Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Dies ist die eine Stütze des Staatslebenß bei Professor Gneisi; da er
sich aber darüber nicht klar ausdrückt, da er sich vielleicht sein Princip selber
nicht zum Bewußtsein gebracht hat, so sind wir genöthigt gewesen, ihn durch
Schlußfolgerungen zu ergänzen.

Bei dem zweiten Punkt haben wir das nicht nöthig. Die zweite Stütze
seines Staatslebens ist: XinA in Louneil. Die organischen Gesetze des
Staats sollen nicht von dem wechselnden Ministerium ausgehen, noch weni¬
ger vom Parlament, sondern von dem Staatsrath, dem der König prüsidirt.
Das Parlament soll weiter keine Befugniß haben, als diese vom Xing' in
Louneil gegebenen Gesetze pure anzunehmen oder abzulehnen. Mit einem
Wort: es ist das Oorvs IsZisIatit Napoleons III. -- Der ganze Verfall der
modernen Staaten soll davon herrühren, daß KinZ in Louneil seine Souve-
rainetät theilweise an seine Minister abgetreten hat.

Wir denken, dieser Punkt wäre hinlänglich klar, und seine Wichtigkeit
nicht zu verkennen. Die ganze Entwickelung des preußischen Staats seit dem
Anfang dieses Jahrhunderts beruht daraus, den Unterschied zwischen Ccibi-
netsregierung und Ministerialregierung mehr und mehr aufzuheben:
man denke an den berühmten Brief des Freiherrn v, Stein an König Fried¬
rich Wilhelm den Dritten. Es ist die Rede von der Einbringung eines Ge¬
setzes über die Verantwortlichkeit der Minister. Wir legen auf die praktische
Anwendung desselben kein großes Gewicht; desto größeres auf den moralischen
Eindruck desselben. Die Minister sollen wissen, daß sie moralisch für alle
Handlungen der Regierung verantwortlich sind, daß sie also die moralische
Verpflichtung haben, sobald ihnen der König in einem bestimmten Punkt sein
Vertrauen entzieht, sofort ihre Entlassung einzureichen. Er entzieht ihnen
aber sein Vertrauen, sobald er sie in Bezug auf einen Theil ihrer Functionen
ihrer Verantwortlichkeit überhebt, sobald er z. B. mit Umgebung des Mini¬
sters der auswärtigen Angelegenheiten mit fremden Mächten unterhandelt.
Der Punkt, auf den es jetzt vielleicht am meisten ankommt, abgesehen von
der großen auswärtigen Politik, auf die wir im nächsten Heft zurückkommen, >
ist die Herstellung einer einheitlichen Regierung in Preußen, einer Regierung,
bei der die reckte Hand immer weiß was die linke thut, bei der beide von
einem Willen bestimmt werden. Für uns ists Amtsgentry vorläufig ein
mystischer Ausdruck; bestehende Mächte sind bei uns theils die Stände,
theils die Büreaukratie. Beide von der Herrschaft des Ministeriums und
mittelbar von dem Einfluß des Parlaments unabhängig zu machen ist der
Hauptzweck unserer Gegner; wer diesen Zweck fördert, ist unser Gegner.

Zwar wissen wir sehr wohl, daß Professor Gneist in seinein eigenen
wußtsein sich sehr entschieden von der Kreuzzeitung scheidet; er wirft ihr vor,
constitutionelle Gelüste zu haben: was unter Westphnlen richtig war;


Dies ist die eine Stütze des Staatslebenß bei Professor Gneisi; da er
sich aber darüber nicht klar ausdrückt, da er sich vielleicht sein Princip selber
nicht zum Bewußtsein gebracht hat, so sind wir genöthigt gewesen, ihn durch
Schlußfolgerungen zu ergänzen.

Bei dem zweiten Punkt haben wir das nicht nöthig. Die zweite Stütze
seines Staatslebens ist: XinA in Louneil. Die organischen Gesetze des
Staats sollen nicht von dem wechselnden Ministerium ausgehen, noch weni¬
ger vom Parlament, sondern von dem Staatsrath, dem der König prüsidirt.
Das Parlament soll weiter keine Befugniß haben, als diese vom Xing' in
Louneil gegebenen Gesetze pure anzunehmen oder abzulehnen. Mit einem
Wort: es ist das Oorvs IsZisIatit Napoleons III. — Der ganze Verfall der
modernen Staaten soll davon herrühren, daß KinZ in Louneil seine Souve-
rainetät theilweise an seine Minister abgetreten hat.

Wir denken, dieser Punkt wäre hinlänglich klar, und seine Wichtigkeit
nicht zu verkennen. Die ganze Entwickelung des preußischen Staats seit dem
Anfang dieses Jahrhunderts beruht daraus, den Unterschied zwischen Ccibi-
netsregierung und Ministerialregierung mehr und mehr aufzuheben:
man denke an den berühmten Brief des Freiherrn v, Stein an König Fried¬
rich Wilhelm den Dritten. Es ist die Rede von der Einbringung eines Ge¬
setzes über die Verantwortlichkeit der Minister. Wir legen auf die praktische
Anwendung desselben kein großes Gewicht; desto größeres auf den moralischen
Eindruck desselben. Die Minister sollen wissen, daß sie moralisch für alle
Handlungen der Regierung verantwortlich sind, daß sie also die moralische
Verpflichtung haben, sobald ihnen der König in einem bestimmten Punkt sein
Vertrauen entzieht, sofort ihre Entlassung einzureichen. Er entzieht ihnen
aber sein Vertrauen, sobald er sie in Bezug auf einen Theil ihrer Functionen
ihrer Verantwortlichkeit überhebt, sobald er z. B. mit Umgebung des Mini¬
sters der auswärtigen Angelegenheiten mit fremden Mächten unterhandelt.
Der Punkt, auf den es jetzt vielleicht am meisten ankommt, abgesehen von
der großen auswärtigen Politik, auf die wir im nächsten Heft zurückkommen, >
ist die Herstellung einer einheitlichen Regierung in Preußen, einer Regierung,
bei der die reckte Hand immer weiß was die linke thut, bei der beide von
einem Willen bestimmt werden. Für uns ists Amtsgentry vorläufig ein
mystischer Ausdruck; bestehende Mächte sind bei uns theils die Stände,
theils die Büreaukratie. Beide von der Herrschaft des Ministeriums und
mittelbar von dem Einfluß des Parlaments unabhängig zu machen ist der
Hauptzweck unserer Gegner; wer diesen Zweck fördert, ist unser Gegner.

Zwar wissen wir sehr wohl, daß Professor Gneist in seinein eigenen
wußtsein sich sehr entschieden von der Kreuzzeitung scheidet; er wirft ihr vor,
constitutionelle Gelüste zu haben: was unter Westphnlen richtig war;


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0202" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111096"/>
          <p xml:id="ID_638"> Dies ist die eine Stütze des Staatslebenß bei Professor Gneisi; da er<lb/>
sich aber darüber nicht klar ausdrückt, da er sich vielleicht sein Princip selber<lb/>
nicht zum Bewußtsein gebracht hat, so sind wir genöthigt gewesen, ihn durch<lb/>
Schlußfolgerungen zu ergänzen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_639"> Bei dem zweiten Punkt haben wir das nicht nöthig. Die zweite Stütze<lb/>
seines Staatslebens ist: XinA in Louneil. Die organischen Gesetze des<lb/>
Staats sollen nicht von dem wechselnden Ministerium ausgehen, noch weni¬<lb/>
ger vom Parlament, sondern von dem Staatsrath, dem der König prüsidirt.<lb/>
Das Parlament soll weiter keine Befugniß haben, als diese vom Xing' in<lb/>
Louneil gegebenen Gesetze pure anzunehmen oder abzulehnen. Mit einem<lb/>
Wort: es ist das Oorvs IsZisIatit Napoleons III. &#x2014; Der ganze Verfall der<lb/>
modernen Staaten soll davon herrühren, daß KinZ in Louneil seine Souve-<lb/>
rainetät theilweise an seine Minister abgetreten hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_640"> Wir denken, dieser Punkt wäre hinlänglich klar, und seine Wichtigkeit<lb/>
nicht zu verkennen. Die ganze Entwickelung des preußischen Staats seit dem<lb/>
Anfang dieses Jahrhunderts beruht daraus, den Unterschied zwischen Ccibi-<lb/>
netsregierung und Ministerialregierung mehr und mehr aufzuheben:<lb/>
man denke an den berühmten Brief des Freiherrn v, Stein an König Fried¬<lb/>
rich Wilhelm den Dritten. Es ist die Rede von der Einbringung eines Ge¬<lb/>
setzes über die Verantwortlichkeit der Minister. Wir legen auf die praktische<lb/>
Anwendung desselben kein großes Gewicht; desto größeres auf den moralischen<lb/>
Eindruck desselben. Die Minister sollen wissen, daß sie moralisch für alle<lb/>
Handlungen der Regierung verantwortlich sind, daß sie also die moralische<lb/>
Verpflichtung haben, sobald ihnen der König in einem bestimmten Punkt sein<lb/>
Vertrauen entzieht, sofort ihre Entlassung einzureichen. Er entzieht ihnen<lb/>
aber sein Vertrauen, sobald er sie in Bezug auf einen Theil ihrer Functionen<lb/>
ihrer Verantwortlichkeit überhebt, sobald er z. B. mit Umgebung des Mini¬<lb/>
sters der auswärtigen Angelegenheiten mit fremden Mächten unterhandelt.<lb/>
Der Punkt, auf den es jetzt vielleicht am meisten ankommt, abgesehen von<lb/>
der großen auswärtigen Politik, auf die wir im nächsten Heft zurückkommen, &gt;<lb/>
ist die Herstellung einer einheitlichen Regierung in Preußen, einer Regierung,<lb/>
bei der die reckte Hand immer weiß was die linke thut, bei der beide von<lb/>
einem Willen bestimmt werden. Für uns ists Amtsgentry vorläufig ein<lb/>
mystischer Ausdruck; bestehende Mächte sind bei uns theils die Stände,<lb/>
theils die Büreaukratie. Beide von der Herrschaft des Ministeriums und<lb/>
mittelbar von dem Einfluß des Parlaments unabhängig zu machen ist der<lb/>
Hauptzweck unserer Gegner; wer diesen Zweck fördert, ist unser Gegner.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_641" next="#ID_642"> Zwar wissen wir sehr wohl, daß Professor Gneist in seinein eigenen<lb/>
wußtsein sich sehr entschieden von der Kreuzzeitung scheidet; er wirft ihr vor,<lb/>
constitutionelle Gelüste zu haben: was unter Westphnlen richtig war;</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0202] Dies ist die eine Stütze des Staatslebenß bei Professor Gneisi; da er sich aber darüber nicht klar ausdrückt, da er sich vielleicht sein Princip selber nicht zum Bewußtsein gebracht hat, so sind wir genöthigt gewesen, ihn durch Schlußfolgerungen zu ergänzen. Bei dem zweiten Punkt haben wir das nicht nöthig. Die zweite Stütze seines Staatslebens ist: XinA in Louneil. Die organischen Gesetze des Staats sollen nicht von dem wechselnden Ministerium ausgehen, noch weni¬ ger vom Parlament, sondern von dem Staatsrath, dem der König prüsidirt. Das Parlament soll weiter keine Befugniß haben, als diese vom Xing' in Louneil gegebenen Gesetze pure anzunehmen oder abzulehnen. Mit einem Wort: es ist das Oorvs IsZisIatit Napoleons III. — Der ganze Verfall der modernen Staaten soll davon herrühren, daß KinZ in Louneil seine Souve- rainetät theilweise an seine Minister abgetreten hat. Wir denken, dieser Punkt wäre hinlänglich klar, und seine Wichtigkeit nicht zu verkennen. Die ganze Entwickelung des preußischen Staats seit dem Anfang dieses Jahrhunderts beruht daraus, den Unterschied zwischen Ccibi- netsregierung und Ministerialregierung mehr und mehr aufzuheben: man denke an den berühmten Brief des Freiherrn v, Stein an König Fried¬ rich Wilhelm den Dritten. Es ist die Rede von der Einbringung eines Ge¬ setzes über die Verantwortlichkeit der Minister. Wir legen auf die praktische Anwendung desselben kein großes Gewicht; desto größeres auf den moralischen Eindruck desselben. Die Minister sollen wissen, daß sie moralisch für alle Handlungen der Regierung verantwortlich sind, daß sie also die moralische Verpflichtung haben, sobald ihnen der König in einem bestimmten Punkt sein Vertrauen entzieht, sofort ihre Entlassung einzureichen. Er entzieht ihnen aber sein Vertrauen, sobald er sie in Bezug auf einen Theil ihrer Functionen ihrer Verantwortlichkeit überhebt, sobald er z. B. mit Umgebung des Mini¬ sters der auswärtigen Angelegenheiten mit fremden Mächten unterhandelt. Der Punkt, auf den es jetzt vielleicht am meisten ankommt, abgesehen von der großen auswärtigen Politik, auf die wir im nächsten Heft zurückkommen, > ist die Herstellung einer einheitlichen Regierung in Preußen, einer Regierung, bei der die reckte Hand immer weiß was die linke thut, bei der beide von einem Willen bestimmt werden. Für uns ists Amtsgentry vorläufig ein mystischer Ausdruck; bestehende Mächte sind bei uns theils die Stände, theils die Büreaukratie. Beide von der Herrschaft des Ministeriums und mittelbar von dem Einfluß des Parlaments unabhängig zu machen ist der Hauptzweck unserer Gegner; wer diesen Zweck fördert, ist unser Gegner. Zwar wissen wir sehr wohl, daß Professor Gneist in seinein eigenen wußtsein sich sehr entschieden von der Kreuzzeitung scheidet; er wirft ihr vor, constitutionelle Gelüste zu haben: was unter Westphnlen richtig war;

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/202
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/202>, abgerufen am 25.08.2024.