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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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dort etwas Gutes geschehen Diese Gesellschaft umschließt Leute von verschie¬
denen Religionen, Benedict der Vierzehnte hat sie mit dem Bann belegt. Ebenso
ist es bekannt, wie nachmals die jüngst verstorbene Kaiserin Maria Theresia
höchst seligsten Andenkens dieselbe auf das schärfste verboten und ihre Mit¬
glieder zerstreute oder gefänglich einziehen ließ." Gegen die Bulle Benedicts des
Vierzehnten veröffentlichte Michaelcr eine Broschüre, die von allen Seiten
und auf das Gröbste angefochten wurde. Die Freimaurer in Tirol waren
übrigens sehr unschädliche Leute, wie dieses am Besten eine Stelle aus
der Festrede. Lauhardings, welche mir handschriftlich vorliegt, darthun kann.
"Erinnern Sie sich, meine Brüder, an die vortrefflichen Grundsätze, die wir
den Lehrlingen, Gesellen und Meistern bei ihrer Gradertheilung geben; sind
sie nicht alle rein evangelisch? Schwören wir nicht auf jenes Evangelium,
welches die Göttlichkeit Jesu Christi und dessen ewige Wesenheit mit dem
Vater zum eigentlichen Gegenstande hat? Sind nicht beinahe alle unsere
Sinnbilder aus 'der Bibel, der Grundlage des Christenthumes? Sind nicht
die erleuchtetsten Freimaurer immer die überzeugtester Christen und die ge¬
schworenen Feinde des Freigeistes? Sprechen sie nicht von der Dreieinigkeit Got¬
tes, von der Gottheit des Erlösers, von der in der Bibel beschriebenen Entstehung
der Welt, von den guten und bösen Engeln und überhaupt von der Unläug-
barkeit der heiligen Schrift mehr mit der Ueberzeugung eines Wissenden als
mit dem Vertrauen eines Glaubenden? Eifern sie nicht bei aller Gelegenheit
wider jene elenden Verfälscher, welche zwar die Offenbarung nicht ganz auf¬
heben, wol aber nach ihrem neumodischen, stolzen und leeren Gehirn umgießen
wollen? Werden nicht eben darum diese Engel unseres Ordens von profanen
Witzköpfen als Enthusiasten ausgeschrieen? Ein Schimpfname, den sie so
gern mit den Apostel" und Blutzeugen Christi theilen, ein Name, den sinn¬
lose Spötter nicht verstehen, den sie ihren gottlosen Lehrern wie kleine Kinder
nachlallen. Das Wesen des Ordens ist so alt wie die Schöpfung selbst, seine
heutige Form und Verfassung ganz nach dem Modelle des Christenthumes
eingerichtet."

Nachdem der Stern Kaiser Josephs untergegangen war. brachen auch fü>'
die Freimaurer in Oestreich böse Zeiten an. Die Regierungen und Geist¬
lichen bezeichneten sie als Miturheber der französischen Revolution und jedes
Ausbruches menschlichen Freiheitsgefühls. Anstatt in ihrer sinnlosen Wirth¬
schaft die Hauptquellen des Uebels zu suchen, hoben sie die Logen auf und
verfolgten ihre Glieder. Erst im Jahre 1848 entstand wieder eine "zu"'
Orient" in Wien, deren Versammlungen jedoch bald vom Militärconimcmdo
gehindert wurden.

In Tirol ist die Erinnerung an die Freimaurer wenigstens in so weit ge¬
blieben, daß man diese Bezeichnung solchen als Schimpfnamen zutheilt, welche


dort etwas Gutes geschehen Diese Gesellschaft umschließt Leute von verschie¬
denen Religionen, Benedict der Vierzehnte hat sie mit dem Bann belegt. Ebenso
ist es bekannt, wie nachmals die jüngst verstorbene Kaiserin Maria Theresia
höchst seligsten Andenkens dieselbe auf das schärfste verboten und ihre Mit¬
glieder zerstreute oder gefänglich einziehen ließ." Gegen die Bulle Benedicts des
Vierzehnten veröffentlichte Michaelcr eine Broschüre, die von allen Seiten
und auf das Gröbste angefochten wurde. Die Freimaurer in Tirol waren
übrigens sehr unschädliche Leute, wie dieses am Besten eine Stelle aus
der Festrede. Lauhardings, welche mir handschriftlich vorliegt, darthun kann.
„Erinnern Sie sich, meine Brüder, an die vortrefflichen Grundsätze, die wir
den Lehrlingen, Gesellen und Meistern bei ihrer Gradertheilung geben; sind
sie nicht alle rein evangelisch? Schwören wir nicht auf jenes Evangelium,
welches die Göttlichkeit Jesu Christi und dessen ewige Wesenheit mit dem
Vater zum eigentlichen Gegenstande hat? Sind nicht beinahe alle unsere
Sinnbilder aus 'der Bibel, der Grundlage des Christenthumes? Sind nicht
die erleuchtetsten Freimaurer immer die überzeugtester Christen und die ge¬
schworenen Feinde des Freigeistes? Sprechen sie nicht von der Dreieinigkeit Got¬
tes, von der Gottheit des Erlösers, von der in der Bibel beschriebenen Entstehung
der Welt, von den guten und bösen Engeln und überhaupt von der Unläug-
barkeit der heiligen Schrift mehr mit der Ueberzeugung eines Wissenden als
mit dem Vertrauen eines Glaubenden? Eifern sie nicht bei aller Gelegenheit
wider jene elenden Verfälscher, welche zwar die Offenbarung nicht ganz auf¬
heben, wol aber nach ihrem neumodischen, stolzen und leeren Gehirn umgießen
wollen? Werden nicht eben darum diese Engel unseres Ordens von profanen
Witzköpfen als Enthusiasten ausgeschrieen? Ein Schimpfname, den sie so
gern mit den Apostel» und Blutzeugen Christi theilen, ein Name, den sinn¬
lose Spötter nicht verstehen, den sie ihren gottlosen Lehrern wie kleine Kinder
nachlallen. Das Wesen des Ordens ist so alt wie die Schöpfung selbst, seine
heutige Form und Verfassung ganz nach dem Modelle des Christenthumes
eingerichtet."

Nachdem der Stern Kaiser Josephs untergegangen war. brachen auch fü>'
die Freimaurer in Oestreich böse Zeiten an. Die Regierungen und Geist¬
lichen bezeichneten sie als Miturheber der französischen Revolution und jedes
Ausbruches menschlichen Freiheitsgefühls. Anstatt in ihrer sinnlosen Wirth¬
schaft die Hauptquellen des Uebels zu suchen, hoben sie die Logen auf und
verfolgten ihre Glieder. Erst im Jahre 1848 entstand wieder eine „zu"'
Orient" in Wien, deren Versammlungen jedoch bald vom Militärconimcmdo
gehindert wurden.

In Tirol ist die Erinnerung an die Freimaurer wenigstens in so weit ge¬
blieben, daß man diese Bezeichnung solchen als Schimpfnamen zutheilt, welche


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[0238] dort etwas Gutes geschehen Diese Gesellschaft umschließt Leute von verschie¬ denen Religionen, Benedict der Vierzehnte hat sie mit dem Bann belegt. Ebenso ist es bekannt, wie nachmals die jüngst verstorbene Kaiserin Maria Theresia höchst seligsten Andenkens dieselbe auf das schärfste verboten und ihre Mit¬ glieder zerstreute oder gefänglich einziehen ließ." Gegen die Bulle Benedicts des Vierzehnten veröffentlichte Michaelcr eine Broschüre, die von allen Seiten und auf das Gröbste angefochten wurde. Die Freimaurer in Tirol waren übrigens sehr unschädliche Leute, wie dieses am Besten eine Stelle aus der Festrede. Lauhardings, welche mir handschriftlich vorliegt, darthun kann. „Erinnern Sie sich, meine Brüder, an die vortrefflichen Grundsätze, die wir den Lehrlingen, Gesellen und Meistern bei ihrer Gradertheilung geben; sind sie nicht alle rein evangelisch? Schwören wir nicht auf jenes Evangelium, welches die Göttlichkeit Jesu Christi und dessen ewige Wesenheit mit dem Vater zum eigentlichen Gegenstande hat? Sind nicht beinahe alle unsere Sinnbilder aus 'der Bibel, der Grundlage des Christenthumes? Sind nicht die erleuchtetsten Freimaurer immer die überzeugtester Christen und die ge¬ schworenen Feinde des Freigeistes? Sprechen sie nicht von der Dreieinigkeit Got¬ tes, von der Gottheit des Erlösers, von der in der Bibel beschriebenen Entstehung der Welt, von den guten und bösen Engeln und überhaupt von der Unläug- barkeit der heiligen Schrift mehr mit der Ueberzeugung eines Wissenden als mit dem Vertrauen eines Glaubenden? Eifern sie nicht bei aller Gelegenheit wider jene elenden Verfälscher, welche zwar die Offenbarung nicht ganz auf¬ heben, wol aber nach ihrem neumodischen, stolzen und leeren Gehirn umgießen wollen? Werden nicht eben darum diese Engel unseres Ordens von profanen Witzköpfen als Enthusiasten ausgeschrieen? Ein Schimpfname, den sie so gern mit den Apostel» und Blutzeugen Christi theilen, ein Name, den sinn¬ lose Spötter nicht verstehen, den sie ihren gottlosen Lehrern wie kleine Kinder nachlallen. Das Wesen des Ordens ist so alt wie die Schöpfung selbst, seine heutige Form und Verfassung ganz nach dem Modelle des Christenthumes eingerichtet." Nachdem der Stern Kaiser Josephs untergegangen war. brachen auch fü>' die Freimaurer in Oestreich böse Zeiten an. Die Regierungen und Geist¬ lichen bezeichneten sie als Miturheber der französischen Revolution und jedes Ausbruches menschlichen Freiheitsgefühls. Anstatt in ihrer sinnlosen Wirth¬ schaft die Hauptquellen des Uebels zu suchen, hoben sie die Logen auf und verfolgten ihre Glieder. Erst im Jahre 1848 entstand wieder eine „zu"' Orient" in Wien, deren Versammlungen jedoch bald vom Militärconimcmdo gehindert wurden. In Tirol ist die Erinnerung an die Freimaurer wenigstens in so weit ge¬ blieben, daß man diese Bezeichnung solchen als Schimpfnamen zutheilt, welche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/238>, abgerufen am 23.07.2024.