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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Wann hat Ferdinand dieses Drama verfaßt? Vermuthlich nach 1564,
wo die große Theuerung war, aus welche man eine Scene des Stückes be¬
ziehen kann. Das Urtheil über dieses Werk, vermuthlich das einzige poe¬
tische, welches aus der Feder eines Habsburgers geflossen, möge der Leser selbst
Ziehen.




Die Freimaurer in Tirol.

Man stellt Tirol stets als die Hochburg katholischer Glaubenseinheit dar.
Mit Argusaugen hütet der Klerus seine Schafe und sucht trotz Bundesacte
und Toleranzpatent mit allen erdenklichen Mitteln jeden Protestanten, der sich
ansiedeln will und sei es auch nur der reinen Lust und der schönen Berge
wegen, von der Gränze abzuhalten. Das Kleinod altererbter Bätcrglaubens
>°it um jeden Preis geschützt werden, und der harmloseste Akatholik. der sich
Haus zum Sommeraufenthalt, ein Stück Weinberg zur Erholung für
^'Ne kranke Brust kauft, scheint es den Zeloten schon zu gefährden. Es war
"ber nicht immer so. Vielleicht gedenken diese Eiferer mit Angst der Kämpfe,
welche die katholische Kirche bereits auf dem Boden Tirols zu bestehen hatte,
Kämpfe, die fast in jedem Jahrhundert seit der Reformation ihren Bestand
gefährdeten und die Herrschaft der Geistlichkeit über die Gewissen lockerten.

mächtige Auftreten Luthers erschütterte auch unsere Thäler, der Bauern-
^i'eg tobte unter dem ebenso geschickten als kühnen Grasmair, von welchem
Erzherzog Ferdinand die Dolche spanischer Meuchelmörder befreiten, hier
^ heftig wie in andern deutschen Gauen, und um dieselbe Zeit etwa er-
^°sser sich die trüben Fluten der Wiedertäufer in die entlegensten Schluchten,
'wer der hervorragendsten Prediger dieser Secte, Georg Hüter, stammt ausPuster-
Er stiftete in Mähren viele Gemeinden, wurde aber dann, in die Heimath
^ttickgekehvt. ergriffen, zu Pferde mit einem Federbusch auf dem Kopfe und
^"wu Knebel im Mund nach Innsbruck zur Hinrichtung geschleppt. Man setzte
h'er zuerst in Eis und dann in heißes Wasser, riß ihm Wunden, goß
''"nntwein hinein und zündete ihn an. Nach diesen schrecklichen Martern
wurdeer auf dem Holzstoß verbrannt. Erfolgreicher war das Auftreten


^""zboten I. 1861. 29

Wann hat Ferdinand dieses Drama verfaßt? Vermuthlich nach 1564,
wo die große Theuerung war, aus welche man eine Scene des Stückes be¬
ziehen kann. Das Urtheil über dieses Werk, vermuthlich das einzige poe¬
tische, welches aus der Feder eines Habsburgers geflossen, möge der Leser selbst
Ziehen.




Die Freimaurer in Tirol.

Man stellt Tirol stets als die Hochburg katholischer Glaubenseinheit dar.
Mit Argusaugen hütet der Klerus seine Schafe und sucht trotz Bundesacte
und Toleranzpatent mit allen erdenklichen Mitteln jeden Protestanten, der sich
ansiedeln will und sei es auch nur der reinen Lust und der schönen Berge
wegen, von der Gränze abzuhalten. Das Kleinod altererbter Bätcrglaubens
>°it um jeden Preis geschützt werden, und der harmloseste Akatholik. der sich
Haus zum Sommeraufenthalt, ein Stück Weinberg zur Erholung für
^'Ne kranke Brust kauft, scheint es den Zeloten schon zu gefährden. Es war
"ber nicht immer so. Vielleicht gedenken diese Eiferer mit Angst der Kämpfe,
welche die katholische Kirche bereits auf dem Boden Tirols zu bestehen hatte,
Kämpfe, die fast in jedem Jahrhundert seit der Reformation ihren Bestand
gefährdeten und die Herrschaft der Geistlichkeit über die Gewissen lockerten.

mächtige Auftreten Luthers erschütterte auch unsere Thäler, der Bauern-
^i'eg tobte unter dem ebenso geschickten als kühnen Grasmair, von welchem
Erzherzog Ferdinand die Dolche spanischer Meuchelmörder befreiten, hier
^ heftig wie in andern deutschen Gauen, und um dieselbe Zeit etwa er-
^°sser sich die trüben Fluten der Wiedertäufer in die entlegensten Schluchten,
'wer der hervorragendsten Prediger dieser Secte, Georg Hüter, stammt ausPuster-
Er stiftete in Mähren viele Gemeinden, wurde aber dann, in die Heimath
^ttickgekehvt. ergriffen, zu Pferde mit einem Federbusch auf dem Kopfe und
^"wu Knebel im Mund nach Innsbruck zur Hinrichtung geschleppt. Man setzte
h'er zuerst in Eis und dann in heißes Wasser, riß ihm Wunden, goß
''«nntwein hinein und zündete ihn an. Nach diesen schrecklichen Martern
wurdeer auf dem Holzstoß verbrannt. Erfolgreicher war das Auftreten


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[0235] Wann hat Ferdinand dieses Drama verfaßt? Vermuthlich nach 1564, wo die große Theuerung war, aus welche man eine Scene des Stückes be¬ ziehen kann. Das Urtheil über dieses Werk, vermuthlich das einzige poe¬ tische, welches aus der Feder eines Habsburgers geflossen, möge der Leser selbst Ziehen. Die Freimaurer in Tirol. Man stellt Tirol stets als die Hochburg katholischer Glaubenseinheit dar. Mit Argusaugen hütet der Klerus seine Schafe und sucht trotz Bundesacte und Toleranzpatent mit allen erdenklichen Mitteln jeden Protestanten, der sich ansiedeln will und sei es auch nur der reinen Lust und der schönen Berge wegen, von der Gränze abzuhalten. Das Kleinod altererbter Bätcrglaubens >°it um jeden Preis geschützt werden, und der harmloseste Akatholik. der sich Haus zum Sommeraufenthalt, ein Stück Weinberg zur Erholung für ^'Ne kranke Brust kauft, scheint es den Zeloten schon zu gefährden. Es war "ber nicht immer so. Vielleicht gedenken diese Eiferer mit Angst der Kämpfe, welche die katholische Kirche bereits auf dem Boden Tirols zu bestehen hatte, Kämpfe, die fast in jedem Jahrhundert seit der Reformation ihren Bestand gefährdeten und die Herrschaft der Geistlichkeit über die Gewissen lockerten. mächtige Auftreten Luthers erschütterte auch unsere Thäler, der Bauern- ^i'eg tobte unter dem ebenso geschickten als kühnen Grasmair, von welchem Erzherzog Ferdinand die Dolche spanischer Meuchelmörder befreiten, hier ^ heftig wie in andern deutschen Gauen, und um dieselbe Zeit etwa er- ^°sser sich die trüben Fluten der Wiedertäufer in die entlegensten Schluchten, 'wer der hervorragendsten Prediger dieser Secte, Georg Hüter, stammt ausPuster- Er stiftete in Mähren viele Gemeinden, wurde aber dann, in die Heimath ^ttickgekehvt. ergriffen, zu Pferde mit einem Federbusch auf dem Kopfe und ^"wu Knebel im Mund nach Innsbruck zur Hinrichtung geschleppt. Man setzte h'er zuerst in Eis und dann in heißes Wasser, riß ihm Wunden, goß ''«nntwein hinein und zündete ihn an. Nach diesen schrecklichen Martern wurdeer auf dem Holzstoß verbrannt. Erfolgreicher war das Auftreten ^«"zboten I. 1861. 29

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/235>, abgerufen am 23.07.2024.