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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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der Mann hart er im Unterlande, welche christlicher als Christus und zugleich
päpstlicher als der Papst sein wollte, ist fast spurlos erloschen.

Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts wurde der Klerus durch die Frei¬
maurer beunruhigt. Freimaurer in Tirol? Allerdings! Treten Sie mit
mir auf die Jnnbrücke. jenseits derselben zieht sich auf den sanften sonnigen
Hügellehnen das Dorf Holting empor. Ueber der Kirche erhebt sich der Vorsprung,
wo einst auf einmal sieben Hexen dem Aberglauben ihrer Zeit als Brandopfer sielen.
Auf der andern Seite desThälchens aber erhebt sich mit der schönsten Fernsicht
"vn der steinernen Terrasse das schmucke Landhaus, in welchem sich -- die'
Gegensätze liegen oft nahe beieinander -- "die Johannesloge zu den drei Ber¬
gen" versammelte. Wie mir ein Bauer, dem es seine Großmutter erzählt, mit¬
theilte, soll es hier so gotteslästerlich zugegangen sein, daß sich der Teufel
n"t feurigem Schweife Nachts durch die Luft fahrend .selber als Gast ein
gefunden habe. Man riecht zwar an dem Platze jetzt nur den Duft der Feld¬
blumen und nichts mehr von dem Schwefelduft, den Junker Satanas gewöhn¬
lich,als Visitenkarte zurückläßt; doch ist noch das Siegel übrig, dessen sich die
Gesellschaft bediente. Es zeigt von einem wogenschlagenden Meere umflutet
drei Felsen, die den Namen der Loge andeuten und zugleich, wie die Inschrift:
"8g,Jon8 immotus in unäis" errathen läßt, ein Symbol der Festigkeit sein soll¬
ten, die man in einem Lande wie Tirol gegen Gefahren jeder Art zu bewähren
hatte. Die Loge wurde 1777 vom Grafen Leopold, königl. Vicepräsidenten
des O. Oe. Landesguberniums und erstem Meister vom Stuhl, gestiftet. Im
Jahre 1785 zählte sie sechzig Mitglieder, darunter Kavaliere von hohem
Rang und Adel, wie die Grafen Heister. Thurn. Sarnthein. Seid, Trapp,
Spaur. Garienti, Tannenberg. Cuschi, Sternbach; einen Würdenträger der
Kirche, wie den Probst von Botzen. Gelehrte, wie den als Naturforscher ruhen
Ach bekannten Lauhartnng und den Archäologen Primisser, Exjesuiten. wie
Michaeler. Kaufleute, Schullehrer und auch einen Bedienten. Ihr Constitu-
t'onssest feierte sie jedes Jahr am 25. Januar. Man kann sich leicht vorstellen,
welchen Eindruck eine solche Gesellschaft auf den ultramontanen Klerus machte,
den ohnehin schon die Reformen des großen Kaisers bis zur Wuth erbittert
hatten, so daß man bereits einen Aufstand besorgte. Besonders heftig waren
d'e Angriffe im Jahre 1783. wo sich die Nachricht verbreitet hatte, daß
"lie Logen Deutschlands sich verbrüdern und reformiren wollten. Der Jesuit
Gallinger ruft aus: "O wie mangelt überall wahre Aufklärung und Philosophie
und nochweit mehr eine katholische Theologie den Maurern! Es liegt ihnen daran,
reiche Brüder zu gewinnen, sie sind aber nicht zufrieden, wenn man etwas für arme
Archen zur Beförderung des Gottesdienstes verwendet. Ihre Wohlthaten haben
keinen Werth; auch in einer ketzerischen Kirche und Räuberbande kann da und


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der Mann hart er im Unterlande, welche christlicher als Christus und zugleich
päpstlicher als der Papst sein wollte, ist fast spurlos erloschen.

Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts wurde der Klerus durch die Frei¬
maurer beunruhigt. Freimaurer in Tirol? Allerdings! Treten Sie mit
mir auf die Jnnbrücke. jenseits derselben zieht sich auf den sanften sonnigen
Hügellehnen das Dorf Holting empor. Ueber der Kirche erhebt sich der Vorsprung,
wo einst auf einmal sieben Hexen dem Aberglauben ihrer Zeit als Brandopfer sielen.
Auf der andern Seite desThälchens aber erhebt sich mit der schönsten Fernsicht
»vn der steinernen Terrasse das schmucke Landhaus, in welchem sich — die'
Gegensätze liegen oft nahe beieinander — „die Johannesloge zu den drei Ber¬
gen" versammelte. Wie mir ein Bauer, dem es seine Großmutter erzählt, mit¬
theilte, soll es hier so gotteslästerlich zugegangen sein, daß sich der Teufel
n»t feurigem Schweife Nachts durch die Luft fahrend .selber als Gast ein
gefunden habe. Man riecht zwar an dem Platze jetzt nur den Duft der Feld¬
blumen und nichts mehr von dem Schwefelduft, den Junker Satanas gewöhn¬
lich,als Visitenkarte zurückläßt; doch ist noch das Siegel übrig, dessen sich die
Gesellschaft bediente. Es zeigt von einem wogenschlagenden Meere umflutet
drei Felsen, die den Namen der Loge andeuten und zugleich, wie die Inschrift:
„8g,Jon8 immotus in unäis" errathen läßt, ein Symbol der Festigkeit sein soll¬
ten, die man in einem Lande wie Tirol gegen Gefahren jeder Art zu bewähren
hatte. Die Loge wurde 1777 vom Grafen Leopold, königl. Vicepräsidenten
des O. Oe. Landesguberniums und erstem Meister vom Stuhl, gestiftet. Im
Jahre 1785 zählte sie sechzig Mitglieder, darunter Kavaliere von hohem
Rang und Adel, wie die Grafen Heister. Thurn. Sarnthein. Seid, Trapp,
Spaur. Garienti, Tannenberg. Cuschi, Sternbach; einen Würdenträger der
Kirche, wie den Probst von Botzen. Gelehrte, wie den als Naturforscher ruhen
Ach bekannten Lauhartnng und den Archäologen Primisser, Exjesuiten. wie
Michaeler. Kaufleute, Schullehrer und auch einen Bedienten. Ihr Constitu-
t'onssest feierte sie jedes Jahr am 25. Januar. Man kann sich leicht vorstellen,
welchen Eindruck eine solche Gesellschaft auf den ultramontanen Klerus machte,
den ohnehin schon die Reformen des großen Kaisers bis zur Wuth erbittert
hatten, so daß man bereits einen Aufstand besorgte. Besonders heftig waren
d'e Angriffe im Jahre 1783. wo sich die Nachricht verbreitet hatte, daß
"lie Logen Deutschlands sich verbrüdern und reformiren wollten. Der Jesuit
Gallinger ruft aus: „O wie mangelt überall wahre Aufklärung und Philosophie
und nochweit mehr eine katholische Theologie den Maurern! Es liegt ihnen daran,
reiche Brüder zu gewinnen, sie sind aber nicht zufrieden, wenn man etwas für arme
Archen zur Beförderung des Gottesdienstes verwendet. Ihre Wohlthaten haben
keinen Werth; auch in einer ketzerischen Kirche und Räuberbande kann da und


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[0237] der Mann hart er im Unterlande, welche christlicher als Christus und zugleich päpstlicher als der Papst sein wollte, ist fast spurlos erloschen. Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts wurde der Klerus durch die Frei¬ maurer beunruhigt. Freimaurer in Tirol? Allerdings! Treten Sie mit mir auf die Jnnbrücke. jenseits derselben zieht sich auf den sanften sonnigen Hügellehnen das Dorf Holting empor. Ueber der Kirche erhebt sich der Vorsprung, wo einst auf einmal sieben Hexen dem Aberglauben ihrer Zeit als Brandopfer sielen. Auf der andern Seite desThälchens aber erhebt sich mit der schönsten Fernsicht »vn der steinernen Terrasse das schmucke Landhaus, in welchem sich — die' Gegensätze liegen oft nahe beieinander — „die Johannesloge zu den drei Ber¬ gen" versammelte. Wie mir ein Bauer, dem es seine Großmutter erzählt, mit¬ theilte, soll es hier so gotteslästerlich zugegangen sein, daß sich der Teufel n»t feurigem Schweife Nachts durch die Luft fahrend .selber als Gast ein gefunden habe. Man riecht zwar an dem Platze jetzt nur den Duft der Feld¬ blumen und nichts mehr von dem Schwefelduft, den Junker Satanas gewöhn¬ lich,als Visitenkarte zurückläßt; doch ist noch das Siegel übrig, dessen sich die Gesellschaft bediente. Es zeigt von einem wogenschlagenden Meere umflutet drei Felsen, die den Namen der Loge andeuten und zugleich, wie die Inschrift: „8g,Jon8 immotus in unäis" errathen läßt, ein Symbol der Festigkeit sein soll¬ ten, die man in einem Lande wie Tirol gegen Gefahren jeder Art zu bewähren hatte. Die Loge wurde 1777 vom Grafen Leopold, königl. Vicepräsidenten des O. Oe. Landesguberniums und erstem Meister vom Stuhl, gestiftet. Im Jahre 1785 zählte sie sechzig Mitglieder, darunter Kavaliere von hohem Rang und Adel, wie die Grafen Heister. Thurn. Sarnthein. Seid, Trapp, Spaur. Garienti, Tannenberg. Cuschi, Sternbach; einen Würdenträger der Kirche, wie den Probst von Botzen. Gelehrte, wie den als Naturforscher ruhen Ach bekannten Lauhartnng und den Archäologen Primisser, Exjesuiten. wie Michaeler. Kaufleute, Schullehrer und auch einen Bedienten. Ihr Constitu- t'onssest feierte sie jedes Jahr am 25. Januar. Man kann sich leicht vorstellen, welchen Eindruck eine solche Gesellschaft auf den ultramontanen Klerus machte, den ohnehin schon die Reformen des großen Kaisers bis zur Wuth erbittert hatten, so daß man bereits einen Aufstand besorgte. Besonders heftig waren d'e Angriffe im Jahre 1783. wo sich die Nachricht verbreitet hatte, daß "lie Logen Deutschlands sich verbrüdern und reformiren wollten. Der Jesuit Gallinger ruft aus: „O wie mangelt überall wahre Aufklärung und Philosophie und nochweit mehr eine katholische Theologie den Maurern! Es liegt ihnen daran, reiche Brüder zu gewinnen, sie sind aber nicht zufrieden, wenn man etwas für arme Archen zur Beförderung des Gottesdienstes verwendet. Ihre Wohlthaten haben keinen Werth; auch in einer ketzerischen Kirche und Räuberbande kann da und 29*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/237>, abgerufen am 23.07.2024.