält. Wir glauben mit Recht fra¬
gen zu dürfen, ob es selbst den strengsten Anforderungen nöthig erscheinen
würde, so vorgebildete Rekruten bei der Infanterie noch länger als zwei
Sommer und einen Winter bei der Fahne zu halten. Das sogenannte zum
Soldaten machen im dritten Dienstjahre halten wir selbst von denen, welche
immer damit hervortreten, nicht für recht ernsthaft gemeint. In Preußen
hat die allgemeine Dienstpflicht uns allen so viel Kenntniß grade hierüber
gegeben, daß Jeder weiß, wo das eigentlich gefunden wird, was hier ver¬
nünftigerweise gemeint sein kann. Wir wissen, daß es vielmehr ein Produkt
der Gesinnung und des reifern Alters!, des Jünglings, der ein Mann
geworden, als das Ergebniß einer Art bis zur Langweiligkeit fortge¬
setzter Dressur ist. welche sogar, sobald sie Unlust erzeugt, dem Nerv aller
militärischen Kraft, der Disciplin eher nachtheilig als förderlich wird. Die
Freiwilligkeit des Gehorsams ist überall und zu allen Zeiten der sicherste Grund
aller Disciplin gewesen. Jeder Soldat begreift augenblicklich die absolute
Nothwendigkeit des strengsten Gehorsams für die Ehre seiner Truppe, und
wie nun erst der Gebildete und der, dem es von Kindheit an so vorgetragen
worden.

Wir haben hier also einen sehr bestimmten Punkt, wo die Freiwilligkeit
bei uns dem Bedürfnisse des Staats auf das wirksamste entgegen kommen
könnte: man sorge für militärische Uebungen der Schulen und für Schießein-
richtungcn der jungen Leute vor ihrem Eintreten. Das kann der Einzelne
allerdings nicht ausrichten, hier heißt es Association, das große Wort, womit
England so Ungeheures erreicht hat, und wofür der Sinn uns in Deutschland
mit den freieren Perfnssnngen eben erst aufgeht. Es ist nichts für die Ent¬
wicklung der wahren Freiheit zu hoffen, wenn wir nicht wie die Engländer
lernen aus uns selbst heraus uns zu fördern, nicht immer Alles und Jedes von der
Regierung zu> erwarten und zu fordern. Marsche sich solche Verhandlungen an,
wie die, welche nach der Times vom 31. Dec. in Preston in Lancashire statt¬
gefunden haben, um die Mittel ausfindig zu machen, der gegenwärtigen groß'
eigen Freiwilligenbewegung, auf welche ganz England mit Recht stolz ist. ouch
für die Zeiten geringerer Besorgniß Dauer zu verschaffen; da ist zu lernen, wie
dergleichen anzufangen ist. Da tritt auf die Einladung des Lordlieutenants


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[0262] Sonnabend Nachmittag Exercirschule nach Art der Schwcizereinrichtung. Die Lehrer dazu sind bald gesunden, mau nimmt später dazu am beste» die älteren Knaben wie in den Kadettencorps. Gesundheit des Leibes und der Seele würde bei solcher Einrichtung wesentlich gewinnen. Nach der Kenntniß der Compagnieschulc ist das Wichtigste, was der In» fanterist zu lernen hat, der Gebrauch seiner Waffe, vor Allem das Schießen. Aber auch das kann der Rekrut mitbringen, wenn er im 18., 1». und 20. Jahre in Schießschulen dazu Anleitung erhält. Wir glauben mit Recht fra¬ gen zu dürfen, ob es selbst den strengsten Anforderungen nöthig erscheinen würde, so vorgebildete Rekruten bei der Infanterie noch länger als zwei Sommer und einen Winter bei der Fahne zu halten. Das sogenannte zum Soldaten machen im dritten Dienstjahre halten wir selbst von denen, welche immer damit hervortreten, nicht für recht ernsthaft gemeint. In Preußen hat die allgemeine Dienstpflicht uns allen so viel Kenntniß grade hierüber gegeben, daß Jeder weiß, wo das eigentlich gefunden wird, was hier ver¬ nünftigerweise gemeint sein kann. Wir wissen, daß es vielmehr ein Produkt der Gesinnung und des reifern Alters!, des Jünglings, der ein Mann geworden, als das Ergebniß einer Art bis zur Langweiligkeit fortge¬ setzter Dressur ist. welche sogar, sobald sie Unlust erzeugt, dem Nerv aller militärischen Kraft, der Disciplin eher nachtheilig als förderlich wird. Die Freiwilligkeit des Gehorsams ist überall und zu allen Zeiten der sicherste Grund aller Disciplin gewesen. Jeder Soldat begreift augenblicklich die absolute Nothwendigkeit des strengsten Gehorsams für die Ehre seiner Truppe, und wie nun erst der Gebildete und der, dem es von Kindheit an so vorgetragen worden. Wir haben hier also einen sehr bestimmten Punkt, wo die Freiwilligkeit bei uns dem Bedürfnisse des Staats auf das wirksamste entgegen kommen könnte: man sorge für militärische Uebungen der Schulen und für Schießein- richtungcn der jungen Leute vor ihrem Eintreten. Das kann der Einzelne allerdings nicht ausrichten, hier heißt es Association, das große Wort, womit England so Ungeheures erreicht hat, und wofür der Sinn uns in Deutschland mit den freieren Perfnssnngen eben erst aufgeht. Es ist nichts für die Ent¬ wicklung der wahren Freiheit zu hoffen, wenn wir nicht wie die Engländer lernen aus uns selbst heraus uns zu fördern, nicht immer Alles und Jedes von der Regierung zu> erwarten und zu fordern. Marsche sich solche Verhandlungen an, wie die, welche nach der Times vom 31. Dec. in Preston in Lancashire statt¬ gefunden haben, um die Mittel ausfindig zu machen, der gegenwärtigen groß' eigen Freiwilligenbewegung, auf welche ganz England mit Recht stolz ist. ouch für die Zeiten geringerer Besorgniß Dauer zu verschaffen; da ist zu lernen, wie dergleichen anzufangen ist. Da tritt auf die Einladung des Lordlieutenants

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/262>, abgerufen am 16.01.2025.