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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Reihen getanzt, brachte Härtung seine Tänzerin, welche eben Matthäi verehrte,
demselben, welcher sie auch annahm und etliche Mal auf dem Tanzplatz herum¬
führte. Die jüngste Jungfer wurde nach diesem mir präsentirt, mit welcher
ich auch in meiner Unschuld, nicht wissend, was für ein Unglückswind daraus
entstehen und mich anblasen würde, etliche Reihen herumsprang, und welche
ich sodann einem andern von uns zuführte. Matthäi, als er auch etliche
Male herumgesprungen, brachte seine Madame gleichfalls einem andern. Dies
ging nun immer so herum, daß endlich dem Matthäi die Zeit lang wurde,
ehe er seine Geliebte wiederbekam, weil ein Jeder von unserer Gesellschaft
sowol mit der großen als der kleinen Jungfer tanzte. Es erhellt dies aus
seiner spätern Aussage, daß es ihn verdrossen, weil ihm die älteste Jungfer
nicht mehr als einmal zum Tanz zugeführt worden und man ihn am Tisch
nicht obenan, sondern nur an die Ecke gesetzt Hütte. Dies wird aber bestrit-
ten, denn er hat mehr als viermal getanzt, so viel habe ich selbst gesehen,
obgleich ich nicht viel Achtung auf ihn gegeben, denn man trank in bona
eariwtö und rauchte ein Pfeifchen Tabak. Uebrigens hat ein Jeder oben
gesessen, weil der Tisch querüber stand, so daß sich keiner des Obersitzes rüh¬
men, noch des Untersitzes schämen konnte.

Als es nun ungefähr 11 Uhr geworden, nahm Matthäi von einem Jeden
in speoie freundlichen Abschied, bedankte sich für geleistete Compagnie, ange¬
thane Ehre und genossene Höflichkeit, zugleich bittend, wofern er etwas Un¬
höfliches begangen, solle man es'im Besten vermerken, und ging darauf von
uns weg.' Er hat aber die Hausthür bereits verschlossen gefunden, weil es
schon über 10 Uhr war, und vor etlichen Tagen ein fürstliches Edict publicirt
worden, nach dessen Inhalt alle Hausthüren, des Sommers um 10, des Win¬
ters um 9 Uhr geschlossen werden mußten, bei Vermeidung von 10 Thaler
Strafe. Auf Hartungs anderweite Einladung hat er sich wieder bereden lassen,
mit hinaus zu uns zu gehen. Bei seinem Eintritt präsentirte man ihm so¬
gleich wieder eine von den beiden Jungfern, welche er auch annahm und mit
ihr tanzte. Wir andern nahmen hernach des Herrn Dr. Fuchsens kleines
Töchterlein, welches dem Tanze zusahe, benebst dero Köchin, welche nicht weit
davon und welcher die Nase ziemlich nach Tanzen stand, und tanzten also
unter einander herum. -- Als nun der Stundenzeiger die erste Stunde über
Mitternacht verkündete, machten wir Feierabend, begleiteten sämmtlich die bei¬
den Mademoisellen nach ihren Zimmern, wo wir, Einer nach dem Andern
mit schönster tzratig-rum activ Abschied nahmen, ihnen auch eine geruhsame
Nacht wünschend. Matthäi aber schlenderte mit ihnen hinein in ihre Stube,
wo er die Nacht auf einer Ban? zubrachte. Wir dagegen marschirten nach
genommenem Abschiede wieder nach Hartungs Stube, wo sich denn ein Jeder
pro posse lagerte. Der eine dcclinirte seairmum, der andere conjungirte


Reihen getanzt, brachte Härtung seine Tänzerin, welche eben Matthäi verehrte,
demselben, welcher sie auch annahm und etliche Mal auf dem Tanzplatz herum¬
führte. Die jüngste Jungfer wurde nach diesem mir präsentirt, mit welcher
ich auch in meiner Unschuld, nicht wissend, was für ein Unglückswind daraus
entstehen und mich anblasen würde, etliche Reihen herumsprang, und welche
ich sodann einem andern von uns zuführte. Matthäi, als er auch etliche
Male herumgesprungen, brachte seine Madame gleichfalls einem andern. Dies
ging nun immer so herum, daß endlich dem Matthäi die Zeit lang wurde,
ehe er seine Geliebte wiederbekam, weil ein Jeder von unserer Gesellschaft
sowol mit der großen als der kleinen Jungfer tanzte. Es erhellt dies aus
seiner spätern Aussage, daß es ihn verdrossen, weil ihm die älteste Jungfer
nicht mehr als einmal zum Tanz zugeführt worden und man ihn am Tisch
nicht obenan, sondern nur an die Ecke gesetzt Hütte. Dies wird aber bestrit-
ten, denn er hat mehr als viermal getanzt, so viel habe ich selbst gesehen,
obgleich ich nicht viel Achtung auf ihn gegeben, denn man trank in bona
eariwtö und rauchte ein Pfeifchen Tabak. Uebrigens hat ein Jeder oben
gesessen, weil der Tisch querüber stand, so daß sich keiner des Obersitzes rüh¬
men, noch des Untersitzes schämen konnte.

Als es nun ungefähr 11 Uhr geworden, nahm Matthäi von einem Jeden
in speoie freundlichen Abschied, bedankte sich für geleistete Compagnie, ange¬
thane Ehre und genossene Höflichkeit, zugleich bittend, wofern er etwas Un¬
höfliches begangen, solle man es'im Besten vermerken, und ging darauf von
uns weg.' Er hat aber die Hausthür bereits verschlossen gefunden, weil es
schon über 10 Uhr war, und vor etlichen Tagen ein fürstliches Edict publicirt
worden, nach dessen Inhalt alle Hausthüren, des Sommers um 10, des Win¬
ters um 9 Uhr geschlossen werden mußten, bei Vermeidung von 10 Thaler
Strafe. Auf Hartungs anderweite Einladung hat er sich wieder bereden lassen,
mit hinaus zu uns zu gehen. Bei seinem Eintritt präsentirte man ihm so¬
gleich wieder eine von den beiden Jungfern, welche er auch annahm und mit
ihr tanzte. Wir andern nahmen hernach des Herrn Dr. Fuchsens kleines
Töchterlein, welches dem Tanze zusahe, benebst dero Köchin, welche nicht weit
davon und welcher die Nase ziemlich nach Tanzen stand, und tanzten also
unter einander herum. — Als nun der Stundenzeiger die erste Stunde über
Mitternacht verkündete, machten wir Feierabend, begleiteten sämmtlich die bei¬
den Mademoisellen nach ihren Zimmern, wo wir, Einer nach dem Andern
mit schönster tzratig-rum activ Abschied nahmen, ihnen auch eine geruhsame
Nacht wünschend. Matthäi aber schlenderte mit ihnen hinein in ihre Stube,
wo er die Nacht auf einer Ban? zubrachte. Wir dagegen marschirten nach
genommenem Abschiede wieder nach Hartungs Stube, wo sich denn ein Jeder
pro posse lagerte. Der eine dcclinirte seairmum, der andere conjungirte


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[0220] Reihen getanzt, brachte Härtung seine Tänzerin, welche eben Matthäi verehrte, demselben, welcher sie auch annahm und etliche Mal auf dem Tanzplatz herum¬ führte. Die jüngste Jungfer wurde nach diesem mir präsentirt, mit welcher ich auch in meiner Unschuld, nicht wissend, was für ein Unglückswind daraus entstehen und mich anblasen würde, etliche Reihen herumsprang, und welche ich sodann einem andern von uns zuführte. Matthäi, als er auch etliche Male herumgesprungen, brachte seine Madame gleichfalls einem andern. Dies ging nun immer so herum, daß endlich dem Matthäi die Zeit lang wurde, ehe er seine Geliebte wiederbekam, weil ein Jeder von unserer Gesellschaft sowol mit der großen als der kleinen Jungfer tanzte. Es erhellt dies aus seiner spätern Aussage, daß es ihn verdrossen, weil ihm die älteste Jungfer nicht mehr als einmal zum Tanz zugeführt worden und man ihn am Tisch nicht obenan, sondern nur an die Ecke gesetzt Hütte. Dies wird aber bestrit- ten, denn er hat mehr als viermal getanzt, so viel habe ich selbst gesehen, obgleich ich nicht viel Achtung auf ihn gegeben, denn man trank in bona eariwtö und rauchte ein Pfeifchen Tabak. Uebrigens hat ein Jeder oben gesessen, weil der Tisch querüber stand, so daß sich keiner des Obersitzes rüh¬ men, noch des Untersitzes schämen konnte. Als es nun ungefähr 11 Uhr geworden, nahm Matthäi von einem Jeden in speoie freundlichen Abschied, bedankte sich für geleistete Compagnie, ange¬ thane Ehre und genossene Höflichkeit, zugleich bittend, wofern er etwas Un¬ höfliches begangen, solle man es'im Besten vermerken, und ging darauf von uns weg.' Er hat aber die Hausthür bereits verschlossen gefunden, weil es schon über 10 Uhr war, und vor etlichen Tagen ein fürstliches Edict publicirt worden, nach dessen Inhalt alle Hausthüren, des Sommers um 10, des Win¬ ters um 9 Uhr geschlossen werden mußten, bei Vermeidung von 10 Thaler Strafe. Auf Hartungs anderweite Einladung hat er sich wieder bereden lassen, mit hinaus zu uns zu gehen. Bei seinem Eintritt präsentirte man ihm so¬ gleich wieder eine von den beiden Jungfern, welche er auch annahm und mit ihr tanzte. Wir andern nahmen hernach des Herrn Dr. Fuchsens kleines Töchterlein, welches dem Tanze zusahe, benebst dero Köchin, welche nicht weit davon und welcher die Nase ziemlich nach Tanzen stand, und tanzten also unter einander herum. — Als nun der Stundenzeiger die erste Stunde über Mitternacht verkündete, machten wir Feierabend, begleiteten sämmtlich die bei¬ den Mademoisellen nach ihren Zimmern, wo wir, Einer nach dem Andern mit schönster tzratig-rum activ Abschied nahmen, ihnen auch eine geruhsame Nacht wünschend. Matthäi aber schlenderte mit ihnen hinein in ihre Stube, wo er die Nacht auf einer Ban? zubrachte. Wir dagegen marschirten nach genommenem Abschiede wieder nach Hartungs Stube, wo sich denn ein Jeder pro posse lagerte. Der eine dcclinirte seairmum, der andere conjungirte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/220>, abgerufen am 27.08.2024.