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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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eorxuset terrain, kurzes mußte ein jeder sich hinlegen, wo er hinkam, nicht
wo er hin wollte. Und also war die angestellte Sonntagslust geendigt. Früh,
als die Sonne die Erde bereits etliche Stunden bestrahlt hatte, standen wir
auf. nahmen von einander Abschied, und schlenderte ein jeder, nachdem er zu?
vor etwa für einen Groschen g,qug,in vitas oder aquam ^roms zu sich genom¬
men, in sein Nest. --

Montags den 18. und Dienstags den 19. Juli passirte nichts. -- Mitt¬
wochs aber überkam Matthäi einen Wechsel von Haus, davon er nach da¬
maliger nicht löblicher Sitte seinen Herrn Landsleuten auf dem Burgkeller einen
Schmauß gab. dabei auch Spielleute hielt. Hier wurde von Vormittags 9 Uhr
bis Nachts zwei Uhr banqucttirt, gesungen und getanzt. Während des Schmau¬
ses, etwa um halb 10 Uhr Abends kam Matthäi vor das Stubenfenster der
Frau Neuenhahn, und hielt fast mit Gewalt bei derselben an. sie möge ihren
beiden Töchtern erlauben, mit ihm auf den Keller zum Tanze zu spazieren.
Sie schlug es ihm aber rund ab mit dem Bescheide, daß man von solchen
Frauenzimmern, welche auf die Keller zum Tanze gingen, gar nicht viel hielte.
Matthäi wollte sich nicht abweisen lassen, wurde immer zudringlicher und sagte
endlich-, sie verachteten ihn. und wollten deshalb nicht mit ihm gehen; wenn
aber einer von denen käme, die vergangenen Sonntag in ihrem Hause ge¬
schmaust hätten, da würden sie nicht so widerwillig sein; und wenn sie nicht
wie ihm gingen, so wolle er Alles, was ihm von ihnen wissend, ausschwatzen.
Hieraus replicirt Frau Neuenhahn: Er möge sagen, was er wisse, und schloß
ihr Fenster.

Als Matthäi gehört, daß seine Groschen anjetzt ungiltig seien, marschirte
er reetg. via wieder nach dem Burgkeller, wo er noch soviel getrunken, daß
er weder gehen noch stehen konnte. Nachdem sie nun daselbst ein Loch in die
Nacht gesoffen, daß man den Tag durchsehen konnte, machten sie Feierabend,
ließen sich aber von zwei Jungen ein Fäßchen von 24 Kannen Bier nachtragen
und marschirten, die Spielleute voran, auf den Markt. Als sie an der Woh¬
nung der Frau Neuenhahn vorbeikamen, klopfte Matthäi die älteste Tochter
heraus und sagte: Es würde ihr wol bekannt sein, daß er am vergangenen
Sonntag beschimpft worden, da sie ihn nicht wie ehrliche Kerle, sondern wie
Bärenhäuter tractiret. und fing an zu rufen: Härtung ein Hundsfott! Härtung,
sicher oben an seinem Fenster guckte, hörte dies und schrie herunter: Er solle
"ut solchen Worten inne halten, und wenn er was zu suchen hätte, bei Tage
kommen. Da Matthäi mit Schimpfen fortfuhr, schrie Härtung: Wenn die
Hausthür nicht verschlossen wäre, so wollte ich dich schon lehren quis Ms,
so hast du Hundsfott gut schimpfen. Matthäi aber schrie contra: Härtung.
Hundsfott stehe, Fuchspräceptor. Ochsenpräceptor u. s. w. Nach dieser Be¬
schimpfung sind sie aus den Markt marschirt. denselben etliche Mal auf und


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eorxuset terrain, kurzes mußte ein jeder sich hinlegen, wo er hinkam, nicht
wo er hin wollte. Und also war die angestellte Sonntagslust geendigt. Früh,
als die Sonne die Erde bereits etliche Stunden bestrahlt hatte, standen wir
auf. nahmen von einander Abschied, und schlenderte ein jeder, nachdem er zu?
vor etwa für einen Groschen g,qug,in vitas oder aquam ^roms zu sich genom¬
men, in sein Nest. —

Montags den 18. und Dienstags den 19. Juli passirte nichts. — Mitt¬
wochs aber überkam Matthäi einen Wechsel von Haus, davon er nach da¬
maliger nicht löblicher Sitte seinen Herrn Landsleuten auf dem Burgkeller einen
Schmauß gab. dabei auch Spielleute hielt. Hier wurde von Vormittags 9 Uhr
bis Nachts zwei Uhr banqucttirt, gesungen und getanzt. Während des Schmau¬
ses, etwa um halb 10 Uhr Abends kam Matthäi vor das Stubenfenster der
Frau Neuenhahn, und hielt fast mit Gewalt bei derselben an. sie möge ihren
beiden Töchtern erlauben, mit ihm auf den Keller zum Tanze zu spazieren.
Sie schlug es ihm aber rund ab mit dem Bescheide, daß man von solchen
Frauenzimmern, welche auf die Keller zum Tanze gingen, gar nicht viel hielte.
Matthäi wollte sich nicht abweisen lassen, wurde immer zudringlicher und sagte
endlich-, sie verachteten ihn. und wollten deshalb nicht mit ihm gehen; wenn
aber einer von denen käme, die vergangenen Sonntag in ihrem Hause ge¬
schmaust hätten, da würden sie nicht so widerwillig sein; und wenn sie nicht
wie ihm gingen, so wolle er Alles, was ihm von ihnen wissend, ausschwatzen.
Hieraus replicirt Frau Neuenhahn: Er möge sagen, was er wisse, und schloß
ihr Fenster.

Als Matthäi gehört, daß seine Groschen anjetzt ungiltig seien, marschirte
er reetg. via wieder nach dem Burgkeller, wo er noch soviel getrunken, daß
er weder gehen noch stehen konnte. Nachdem sie nun daselbst ein Loch in die
Nacht gesoffen, daß man den Tag durchsehen konnte, machten sie Feierabend,
ließen sich aber von zwei Jungen ein Fäßchen von 24 Kannen Bier nachtragen
und marschirten, die Spielleute voran, auf den Markt. Als sie an der Woh¬
nung der Frau Neuenhahn vorbeikamen, klopfte Matthäi die älteste Tochter
heraus und sagte: Es würde ihr wol bekannt sein, daß er am vergangenen
Sonntag beschimpft worden, da sie ihn nicht wie ehrliche Kerle, sondern wie
Bärenhäuter tractiret. und fing an zu rufen: Härtung ein Hundsfott! Härtung,
sicher oben an seinem Fenster guckte, hörte dies und schrie herunter: Er solle
"ut solchen Worten inne halten, und wenn er was zu suchen hätte, bei Tage
kommen. Da Matthäi mit Schimpfen fortfuhr, schrie Härtung: Wenn die
Hausthür nicht verschlossen wäre, so wollte ich dich schon lehren quis Ms,
so hast du Hundsfott gut schimpfen. Matthäi aber schrie contra: Härtung.
Hundsfott stehe, Fuchspräceptor. Ochsenpräceptor u. s. w. Nach dieser Be¬
schimpfung sind sie aus den Markt marschirt. denselben etliche Mal auf und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/221>, abgerufen am 27.08.2024.